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23.05.2022

07:48

Baltimore

Autonomer US-Roboter operiert Schweinedarm

Von: Andreas Schulte

An der John-Hopkins-Universität hat ein autonomer Roboter zwei Darmenden eines Schweins zusammengenäht. Der OP-Robotik-Markt wächst zweistellig.

Der OP-Roboter Da Vinci im OP-Saal der Asklepios Klinik Altona in Hamburg. obs

Das Robotersystem

Der OP-Roboter Da Vinci im OP-Saal der Asklepios Klinik Altona in Hamburg.

Köln Im Januar dieses Jahres gelang es einem Team der Johns-Hopkins-Universität (JHU) im US-Bundesstaat Maryland, zwei Darmenden eines Schweins durch eine minimalinvasive Öffnung zusammenzunähen. Anders als üblich führte bei dieser Weichteil-OP in Baltimore kein Chirurg und kein vom Chirurg gesteuertes System die Stiche aus. Ein vollautomatisierter Roboter namens Star (Smart Tissue Autonomous Robot) hatte die Operation unter seiner Kontrolle und setzte die Stiche eigenständig.

Das Gerät erkennt durch eine eingebaute Kamera, Sensoren und die Programmierung mit künstlicher Intelligenz seine Umgebung. „Der Chirurg plant den Eingriff, aber mit Star setzen wir Stiche schon jetzt genauer als der Mensch“, sagt Axel Krieger, Assistenzprofessor am Institut für Robotik der JHU zu Handelsblatt Inside. Denn Weichgewebe sind – etwa durch die Atmung des Patienten – fast immer in Bewegung. Das erschwert das manuelle Setzen von Stichen. Kriegers Star aber berechnet in Echtzeit, in welchem Moment die zu operierenden Weichteile unbewegt bleiben.

Autonomer Roboter soll in fünf Jahren den Menschen operieren

Noch probieren sich die US-Chirurgen nur an Tierversuchen aus. Doch der Zeitplan steht: „In fünf Jahren wollen wir so weit sein und Star erstmals am Menschen anwenden“, stellt Krieger in Aussicht.

Damit steht Star für eine neue Generation an Robotern, die mit Softwareunterstützung in die Operationssäle einziehen könnte. Das System aus Baltimore könne zukünftig auch für andere Eingriffe verwendet werden, etwa zur Operation von Tumoren, so Krieger.

In der Medizin sehen Expertinnen und Experten viel Potenzial für die digital vernetzten Operateure. „Nicht nur der Standard steigt, sondern auch die Effizienz“, sagt Franziska Mathis-Ullrich, Professorin für Robotik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Erfahrungen mit assistierenden Robotersystemen würden zeigen: Roboter arbeiten präziser als Menschen. Zudem würden die OPs schonender für die Patienten verlaufen.

Die Entwicklung kommt zur rechten Zeit. „Im Jahr 2050 wird etwa ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland älter sein als 65 Jahre“, sagt Mathis-Ullrich. Die Anzahl an Operationen wird also zunehmen – die der Mediziner dürfte eher zurückgehen. Nach Angaben des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen (BDC) sind von den rund 40.000 Chirurgen hierzulande bereits heute etwa 9000 jenseits der 60. „Autonome Roboter können die Mediziner unterstützen“, sagt die Professorin.

Dass automatisierte OP-Roboter zukünftig einheitliche Standards setzen werden, sieht Wissenschaftler Krieger als Vorteil. „Durch einen robotergestützten Eingriff können wir sicherstellen, dass chirurgische Aufgaben, die eine hohe Präzision und Wiederholungsrate erfordern, mit größerer Genauigkeit durchgeführt werden können – unabhängig von den Fähigkeiten des Chirurgen.”

OP-Robotik-Markt verzeichnet zweistelliges Wachstum

Im Regelbetrieb arbeiten OP-Roboter nicht autonom, sondern unterstützen Chirurgen lediglich im OP-Saal. OP-Roboter, wie der Da Vinci Roboter der US-Firma Intuitive Surgical oder das Stryker System des gleichnamigen US-Unternehmens haben sich längst am Markt etabliert. Insgesamt lag der Umsatz mit OP-Robotern im Bereich Chirurgie im Jahr 2020 bei 3,4 Milliarden Euro, ein Anstieg um elf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dies zeigen Zahlen des internationalen Verbands der Robotik-Industrie und der Robotik-Forschungsinstitute (IFR). Etwa 75 Prozent der Anbieter von Medizinroboter stammen aus Nordamerika und Europa.

Der technische Fortschritt und der vermehrte Einsatz der Roboter ändern langfristig die Rolle der Chirurgen. „Sie werden in vielen Fällen mehr in die Planung und Überwachung einer OP eingebunden sein – weniger in die Ausführung“, sagt Krieger. „Aber die medizinische Entscheidung werden sie weiterhin treffen.“ Ähnlich sieht es Mathis-Ullrich: „Die benötigten medizinischen Kenntnisse bleiben die gleichen, aber Chirurgen müssen lernen, mit neuen Instrumenten wie Robotern umzugehen.“

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