MenüZurück
Wird geladen.

09.06.2021

17:53

Digital Radar

Kliniken sollen ab Juli ihren Digitalisierungsgrad messen

Von: Lukas Hoffmann

Mit drei Milliarden Euro fördert der Bund die Digitalisierung in den Kliniken. Die Messung soll im Juli starten.

Nur wenige Kliniken in Deutschland sind hochdigitalisiert. imago images / GlobalImagens

Digitales Krankenhaus

Nur wenige Kliniken in Deutschland sind hochdigitalisiert.

Gespannt loggten sich Klinikverantwortliche am 9. Juni in ein Online-Seminar des Health Innovation Hub (HIH) ein. Der HIH ist die digitale Denkfabrik des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Ein Interview mit dem Gewinner-Konsortium für das Reifegradmessmodell war angekündigt. Aber die Besucher des Seminars wurden enttäuscht. Moderator und HIH-Krankenhausexperte Ecky Oesterhoff erklärte zu Beginn der Veranstaltung, dass das Interview verschoben wird.

Die Kommunikation seitens des BMG rund um das Messmodell zur Digitalisierungsreife in Kliniken läuft schleppend. Im Dezember des vergangenen Jahres hatte das BMG den Auftrag zur Entwicklung eines Messmodells mit einem Volumen von 5,5 Millionen Euro ausgeschrieben. Ursprünglich sollte der Gewinner Ende Februar bekannt gegeben werden, die offizielle Bestätigung per Mail ging bei Handelsblatt Inside aber erst am 1. Juni ein.

Konsortium „Digital Radar" misst Digitalisierungsgrad

Bereits Anfang Mai hatte Handelsblatt Inside aus informierten Kreisen erfahren, dass der deutsche Ableger der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation Healthcare Information and Management Systems Society (HIMSS) zusammen mit Partnern ein Modell zur Messung der Digitalisierung in Kliniken herausgeben wird. Wie das Modell konkret aussieht, hat das BMG aber noch immer nicht verraten.

Dabei ist die Messung des Digitalisierungsgrades ihres Hauses für viele Klinikchefs ein wichtiges Thema. Deutschlands Kliniken sind im europäischen Vergleich wenig digitalisiert. Drei Milliarden Euro für die Krankenhausdigitalisierung werden vom Bund im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) zur Verfügung gestellt. Die Finanzierungsanträge mussten in manchen Bundesländern schon bis Ende Mai gestellt werden. Woher sollen IT-Leiter wissen, welche Technik angeschafft werden muss, wenn die digitale Reife des Hauses noch nicht gemessen wurde?

Grafik

Immerhin hat das BMG Handelsblatt Inside nun einige Fragen zu den Rahmenbedingungen der Messung beantwortet. Die schlechte Nachricht für IT-Abteilungen: Die erste Messung soll zwischen dem 30. Juni und dem 30. September 2021 erfolgen. Kliniker hatten sich gefragt, ob die Frist verschoben wird, weil noch keine Details zum Messmodell bekannt sind. „Die Reifegradmessung soll wie geplant Mitte 2021 beginnen“, antwortet das BMG nun.

Die gute Nachricht für IT-Abteilungen: Es wird keine externe Bewertung geben. Es werden also nicht IT-Leiter und Geschäftsführer anderer Kliniken im Haus herumgeführt, die eine Bewertung vornehmen. Stattdessen erfolge die Messung „auf Basis einer Selbsteinschätzung“, heißt es aus dem BMG. Das dürfte in den Kliniken wohl ein geringerer Organisationsaufwand sein.

Peter Gocke, Leiter der Digitalen Stabstelle der Charité, befürwortet die Messung via Selbsteinschätzung. Diese wäre bei einem bei HIMSS sehr populären Messmodell namens Emram (Electronic Medical Record Adoption Modell) bereits langjährig erprobt: „Innerhalb des achtstufigen Emram-Modells sind die Einstufungen bis zum Emram-Level 5 immer schon über strukturierte Selbsteinschätzungen vorgenommen worden. Das hat sehr gut funktioniert. Erst für die Emram-Level 6 und 7 findet eine externe Auditierung statt“, sagte Gocke. Inwiefern Elemente des Emram-Modells in das jetzt neue Modell übertragen werden, ist allerdings noch unklar.

Grafik

Klar ist, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Abschlagszahlungen nicht an das Messmodell gebunden sind. Wenn Kliniken bestimmte digitale Werkzeuge, zum Beispiel ein digitales Aufnahmemanagement für Patienten, nicht bis zum Jahr 2025 einführen (Fördertatbestand 2–6), drohen Strafzahlungen. Diese würden aber vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) umgesetzt. „Es besteht keine Verbindung zwischen dem Digital Radar und den potenziellen Abschlagszahlungen im Jahr 2025“, heißt es seitens des BMG.

Wie die Messung für die Abschläge erfolgt, ist noch offen. „GKV-Spitzenverband und DKG haben sich noch nicht darauf geeinigt, wie sie die Abschläge erheben“, sagt Sebastian Zilch, Geschäftsführer des Bundesverbands Gesundheits-IT (Bvitg). Zusammen mit Partnern war der Bvitg ebenfalls mit einem Reifegradmodell ins Rennen gegangen, hatte vom BMG Anfang Mai aber eine Absage erhalten.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass laut Krankenhausentgeltgesetz Abschläge nicht nur bei fehlender Technik, sondern auch bei mangelhafter Nutzung drohen. „Es genügt nicht, einen digitalen Dienst eingerichtet zu haben, es muss – wenn man den Gesetzestext liest – auch die Nutzung nachgewiesen werden“, sagt Gocke.
Die wichtigste Frage ließ das BMG bis Redaktionsschluss unbeantwortet: Ab wann können Kliniken das neue Messmodell nutzen? In Kürze wolle das HIH dem Thema eine eigene Veranstaltung widmen, kündigte Oesterhoff an.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×