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30.05.2022

07:21

Debatte

Ärztetag stimmt für Opt-Out bei elektronischer Patientenakte

Von: Annette Dönisch

Die deutsche Ärzteschaft stimmte auf ihrer alljährlichen Versammlung, dem Deutschen Ärztetag, dafür, dass jeder Patient ohne sein Zutun eine elektronische Patientenakte erhalten soll.

Die Anwesenden verhandelten auch die elektronische Patientenakte. dpa

Der 126. Deutscher Ärztetag

Die Anwesenden verhandelten auch die elektronische Patientenakte.

Berlin Der 126. Deutsche Ärztetag hat sich für die Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) ausgesprochen. Die ePA solle „eine bedeutsame Rolle in der Patientenversorgung spielen“, heißt es in einem Antrag, den die Hauptversammlung der Bundesärztekammer am Freitag annahm. Die Ärzteschaft stimmte mit dem Antrag auch für ein sogenanntes Opt-Out-Verfahren.

Beim Opt-Out erhält jeder Patient ohne Zutun eine elektronische Patientenakte von seiner Krankenkasse – es sei denn, er oder sie widerspricht. Gesetzlich Versicherte können die ePA bereits seit eineinhalb Jahren von ihren Krankenkassen erhalten, wenn sie diese beantragen. Bisher verfügen allerdings nur rund 480.000 der 73 Millionen gesetzlich Versicherten über eine ePA.

Der Co-Vorsitzende des BÄK-Digitalisierungsausschusses, Erik Bodendieck, sagte zu Beginn der Debatte: „Wir haben in den letzten zwanzig Jahren auf Freiwilligkeit gebaut.“ Die ePA wurde bereits 2003 von der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) angekündigt. Die Freiwilligkeit habe aber, so Bodendieck, nur zu wenigen angelegten ePA geführt.

Redezeit wurde begrenzt

Die erste Rednerin kritisierte in der anschließenden Debatte das Opt-Out heftig. Der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt betonte danach: „Dieses Thema ist ein Reizthema.“ Die Debatte drohte auszuufern, weshalb ein Antrag gestellt und angenommen wurde, der die Redezeit auf drei Minuten pro Redner beschränkte.

Ein Redner aus Berlin warnte vor den Risiken einer ePA für junge Menschen. Viele Jugendliche hätten in der Corona-Pandemie die Diagnose einer Angst- oder Zwangsstörung gestellt bekommen. Es wäre für diese Menschen ein Risiko, wenn sie als Kinder ohne ihre Zustimmung eine ePA erhalten hätten, in der ihre Gesundheitsdaten in einer Cloud gespeichert würden. Weitere Redner unterschiedlicher Landesärztekammern vertraten die Meinung, ein Opt-Out sei für Patienten überfordernd und verletze ihre Selbstbestimmung.

„Überzogene Datenschutzdebatte“

Günther Matheis, Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer, sprach sich für die Opt-Out-Lösung aus. Wenn Daten nicht für Forschungszwecke genutzt werden könnten, würde man unter Umständen in zehn Jahren feststellen, dass der Datenschutz die häufigste Todesursache in Deutschland sei. Ein Vertreter der Landesärztekammer Sachsen mahnte: „Wir bremsen uns durch eine überzogene Datenschutzdebatte aus.“

Die Debatte gipfelte in einem außerplanmäßigen Austausch zwischen einem Vertreter der Landesärztekammer Niedersachsen und dem BÄK-Präsidenten Reinhardt. Der Redner hatte bezweifelt, dass die Opt-Out-Lösung im Einklang mit dem gültigen Recht stehe. Er forderte, über den Antrag des Vorstandes nicht abzustimmen. Reinhardt erwiderte, dass die Anträge des Vorstandes von der Rechtsabteilung der Bundesärztekammer geprüft würden. Er weise die Feststellung zurück, dass Anträge gestellt würden, die rechtlich nicht haltbar wären.

„Einfach mal loslegen“

Peter Bobbert, BÄK-Vorstandsmitglied und Co-Vorsitzender des Digitalisierungsausschusses, sagte in seinem Schlusswort, Digitalisierung könne nur mit dem Mut gelingen, „dass es auch einmal daneben geht“. Man müsse „einfach mal loslegen“ und mutig sein, die Anwendungen zu verbessern. „Bei der ePA, sind wir uns alle einig, die nützt uns“, schloss er.

Der vom Vorstand vorgelegte Antrag beinhaltete neben dem Opt-Out weitere Forderungen. Ärzte sollen demnach vollen Zugriff auf die Akte eines Patienten erhalten, außer der Patient widerspricht. Auch sollen die Daten eines Patienten für Forschungszwecke zur Verfügung stehen, wenn er oder sie die Datenweitergabe nicht einschränkt.

Die Ärzteschaft nahm den Antrag an. Die Abgeordneten stimmte darüber hinaus mit knapper Mehrheit für einen Antrag, ein Opt-Out-Verfahren durch die Bundesärztekammer rechtlich überprüfen zu lassen.

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