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03.07.2021

20:22

Digitalapotheke

Doc Morris will nur noch auf Plattform setzen

Von: Julian Olk

Die Versandapotheke hofft auf Gewinne durch das E-Rezept. Eine Onlineplattform soll künftig alle Dienste und Funktionen vereinen.

Mit Einführung des E-Rezepts in Deutschland erwartet das Unternehmen eine Ausweitung seines Geschäfts. dpa

Doc Morris

Mit Einführung des E-Rezepts in Deutschland erwartet das Unternehmen eine Ausweitung seines Geschäfts.

Berlin Walter Hess ist sich sicher: Der Plattform gehört die Zukunft. Doc Morris will seine Kunden künftig nur noch über diesen Weg gewinnen. „Dem Kunden ist heutzutage egal, von wem das Angebot kommt – Hauptsache, es ist einfach und flexibel“, sagt der CEO im Gespräch mit Handelsblatt Inside.

Das Geschäft von Doc Morris ist bislang der Versand von Arzneimitteln. Doch die Apothekenbranche befindet sich im Wandel. In Zeiten, in denen Amazon andere Bereiche des Handels beherrscht, wollen Kunden Medikamente und andere medizinische Produkte mit wenigen Klicks auf einer Webseite bestellen. Diverse Marktteilnehmer haben sich auf den Weg gemacht, Onlineplattformen nach dem Vorbild von Amazon aufzubauen.

Der Marktführer im Pharma-Versandhandel erprobt das seit dem Jahreswechsel. Per App und Internetseite ist Doc Morris Plus erreichbar und bietet einen Marktplatz für kooperierende Versand- und Vor-Ort-Apotheken. Daneben existiert bislang noch die Doc-Morris-Apotheke, worüber das Versandhandelsgeschäft per Webseite und App abgewickelt wird.

Doch in diesem Jahr soll damit Schluss sein. Dann soll die Plattform zum Kerngeschäft werden und alle Dienste, zum Beispiel Videosprechstunden, direkt darüber erreichbar sein. Das soll sich auch im Namen widerspiegeln: Die geplante Plattform wird einfach ‚Doc Morris‘ heißen.

Für die Zwischenzeit verpasst Hess dem Marktplatz-Portal einen neuen Namen: aus Doc Morris Plus wird Doc Morris Express. Während der Versand von Arzneimitteln bequemer ist, weil er kontaktlos abläuft, dauert die Zustellung mindestens einen Tag.

Die Plattform bietet dank der Partner-Apotheken die Express-Möglichkeit, das Medikament am gleichen Tag zu erhalten – entweder in der Offizin oder per Botendienst.

Versandhandel-Marktanteil verzehnfachen

Hess möchte so viele Apotheken als Partner gewinnen, dass 70 Prozent der Bevölkerung auch die „Express“-Version nutzen können. Knapp über 1000 Offizinen brauche es dafür, in zwei Jahren will Doc Morris das erreicht haben. Bislang allerdings steht die niederländische Digitalapotheke bloß bei 35.

Die Konkurrenz von gesund.de hatte zum Start vor wenigen Wochen bereits 4000. Doch Hess macht klar: „Anders als gesund.de verfolgen wir nicht das Ziel, möglichst viele Apotheken auf unsere Plattform zu bringen – sondern die mit möglichst guten Angeboten und Services.“ 60 weitere Apotheken würden bald Teil der Plattform, bis Ende des Jahres plant Hess mit 200.

Tradierte Apothekenvertreter sorgen sich um die übrigen 30 Prozent der Bevölkerung, die über die Plattform nur den Versandhandel nutzen können: Wenn dieser den stationären Apotheken einen signifikanten Anteil der Kunden wegnähme, könnten sie nicht überleben. Die Apotheken würden schließen und Notfallpatienten müssten bis zum nächsten Tag auf ihre Medikamente warten.

Hess wehrt diese Sorge ab: „So eine Marktmacht werden wir nicht bekommen.“ Wenn Apotheken schlössen, läge das nicht an Doc Morris.

Auch an Gerüchten über eine Übernahme der Nummer zwei im Versandhandel, Shop Apotheke, sei nichts Wahres dran – genauso wenig wie an einer Kooperation mit Amazon, die selbst einen Einstieg in das europäische Arzneimittelgeschäft vorbereiten.

Die flächendeckende Versorgung sehen Kritiker vor allem durch das elektronischen Rezept (E-Rezept) gefährdet. Vergangene Woche ist die Testphase gestartet, ab 2022 setzt die bundesweite Pflicht ein. Das E-Rezept dürfte den Versandhandel beflügeln. Kunden können ihr Rezept dann direkt in einer App an die Versandapotheke schicken.

Der Marktanteil der Versender mit verschreibungspflichtigen Arzneien liegt bei etwas mehr als einem Prozent. Hess rechnet in den nächsten drei bis fünf Jahren mit einer Steigerung auf zehn Prozent.

Gematik-Monopol könnte sich erübrigen

Ob das gelingt, hängt auch von einer Verordnung aus dem Bundesgesundheitsministerium ab. In dieser will das Ressort von Jens Spahn (CDU) bestimmen, über welche Wege das E-Rezept eingelöst werden kann.

Bislang gibt es zwei Optionen: Der Patient erhält einen Barcode, den er beispielsweise bei Doc Morris einscannt. Will er das Rezept aber medienbruchfrei einlösen, muss er dafür die App der Gematik nutzen.

In Kürze erwartet Hess den Entwurf der „Schnittstellen-Verordnung“ und ist sich sicher, dass es neben der Gematik-App weitere Angebote geben wird: „Der Gesetzgeber wird den Wunsch der Kunden nach flexiblen Lösungen berücksichtigen. Es kann nicht alles durch einen staatlichen Trichter gehen“, sagt Hess.

Das Ministerium könnte das Monopol allerdings nicht für die Apotheken aufbrechen. Spahn hatte die gesetzlichen Krankenkassen zuletzt angewiesen, digitale Anmeldeverfahren für E-Rezept-Apps zu entwickeln. Nutzer der Gematik-App müssen sich bislang umständlich mit ihrer Gesundheitskarte anmelden.

Hess glaubt nicht, dass neben der Gematik ausschließlich die Kassen E-Rezepte anbieten werden: „Es geht um Medikation, und das ist etwas für Apotheken.“

Der Doc-Morris-Chef erwartet so oder so, dass die Effekte durch das E-Rezept das Rabattverbot für Versandhändler kompensiert. Apotheken mit Sitz im Ausland wie Doc Morris waren bis zum vergangenen Jahr nicht an Preise bei verschreibungspflichtigen Medikamenten gebunden.

Gesundheitsminister Spahn änderte das Gesetz trotz eines gegenteiligen Gerichtsurteils auf EU-Ebene. Hess nennt das Vorgehen „befremdlich“, will aber keine direkten rechtlichen Schritte dagegen einleiten. Der nächsten Bundesregierung schlägt er dafür vor, nur Preise festzulegen, die nicht überschritten werden dürfen.

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