Seit einem Jahr erwarten die Anleger, dass die japanische Notenbank von ihrem expansiven Kurs abrückt. Jetzt steigt die Spannung, ob sie recht behalten.
Bank of Japan (BoJ)
Am Mittwoch wird sich zeigen, wie die japanische Notenbank kurzfristig weiterhandeln will.
Bild: Bloomberg
Tokio Die Notenbank Japans sorgt kurz vor dem nächsten Zinsentscheid am Mittwoch wieder für Unruhe an den Märkten. „Die hin und her wogende Schlacht zwischen der Bank von Japan und den Märkten nimmt an Heftigkeit zu“, so beschrieb Japans Wirtschaftszeitung „Nikkei“ am Montag massive Käufe japanischer Staatsanleihen, mit denen die Notenbank die Grundlage ihrer Geldpolitik zu verteidigen sucht: die sogenannte Zinskurvenkontrolle.
Bei dieser Art von Geldpolitik kündigt die Notenbank an, in welchem Rahmen sie die Renditen von zehnjährigen Staatspapieren (JBGs) halten will, und versucht dann, mit gezielten Anleihekäufen die Einhaltung des Rahmens sicherzustellen. Diese Spanne hatte die Bank of Japan für zehnjährige Staatspapiere im Dezember überraschend auf minus 0,5 bis plus 0,5 Prozent verdoppelt und damit Spekulationen über einen möglichen Wegfall des Korridors ausgelöst.
Für 2,2 Billionen Yen (15,2 Milliarden Euro) musste sie zuletzt JGBs kaufen, um die Zinsen wieder unter 0,5 Prozent zu drücken. Damit stieg die Summe der Anleihekäufe seit dem 20. Dezember, an dem die Notenbank den Zinskorridor erweitert hatte, auf über 33 Billionen Yen (240 Milliarden Euro). Dabei besaß die Bank von Japan zuvor schon mehr als die Hälfte der japanischen Staatsanleihen.
Treiber des Geschehens sind die großen Wetten globaler Anleger auf ein baldiges Ende der 2016 eingeführten Zinskurvenkontrolle. Mit ihrer Politik drückt die Notenbank die Zinsen für kurzfristige Anleihen ins Minus und lässt zehnjährige um den Nullpunkt schwanken. Nur lagen am Montag die Zinsen den zweiten Handelstag in Folge bei 0,51 Prozent und damit über dem Limit der Notenbank. Das verstärkt die Unsicherheit über Japans künftige Geldpolitik.
„Die Januar-Sitzung des geldpolitischen Ausschusses wird eine knappe Sache“, meint Izumi Devalier, Volkswirtin für Japan und Asien bei der Bank of America. Sie geht davon aus, dass die Zentralbank nach ihrer vorweihnachtlichen Überraschung an ihrer Politik festhalten wird. „Aber das Risiko, dass die Zinskurvenkontrolle abgeschafft wird, ist hoch“, setzt sie hinzu. Denn der Anleihemarkt funktioniere immer schlechter.
Laut Devalier preisen die Märkte bereits ein Ende der Politik von Notenbankchef Haruhiko Kuroda ein. Stefan Angrick, Volkswirt bei Moody’s Analytics, warnt sogar: „Die Zinskurvenkontrolle scheint in Japan ein chaotisches Ende zu nehmen.“ Er stellt fest: „Die Future-Märkte rechnen für 2023 mit einer Reihe von stetigen Zinserhöhungen.“
Der Stimmungsumschwung ist radikal. Vor der letzten Sitzung gingen die meisten Notenbank-Beobachter noch davon aus, dass die Bank von Japan bis zum Ende von Kurodas Amtszeit im April 2023 ihre Geldpolitik nicht verschärfen werde.
Immerhin lag die Inflation im November mit 3,8 Prozent deutlich unter der anderer Industrieländer. Und die Notenbank ging offiziell davon aus, dass Preissteigerungen schon bald unter das Inflationsziel von zwei Prozent fallen würden. Plötzlich vollzog Kuroda am 20. Dezember dann die Wende.
Der japanische Zentralbankchef Haruhiko Kuroda
Im November teilte Kuroda mit, dass er für keine weitere Amtszeit zur Verfügung stehen wird.
Bild: Bloomberg
Kuroda begründete sie damit, dass die Geldpolitiker so das Funktionieren des Anleihehandels verbessern wollten. Stattdessen habe die Vergrößerung des Handelskorridors aber „Volatilität und Verwirrung gestiftet“, urteilt Angrick, die bisherige Geldpolitik sei so infrage gestellt. Auch die Wirtschaftspolitik der Regierung, die relativ großen Einfluss auf die Notenbank hat, wird hinterfragt.
Nach Amtsantritt des im vergangenen Jahr ermordeten Regierungschefs Shinzo Abe hatte die Notenbank 2013 begonnen, ihre Verkäufe von JGBs rasant zu erhöhen, um mit einer Geldschwemme Inflation zu erzeugen und die expansive Ausgabenpolitik des hochverschuldeten Landes zu unterstützen.
Die mögliche Folge einer erneuten Kurswende zeichnet sich derzeit am Devisen- und Aktienmarkt ab. Im Herbst vorigen Jahres rechneten Pessimisten nach einem rasanten Wertverlust des Yens auf 150 Yen zum Dollar noch mit einem Kollaps Japans. Nun warnen die Ersten vor einem zu schnellen Höhenflug des Yens.
>>Lesen Sie hier: Die geldpolitische Kehrtwende der japanischen Notenbank war überfällig – trotz aller Risiken
Von Freitag bis Montagnachmittag japanischer Zeit stieg Japans Landeswährung gegenüber dem Dollar kurzfristig um 1,2 Prozent auf knapp über 127 Yen. Dies drückte am Aktienmarkt prompt den Nikkei-225-Index um 1,4 Prozent auf 25.822 Punkte. Denn ein stärkerer Yen drückt bei der Umrechnung die Gewinne von Großkonzernen im Auslandsgeschäft.
Am Mittwoch wird sich nun zeigen, wie die Bank von Japan kurzfristig handeln will. Noch gilt ein Ende der Zinskurvenkontrolle und erst recht der offiziellen Nullzinspolitik als unwahrscheinlich. Gleichzeitig steigt die Spannung, ob die Wahl des nächsten Notenbankchefs Rückschlüsse auf einen neuen geldpolitischen Pakt zwischen Regierung und Bank von Japan erlauben wird.
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