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19.03.2023

23:57

DSAG-Umfrage

Kliniken schlecht auf SAP-Rückzug vorbereitet

Von: Britta Rybicki

Zahlreiche Krankenhäuser nutzen die SAP-Abrechnungssoftware IS-H. Da sich SAP aus dem Krankenhaussektor zurückzieht, müssen Klinken zeitnah alternative Softwareprogrammme finden.

Die neue SAP-Strategie kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt, da viele Krankenhäuser aktuell mit Veränderungen im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes beschäftigt sind. Imago/Westend61

SAP-Rückzug

Die neue SAP-Strategie kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt, da viele Krankenhäuser aktuell mit Veränderungen im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes beschäftigt sind.

Düsseldorf Viele Krankenhäuser wird die neue SAP-Strategie hart treffen. Das Softwareunternehmen hatte im Oktober 2022 angekündigt, eine Krankenhaussoftware einzustellen. Kliniken müssen nun einen geeigneten Zweitanbieter finden oder ihr System austauschen.

Die SAP-Software scheint weit verbreitet zu sein, wie eine Umfrage der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG), einer unabhängigen Interessengruppe, zeigt. 55 Mitglieder aus dem Arbeitskreis Healthcare haben an der Umfrage teilgenommen, sie kommen auf insgesamt 133.224 Betten. Mehr als die Hälfte arbeiten in einer Einrichtung, die die Krankenhaussoftware IS-H für Abrechnungen und für die Organisation ihrer Warenwirtschaft einsetzt. Bei 80 Prozent werden über das System weitere Aufgaben wie externe Rechnungen und Dokumentation bearbeitet.

Ebenfalls mehr als die Hälfte setzt auf i.s.h. med, ein Krankenhausinformationssystem (KIS) des US-Unternehmens Oracle Cerner. Seine Besonderheit: Es dockt an die SAP-Software an, über die viele wichtige Module erst funktionieren. Mögliche Alternativen wurden vom Oracle Cerner noch nicht veröffentlicht. Auf eine Anfrage von Handelsblatt Inside antwortete das Unternehmen bis zum Redaktionsschluss nicht. Für diese Häuser sei die Lage „fatal“, fasst Michael Pfeil zusammen, DSAG-Arbeitskreissprecher Healthcare.

Wie dringend es ist, scheint noch nicht allen Befragten klar zu sein. Lediglich ein Viertel nimmt die SAP-Ankündigung zum Anlass, um über die Ablösung des KIS nachzudenken. „Die Hälfte der Umfrageteilnehmer hat allerdings noch gar keine Ablöse-Pläne“, sagte Hermann-Josef Haag, DSAG-Fachvorstand Personalwesen & Public Sector. 13 Prozent haben ihr KIS bereits ausgetauscht.

Viel Druck durch KHZG

Die neue SAP-Strategie kommt zum wohl denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. „Viele Krankenhäuser sind aktuell mit Veränderungen im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes beschäftigt, eine Softwareumstellung ist eine zusätzliche Belastung”, sagt Haag. „Über das KHZG geförderte Digitalisierungsprojekte müssten im schlimmsten Fall gestoppt werden”, ergänzt er.

Seine Bedenken scheinen berechtigt: Nur neun Prozent der Befragten halten es für realistisch, eine IS-H-Nachfolgelösung bis zum Wartungsende 2027 zu implementieren, 42 Prozent sehen dafür bessere Chancen bis 2030.

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) befürchtet Fehlinvestitionen von Krankenhäusern. Für Druck sorgen Abschlagszahlungen, die ab dem 1. Januar 2025 fällig werden, wenn Einrichtungen die im KHZG geforderten Dienste nicht umgesetzt haben. Häuser könnten so gezwungen sein, diese Dienste erst auf Basis von IS-H zu entwickeln. „Das kann nicht im Sinne des KHZG gewesen sein”, so die DKG.

Vier Prozent nutzen S/4 HANA

Auch die neue Produktwelt von SAP namens S/4 HANA kommt nur langsam in Kliniken an. Vier Prozent gaben an, S/4 HANA im Einsatz zu haben, fünf Prozent befinden sich im Implementierungsprozess. Viele zeigen sich immerhin offen: 47 Prozent wollen S/4 HANA perspektivisch einsetzen. 42 Prozent wissen es allerdings noch nicht.

Mit Blick auf S/4 HANA wurden Umfrageteilnehmer auch über ihre grundsätzliche Haltung zu Cloud-Lösungen befragt. Das ist entscheidend, da mittels einer FHIR-Schnittstelle über eine Cloud weitere KIS mit dem Kernsystem S/4 HANA verbunden werden können sollen. Dies soll in der Business Technology Platform (BTP) von SAP möglich sein.

SAP-Plattform unpopulär

Aus der Umfrage ergeben sich hierzu zwei Probleme: Einerseits lehnen knapp drei Viertel der Befragten eine Cloud-Lösung für die Speicherung von Gesundheitsdaten generell ab. Andererseits nutzen bisher nur zehn Prozent BTP.

Die DSAG behauptet zudem, dass SAP die FIHR-Schnittstelle nur „propagiere“. SAP teilt dazu auf Anfrage mit, dass der auf dem Standard FHIR beruhende Erweiterungsservice auf BTP ab November 2023 verfügbar sei.

Haag erklärt die allgemeine Skepsis gegenüber Public Clouds mit Datenschutzbedenken: „Der Datenschutz lässt nicht ohne Weiteres zu, dass Gesundheitsinformationen in so einer Cloud gespeichert werden.“ Auf Abrechnungen seien schließlich sensible Informationen wie der Name und eine Diagnose zu finden. „Anbieter müssen sicherstellen, dass die Daten zum Beispiel verschlüsselt auf deutschen Servern liegen“, ergänzt er. Das ist der DSAG zufolge bei BTP noch unklar.

Mehr Zeit und länger kostenfreie Updates für IS-H-Kunden sind aus DSAG-Sicht vernünftig. Denn ab 2027 müssen IS-H-Kunden für wichtige Updates bezahlen, ab 2030 gibt es keine Software mehr.

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