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11.12.2022

09:37

Diskussionspapier

Krankenhausreform würde Telemedizin stärken

Von: Lukas Hoffmann

Das von Karl Lauterbach (SPD) vorgelegte Konzeptpapier einer Krankenhausreform sieht Strukturveränderungen in Krankenhäusern vor. Telekonsile sollen die Regel werden.

In einem Konzeptpapier hat das Bundesgesundheitsministerium eine Reform der Krankenhausvergütung vorgelegt. IMAGO/Chris Emil Janßen

Gesundheitsminister Karl Lauterbach

In einem Konzeptpapier hat das Bundesgesundheitsministerium eine Reform der Krankenhausvergütung vorgelegt.

Köln Eine ärztliche Zweitmeinung kann Leben retten. Gerade wenn unerfahrene Kollegen Patienten mit komplexen Erkrankungen behandeln, ist der Rat eines erfahrenen Arztes hilfreich. In diesem Zusammenhang könnte die Telemedizin in Krankenhäusern in den nächsten Jahren entscheidend gestärkt werden.  

Denn in der sogenannten „grundlegenden Reform der Krankenhausversorgung“, die eine von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zusammengerufene Regierungskommission vorgelegt hat, soll die Telemedizin zur „zwingend notwendigen Strukturvoraussetzung“ für fast alle Krankenhäuser werden. Telemediziner jubeln – aber ob es wirklich so kommt, wie im Arbeitspapier vorgeschlagen, ist vollkommen offen.  

Im Kern geht es in dem Papier um ein verändertes Vergütungssystem. Das derzeit gültige DRG-Fallpauschalensystem, das eine Bezahlung pro Patient vorsieht, soll abgeschwächt werden. Nicht mehr der ökonomische Zwang, sondern die medizinische Notwendigkeit solle künftig in den Kliniken über eine Behandlung entscheiden, begründete Lauterbach seine begonnene „Revolution“ der Krankenhausfinanzierung. Mit der Umstellung der Finanzierung soll auch die Vernetzung der Krankenhäuser untereinander via Telemedizin vorangetrieben werden.  

Telemedizin-Pionier spricht ebenfalls von „Revolution“ 

Auf die Vorgaben im Arbeitspapier bezüglich Telemedizin angesprochen, nimmt Gernot Marx, Direktor an der Klinik für Intensivmedizin der Uniklinik Aachen, ebenfalls das große Wort „Revolution“ in den Mund. „Wenn die Empfehlungen umgesetzt werden, würde dies bedeuten, dass die Telemedizin in die regelhafte Versorgung der Patienten im Krankenhaus eingebettet wird“, sagt er. „Vor allem für Patienten auf der Intensivstation konnten wir in Europas größter Telemedizinstudie in diesem Jahr beweisen, dass die Behandlungsqualität durch die Telekonsile deutlich steigt.”  

Entsprechend scheue er sich nicht, von einer ,Revolution’ zu sprechen.“ Ein flächendeckendes Netzwerk mit einigen telemedizinischen Zentren könnte aufgebaut werden, in denen hochqualifizierte Ärzte bundesweit Kliniken 24 Stunden am Tag und an sieben Tage in der Woche beraten.   

Marx ist einer der Pioniere der klinischen Telemedizin in Deutschland. Er war Leiter des Projekts „TELnet@NRW“, das 17 Krankenhäuser und rund 100 niedergelassene Ärzte telemedizinisch mit Experten der Unikliniken Aachen und Münster verbunden hat. Zu Beginn der Coronakrise ist TELnet@NRW in die Initiative des NRW-Gesundheitsministeriums „Virtuelles Krankenhaus Nordrhein-Westfalen“ mit 140 angeschlossenen Krankenhäusern übertragen worden.  

Die Telekonsile, also der digitale Austausch zwischen Ärzten, hätten zu einer geringeren Sterblichkeit der intensivpflichtigen Patienten geführt, sagt Marx. Im bundesweiten Durchschnitt sterbe jeder zweite beamtete Covid-19-Patient auf der Intensivstation, im Virtuellen Krankenhaus NRW seien es rund 30 Prozent der Patienten gewesen.  

Umsetzbar scheint der bundesweite Rollout der Televisite zu sein. „Aus technischer Sicht sollte die Umsetzung von Telekonsilen in den Krankenhäusern keine wesentlichen Probleme bereiten“, schreibt Markus Holzbrecher-Morys, Leiter des Dezernats für IT, Datenaustauch und E-Health der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) auf Anfrage von Handelsblatt Inside. Die Finanzierung sei aber noch vollkommen unklar.  

Länder, Träger und Kassen teilen sich die Kosten  

Die Länder und die Krankenkassen teilen sich die Finanzierung der Kliniken. Die Betriebskosten der Krankenhäuser, also alle Kosten, die für die Behandlung von Patienten entstehen, werden von den Krankenkassen finanziert. Die Investitionskosten, wie etwa den Bau eines neuen Gebäudes oder die Einführung neuer Technik, zahlt der Träger, die Kommune oder das Land – je nach Art der Klinik.   

Um die notwendige Hardware in die Kliniken zu bringen, müssten sich die Träger beziehungsweise Länder dazu bereit erklären, die Kosten zu übernehmen. Die Kassen wiederum müssten zustimmen, die Vergütung der Betriebsausgaben zu tragen. Die Finanzierung der Telekonsile wird im Papier aber nicht thematisiert.  

Einige Länder äußerten sich bereits grundsätzlich zu dem Reformpapier. Während aus Nordrhein-Westfalen und Bayern erste Kritik an dem Entwurf geübt wurde, begrüßten Zuständige aus Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt die Vorschläge der Regierungskommission.  

Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin beim Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), sieht großes Potenzial in den ausgearbeiteten Vorschlägen. „Was wir aber vermissen, ist eine klare Aussage zur Finanzierungsverantwortung“, schreibt sie in einer Pressemitteilung. Auch die Private Krankenversicherung müsse bei einer Umstrukturierung der Kosten angemessen beteiligt werden.  

Derzeit werden Telekonsile in Kliniken noch nicht regelhaft von den Krankenkassen bezahlt. Das Virtuelle Krankenhaus Nordrhein-Westfalen befindet sich aktuell im Pilotbetrieb, die Finanzierung läuft über das Land Nordrhein-Westfalen. Telekonsile in anderen Krankenhäusern werden über Gelder aus dem Krankenhauszukunftsfonds bezahlt. Rund 4,3 Milliarden Euro stellen Bund und Länder im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) seit diesem Jahr für Digitalisierungsprojekte in Krankenhäusern bereit.  

Start-up sieht Kapazitätsengpässe 

Das Hamburger Start-up TCC (Telehealth Competence Center) unterstützt Intensivmediziner von Krankenhäusern per Telemedizin. Rund um die Uhr steht das Ärzteteam von TCC bei medizinischen Fragen bereit. Die Daten aus den Intensivgeräten der Kliniken werden über eine gesicherte Internetverbindung an Büros in Berlin oder Hamburg übertragen. Neben dem Klinikum Schongau sind vier weitere Krankenhäuser Kunden von TCC.  

Die TCC-Betreuung der Kliniken wird teilweise mit Geldern des KHZG gezahlt. Eine erste KHZG-Rechnung an ein Krankenhaus habe man vor Kurzem stellen können, berichtet TCC-Gründer David Barg. Auf den Entwurf angesprochen, begrüßt Mitgründer Christian Storm, dass die Telemedizin mit dem Reformpapier einen neuen Stellenwert bekommt. Allerdings fehlen ihm im Entwurf Telemedizin-Drittanbieter wie TCC. „In großen Kliniken, die kleinere Kliniken beraten sollen, sind die Fachärzte schon jetzt überlastet“, sagt Storm. „Ein Telemediziner sollte ausschließlich telemedizinisch behandeln, nicht zusätzlich zu seiner stationären Routine.“  

Noch ist die „Reform“ nicht mehr als ein 49-seitiges Arbeitspapier, das voraussichtlich noch angepasst wird. Ein Datum für die erste größere Diskussion steht bereits. Am 5. Januar will Lauterbach mit den Ländern und Vertretern der Ampelfraktion über den Entwurf sprechen.  

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