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10.10.2022

09:16

App auf Rezept

Wie schnell ist der Fast-Track wirklich?

Von: Britta Rybicki

Durch das Fast-Track-Verfahren sollen zertifizierte Gesundheitsapps nach einem Jahr dauerhaft in die Regelversorgung aufgenommen werden.

Durch ein sogenanntes Fast-Track-Verfahren sollen Gesundheitsapps nach zwölf Monaten dauerhaft in die Regelversorgung aufgenommen werden - die Mehrheit der Hersteller bricht das Zulassungsverfahren allerdings ab. imago/Mint Images

Digitale Gesundheitsanwendungen

Durch ein sogenanntes Fast-Track-Verfahren sollen Gesundheitsapps nach zwölf Monaten dauerhaft in die Regelversorgung aufgenommen werden - die Mehrheit der Hersteller bricht das Zulassungsverfahren allerdings ab.

Düsseldorf Das Fast Track Verfahren soll für Fortschritt stehen. Die Gesundheitsversorgung wird durch Apps erweitert. Nach einem dreimonatigen Antragsverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) werden sie vorübergehend als digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) zugelassen und von Krankenkassen erstattet. Um den DiGA-Status nicht zu verlieren, müssen Hersteller nach einem Jahr im Rahmen einer klinischen Studie eine Wirksamkeit belegen.

Ziel dahinter ist, dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel im Gesundheitswesen entgegenzuwirken. Patienten, die zum Beispiel lange auf einen Termin beim Psychotherapeuten warten, können die Wartezeit mit Übungen in einer App überbrücken. Sie stammen aus der klassischen Verhaltenstherapie. Zahlen zeigen, dass der Fast Track – anders als der Name verspricht – nur schleppend vorankommt. Die rechtliche Grundlage dafür ist das Digitale-Versorgung-Gesetz.

32 DiGA sind bislang im Verzeichnis gelistet. Zuletzt aufgenommen wurde Re.flex, ein digitales Physiotherapieprogramm für Menschen mit einer Knie-Arthrose. Vom DiGA-Status erhofft sich das rumänische Unternehmen, in den nächsten sechs Monaten deutschlandweit von Patienten eingesetzt zu werden. In zwölf Monaten möchte man die Zulassung für weitere orthopädische Apps einholen. 1500 Nutzer zählt die Vorgänger-App.

Dauerhaft in die Regelversorgung aufgenommen wurden 14 DiGA. Die Technologien haben in klinischen Studien nachgewiesen, dass sie entweder die Gesundheit von Patienten verbessern oder den Versorgungsalltag erleichtern. Der Großteil der dauerhaft gelisteten DiGA hat den Erprobungszeitraum von zwölf Monaten allerdings verlängert. Das ist auf Anfrage beim BfArM möglich.

Dominik Böhler ist Gesundheitsökonom am Institut Deggendorf für Technologie und hält eine Frist von einem Jahr für eine klinische Studie mit entsprechenden Nachweisen für eine Herausforderung.

Hohe Anforderungen an das Studiendesign

Zum Vergleich: In der Pharmaindustrie dauern klinische Studien oft bis zu fünf Jahren. „Grundsätzlich sind klinische Studien kostenintensiv“, ergänzt er. Anders als in der Medikamententestung müssten für DiGA zwar keine Labore betrieben werden, sie brauchen allerdings genug Studienteilnehmer für die Test- und Kontrollgruppe. Die Studiendesigns im DiGA-Verzeichnis bestätigen Böhlers Einschätzung. Viele Hersteller lassen ihre DiGA mit 100 bis 200 Menschen für neun und für zwölf Monate testen.

Das BfArM legt zusammen mit den Herstellern die Ziele der Studie fest, das kann auch die Fallzahl sein. Eine Nichtraucher-App soll laut Studiendesign sogar von 640 Personen erprobt werden. Anne Sophie Geier ist Geschäftsführerin vom Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung und macht auf die anhaltende Coronapandemie aufmerksam: „Arztpraxen und Kliniken sind immer noch nicht im Normalbetrieb, weshalb die Patientenrekrutierung weiterhin sehr schwer ist“, sagt sie.

Ebenso auffällig ist das Verhältnis zwischen gestellten und zurückgezogenen Anträgen für die vorläufige Aufnahme in die Liste der DiGA. Seit 2020 wurden insgesamt 150 Anträge gestellt, davon wurden 83 zurückgezogen. 19 Anträge befinden sich aktuell in der Bearbeitung. Wie Handelsblatt Inside dokumentiert hat, hat sich diese Anzahl in den vergangenen Monaten nicht auffällig verändert. Betrachtet man die vorläufigen Zulassungen in jeweils drei Jahren, lassen sich auch hier bislang keine großen Sprünge feststellen. 2020 wurden acht DiGA vorläufig in das Verzeichnis aufgenommen, 2021 waren es 16, im laufenden Jahr gab es nach neun Monaten acht Zulassungen.

Das BfArM reagiert auf die Frage von Handelsblatt Inside, wie lange das Antragsverfahren denn dauern könnte, zurückhaltend. Neben dem Verweis auf die entsprechende DiGA-Verordnung, „hängt es von der Komplexität der Anträge ab“.

Kurze Fristen für BfArM-Nachfragen

Natalie Gladkov ist Referentin für digitale Medizinprodukte beim Bundesverband Medizintechnologie. Mitglieder hatten ihr gegenüber von Detailfragen zum Beispiel über die IT-Sicherheit einer DiGA berichtet und dass für die Beantwortung nur kurze Fristen eingeräumt werden würden. Geschäftsführerin Geier hat ähnliche Rückmeldungen erhalten: „Bei einer Antragsfrist von drei Monaten sind die Meldezeiträume natürlich automatisch sehr kurz.“

Eine DiGA werde vom BfArM auch als Einzelfall geprüft, es gebe keinen ausschließlich standardisierten Prozess, ergänzt Referentin Gladkov und sagt weiter: „Das liegt natürlich auch daran, dass die DiGA-Zulassung ein neues und deswegen lernendes System ist.“ Deswegen schlägt sie vor, für Nachfragen im Antragsverfahren ein „Stop the Clock“ einzurichten. Damit ist gemeint, dass im Moment einer Nachfrage das Antragsverfahren kurz pausiert wird. Geier stimmt zu: „Im Arzneimittelbereich gibt es so eine Pausierung bereits und sie ermöglicht es Herstellern, Unterlagen zusammenzutragen und dann wieder ins Verfahren einzusteigen.“

Geier macht auf eine weitere Herausforderung aufmerksam: Um überhaupt im DiGA-Verzeichnis vorläufig aufgenommen zu werden, brauchen Hersteller eine sogenannte systematische Datenerfassung. „Das ist mit einer kleinen klinischen Studie gleichzusetzen, da es bereits Hinweise auf Effekte der DiGA in der Patientengruppe geben muss“, ordnet Geier ein. Die Mehrheit der DiGA-Anbieter sind Start-ups, denen weniger Finanzmittel als zum Beispiel Pharmaunternehmen zur Verfügung stehen.

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