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03.02.2021

18:18

Covid-19

Bund und erste Länder unterstützen digitale Patientenüberwachung

Der Bund fördert ein System, mit dem Ärzte Vitaldaten und Symptome von Covid-19-Erkrankten digital überwachen können. Baden-Württemberg will es flächendeckend ausrollen.

Viele Covid-19-Patienten können analog keinen Kontakt mit dem Behandler aufrechterhalten. Imago

Häusliche Quarantäne (Symbolbild)

Viele Covid-19-Patienten können analog keinen Kontakt mit dem Behandler aufrechterhalten.

Düsseldorf Dreimal täglich prüft Stefan Hagel einen Teil seiner Patienten, die an Covid-19 erkrankt sind und sich in häuslicher Quarantäne befinden, auf Herz und Sauerstoff. Der geschäftsführende Oberarzt am Universitätsklinikum Jena braucht dafür nicht einmal bei den Patienten vor Ort zu sein. Stattdessen erhält er in einer Web-Anwendung Vitalwerte und Symptome, die die Patienten übermitteln, in Echtzeit aufgelistet.

Seit April nutzt die Jenaer Klinik das System und war damit eine der ersten Einrichtungen deutschlandweit. „Bei mindestens drei Patienten, die sich von allein nicht gemeldet haben, konnte ein schwerwiegender Verlauf von Covid-19 verhindert werden, weil das System rechtzeitig gewarnt hat“, berichtet Hagel.

Vielfach würden Covid-19-Patienten daheim ansonsten einfach gar keinen Kontakt mit dem Behandler aufrechterhalten können, weil physische Kontakte nur eingeschränkt möglich und digitale Datenübermittlungen ohne Vorgaben komplex sind.

Entwickelt wurde die Technologie namens „Remote Patient Monitoring“ (RPM) von der Firma Huma aus Großbritannien, wo es schon großflächig eingesetzt wird. In Deutschland hatten es bislang nur die Unikliniken Jena, Greifswald und Heidelberg. „Den größten Nutzen hat das System aber im ambulanten Bereich, dort, wo die meisten der Abertausenden Covid-19-Patienten in häuslicher Quarantäne überwacht werden müssen“, erklärt Oberarzt Hagel. Bei den Niedergelassenen wurde das System bislang nur vereinzelt erprobt.

Nun soll RPM bei niedergelassenen Ärzten etabliert und dafür die Unterstützung von Ärzte-Organisationen hinzugezogen werden, wie aus einer noch unveröffentlichten Mitteilung von Huma hervorgeht, die Handelsblatt Inside vorliegt. Baden-Württemberg ist dabei Vorreiter.

Die dortige Kassenärztliche Vereinigung (KV) hat bereits ihre Mitglieder über die Technologie informiert. Das Land fördert das Projekt voraussichtlich mit 3,8 Millionen Euro. Auch die KV Hessen und die KV Thüringen unterstützen mit Informationen an ihre Mitglieder das Projekt. Gespräche mit weiteren Ländern liefen.

Dank einer Förderung durch das Bundesgesundheitsministerium ist RPM für die Krankenhäuser und Praxen sowie für die Patienten kostenfrei. Wird ein Patient auf das Coronavirus getestet, kann er einwilligen, dass er im positiven Fall bezüglich RPM kontaktiert wird. Entscheidet er sich dann für den Einsatz, bekommt er einen Freischaltcode für die App. Darüber übermittelt er dem Behandler dreimal täglich seine Atemfrequenz, Temperatur und Herzfrequenz und einmal täglich Informationen über seine Symptome.

Außerdem erhält der Patient ein Pulsoximeter, mit dem er am Finger seine Sauerstoffsättigung im Blut messen kann. Diese Angaben tippt er ebenfalls in die App ein. Damit soll eine „stille Hypoxie“ verhindert werden, einem bei Covid-19-Patienten immer wieder auftretenden lebensbedrohlichen, aber symptomlosen Sauerstoffmangel. Die Entwicklung der Sauerstoffsättigung kann darauf Hinweise geben, sodass bei Gefahr der Hypoxie eine Einweisung in ein Krankenhaus erfolgen kann.

Erkenntnisse wie diese können auch der Forschung zum Coronavirus nutzen. Patienten können freiwillig die Daten aus dem System in anonymisierter Form der Forschung zur Verfügung stellen, erklärt Huma-Deutschlandchef Alexander Winterling: „Das kann etwa mit Blick auf Erkenntnisse zu den Langzeitfolgen von Covid-19 extrem hilfreich sein.“

Wunsch nach breitem Einsatz

Die Durchdringungsrate des Systems ist aber ausbaufähig. Die KV Hessen gibt immerhin an, dass es etwas mehr als 1000 Patienten und 130 Arztpraxen nutzen würden. Huma-Manager Winterling berichtet, RPM werde bereits in 14 Bundesländern eingesetzt.

Doch von einer Flächendeckung ist man weit entfernt. „Dabei ist der Effekt umso größer, je mehr das System nutzen“, meint Oberarzt Hagel. Auch Gernot Marx, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin (DGTelemed), sagt: „Ein flächendeckendes Ausrollen einer solchen Technologie bietet ein großes Potenzial.“

Ein Bericht des britischen National Health Services stützt diese Aussage: Demnach könne eine flächendeckende Fernbetreuung durch eine RPM-Lösung die klinische Kapazität fast verdoppeln. Das hänge auch damit zusammen, dass das System die Patienten nicht nur vor gefährlichen Verläufen schütze, berichtet Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha.

Patienten könnten bei positivem Verlauf auch wieder „frühzeitig in den Lebensalltag“ entlassen werden. In der Regel läuft die RPM-Betreuung 14 Tage. Treten danach mindestens 48 Stunden keine Symptome mehr auf, können die Betroffenen ebenfalls auf digitalem Wege „entlassen“ werden.

Die Möglichkeiten für eine größer angelegte Aktion wären da, meint Winterling: Er hält die Technologie trotz der benötigten Hardware für „beliebig skalierbar. Beispiel: Vergangene Woche haben wir an einem Tag mehr als 100 Ärzte angebunden. Die Einrichtung des Systems in der Praxis dauert nur wenige Minuten.“ Doch eine Anfrage, warum man das System nicht bundesweit empfehle und darüber informiere, ließ das Bundesgesundheitsministerium unbeantwortet – ebenso wie Fragen zum Hintergrund der Förderung.

Dabei gibt es laut Winterling einige Ausbaumöglichkeiten: „Eine Integration unseres Systems in die Corona-Warn-App oder neue beziehungsweise existierenden Apps, zum Beispiel für Impfbegleitungen, halte ich absolut für denkbar.“

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