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31.08.2022

21:16

Apothera

Wie das Start-up DocMorris & Co. herausfordert

Von: Steffen Ermisch

Apothera baut eine neue Versandapotheke für verschreibungspflichtige Medikamente auf – und erhofft sich Anschub vom Start des E-Rezepts.

Das Team von Apothera. Unternehmen

David Schmidt, Christian-Alexander Vry, Ralf Däinghaus, Daniel Lewinski (v.l.)

Das Team von Apothera.

Der 1. September hat Symbolcharakter für das Start-up Apothera. Passend zum sogenannten Rollout des E-Rezepts startet das Unternehmen, das seinen Hauptsitz in der Schweiz hat, heute seine App Mya. Die komme einer „Revolution der Arzneimittelabgabe“ gleich, verspricht DocMorris-Gründer Ralf Däinghaus, der das Start-up als Berater unterstützt. Mya ist eine Bestell-App für rezeptpflichtige Medikamente. In dem Segment setzen Apotheken in Deutschland mehr als 40 Milliarden Euro jährlich um. Erklärtes Ziel von Apothera ist es, hier mit einem eigenen Versandhandel schon im kommenden Jahr Marktführer zu sein.

Tatsächlich erleichtert das E-Rezept Onlineanbietern das Geschäft erheblich – denn die größte Bestellhürde aus Kundensicht fällt weg. Wollten Patienten bisher Rezepte bei Versandhändlern einlösen, mussten sie diese erst per Post einschicken. Das hat kaum jemand gemacht. Künftig genügt es, den digitalen Rezeptcode etwa per App zu übermitteln. „Mit dem E-Rezept wird das Geschäft erst skalierbar”, sagt Apothera-Mitgründer Daniel Lewinski. Der Pharmazeut und Ex-Berater hat das Unternehmen im vergangenen Jahr zusammen mit dem Unternehmer Christian-Alexander Vry und Produktentwickler David Schmidt gegründet.

Das E-Rezept ist zwar schon lange geplant – wurde aber immer wieder verschoben. Ursprünglich sollten die digitalen Rezepte zu Jahresbeginn die herkömmlichen Papierausdrucke ablösen. Nach technischen Schwierigkeiten war dann ein bundesweiter Start in diesem Herbst diskutiert worden. Nun beginnt zumindest eine Testphase mit Kassenärzten in der Region Westfalen-Lippe sowie mit Zahnärzten in Schleswig-Holstein. Weitere Regionen können noch in diesem Jahr folgen.

Service für Folgerezepte

Auch bekannte Versandhändler wie DocMorris und Shop Apotheke sowie Schnelllieferdienste erhoffen sich einen Schub. Apothera will sich von den Konkurrenten abheben: Über die Mya-App sollen Patienten sich in vielen Fällen nicht nur den Weg in eine Apotheke, sondern auch den in eine Arztpraxis sparen können. Denn das Start-up will im Auftrag seiner Kunden Folgerezepte bei den behandelnden Ärzten anfordern. Im Idealfall soll die Bestellung automatisch angestoßen werden, sobald der Vorrat des Nutzers zur Neige geht. Auch Einnahme-Erinnerungen und Wechselwirkungsprüfungen sind geplant.

Als Berater haben die Gründer Ralf Däinghaus gewonnen, der bis zu seinem Ausscheiden bei DocMorris 2009 oft als „Apotheker-Schreck“ betitelt worden war. Nun wettert er munter gegen bestehende Versandapotheken. Diese seien „reine OTC-Buden“, die von den Bedürfnissen chronisch kranker Menschen nichts verstünden. OTC steht für „Over the Counter“ und meint rezeptfreie Medikamente. „Apothera ist ein Schnellboot, bei dem sich auch DocMorris hinten anstellen muss“, sagt er.

Die Geldgeber des Start-ups sehen das ähnlich. „Mit dem E-Rezept fangen auch große Marken bei null an“, sagt Matthias Friese, Managing Partner von Xpress Ventures. Der vom Logistiker Fiege finanzierte Company Builder war an der Gründung von Apothera beteiligt und investierte eine Million Euro in Form von Kapital und Logistik-Dienstleistungen. Fiege als Partner unterstützte bei Beschaffung, Fulfillment und Transport, so Friese. Zum Start wird Apothera nach Angaben der Gründer mit mehreren Großapotheken mit Versandhandelslizenz zusammenarbeiten – das eigene Logistikzentrum in den Niederlanden ist noch nicht fertig.

Neben Xpress Ventures sind mehrere Business Angels Gesellschafter von Apothera. Das Start-up gibt an, im Februar zudem zwei Millionen Euro vom Frühphaseninvestor Firstminute Capital erhalten zu haben. „Wir arbeiten schon an einer Folge-Finanzierungsrunde“, sagt Mitgründer Vry. Gegenüber Geldgebern nennen die Gründer als Vorbilder gerne die 2015 gegründeten US-Start-ups Alto und Capsule, die längst mehr als eine Milliarde Dollar wert sind.

Rechtslage ist bedenklich

Der deutsche Markt gilt indes schon regulatorisch als deutlich anspruchsvoller. In einem juristischen Minenfeld bewegt sich Apothera mit dem Vorhaben, seinen Kunden auch bei der Rezeptbeschaffung zu helfen. Das sogenannte Makel- und Zuweisungsverbot setzt hier enge Grenzen. So ist es Ärzten verboten, Patienten vorzuschreiben, in welcher Apotheke sie ihr Rezept einlösen sollen. Seit 2020 ist es zudem Dritten explizit untersagt, zu Profitzwecken Rezepte einzusammeln und an Apotheken weiterzuleiten oder zu vermitteln.

Die Regelungen haben zum Beispiel Medikamendo schwer getroffen. Das Hamburger Start-up bietet schon länger ein Internetportal an, bei dem Patienten ein Wiederholungsrezept digital bei ihrem Arzt anfordern und dieses gleich auch bei einer Partnerapotheke der Plattform einlösen können. Dafür kassierte das Start-up bis 2020 Provisionen der Apotheken. Diese habe man dann streichen müssen, sagt Gründer Hanno Behrens. „Aktuell verdienen wir damit kein Geld.“

Ganz eingestellt wurde mit Medabo im vergangenen Jahr ein anderes Portal für Folgerezepte. Hinter der Plattform stand der heutige Apothera-Mitgründer Lewinski. Der manuelle Aufwand sei wegen des Postversands von Rezepten zu hoch gewesen, sagt er. „Das E-Rezept verkürzt den Prozess nun von mehreren Tagen auf wenige Sekunden.“ Ärzte sollen die digitalen Rezeptcodes über verschlüsselte E-Mails, sichere Datei-Uploads oder den Kommunikationsdienst KIM an Apothera übermitteln.

Apothera ist dagegen davon überzeugt, sein Angebot so konstruiert zu haben, dass es keine Verstöße gegen das Makel- und Zuweisungsverbot gibt. Auch für die Ärzte sei die Übermittlung der Rezepte rechtskonform. „Entscheidend ist, dass der Patient aus freien Stücken die Apotheke gewählt hat und das auch durch die Prozessdokumentation beweisbar ist“, sagt Lewinski.

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