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21.07.2021

17:08

Fernbehandlung

Videosprechstunde spielt trotz Boom eine geringe Rolle

Von: Annette Dönisch

Die Videosprechstunde erhielt durch die Corona-Pandemie einen kräftigen Schub. Im Vergleich zu Praxis-Sprechstunden ist sie aber noch immer eine Randerscheinung.

Die Zahl der Videosprechstunden nahm während der Corona-Pandemie deutlich zu. IMAGO / photothek

Gespräch am Bildschirm

Die Zahl der Videosprechstunden nahm während der Corona-Pandemie deutlich zu.

Die Verbreitung ist auf den ersten Blick gewaltig: Von Oktober bis Dezember 2019 wurden noch rund 1600 Videosprechstunden von Ärzten und Psychotherapeuten abgerechnet, ein Jahr darauf lag die Zahl im gleichen Zeitraum bei rund 800.000. Die Corona-Pandemie hat der Fernbehandlung einen kräftigen Schub gegeben.

Die Nutzung von Videosprechstunden ist aber im Vergleich zu Gesprächen in den Praxen noch immer gering. Den 1,2 Millionen Videosprechstunden im zweiten Quartal 2020 standen zum Beispiel rund 180 Millionen persönliche Arzt-Patienten-Kontakte gegenüber, erklärt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV).

Die Zahl der persönlichen Gespräche in Praxen war damit trotz Lockdown 150-mal höher. Daten für dieses Jahr werden erst im Herbst veröffentlicht.

Die KBV sieht die Videosprechstunde als Ergänzung zum Praxisgespräch, nicht als Ersatz. Die Anwendungsmöglichkeiten werden zurzeit aber ausgebaut. Ärzte können seit Beginn dieses Monats Sprechstunden abrechnen, bei denen sich Patienten eine ärztliche Zweitmeinung per Video einholen.

Im Zuge der Pandemie wurde auch die Krankschreibung nach einem Telefonat oder einer Videokonsultation möglich. Die Regelung für Patienten mit leichten Atemwegserkrankungen ist bisher bis Ende September befristet. Der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss will in den kommenden Monaten eine dauerhafte Regelung für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen einer Fernbehandlung finden.

Die Krankenkassen treiben die digitalen Arztgespräche ebenso voran. Die Barmer-Ersatzkasse hat zu Beginn des Monats die Videosprechstunde in ihrer Teledoktor-App eingeführt. „Gerade bei leichteren Beschwerden müssen die Patientinnen und Patienten dann nicht zwangsläufig in die Praxis kommen“, teilt die Krankenkasse mit.

Der Fokus liege auf Erkrankungen wie Husten, Schnupfen oder Halsschmerzen mit mäßigem Fieber. Auch die AOK Bayern führte vor Kurzem die Videosprechstunde in ihrer „meine AOK“-App und auf ihrem Onlineportal ein.

Psychotherapeuten nutzen Videosprechstunde überwiegend

Insbesondere die Psychotherapeuten greifen seit Beginn der Corona-Pandemie auf Videosprechstunden zurück. Auf sie entfielen im zweiten Quartal 2020 drei Viertel der abgerechneten Videosprechstunden.

Unter den Psychotherapeuten selbst nutzten im ersten Lockdown drei von vier Therapeuten die digitale Konsultation, wie aus einer Befragung der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung (DPtV) hervorgeht. Aber auch unter den Psychotherapeuten sieht die überwiegende Mehrheit die Videosprechstunde nur als Ergänzung. Vier von fünf Therapeuten bevorzugen das persönliche Gespräch.

Die DPtV bemängelt, dass psychotherapeutische Akutbehandlungen bisher nicht per Video stattfinden dürfen. Diese Form der Behandlung für Patienten in Krisensituationen muss nicht erst bei den Krankenkassen beantragt, sondern lediglich angezeigt werden.

Der Gesetzgeber hat die KBV und den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen bereits beauftragt, eine Regelung für die psychotherapeutische Akutbehandlung per Video zu finden. Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der DPtV, sagt: „Wir hoffen darauf, dass die Selbstverwaltung das zügig umsetzt.“

Die Videosprechstunde scheitert mitunter auch an der Internetverbindung. „In einigen Regionen sind die Datenkapazitäten nicht ausreichend“, kritisiert Hentschel.

Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) bedauert das ebenso. „In entlegenen Gegenden können Patienten die Videosprechstunde nicht wahrnehmen, weil ihnen eine gute Internetverbindung fehlt“, sagt Marcel Weigand, Digitalbeauftragter der UPD. „Das ist besonders dramatisch, da dort in der Regel auch Haus- und Fachärzte fehlen“, erklärt er.

Ein weiterer Grund, warum die Videosprechstunde noch eine untergeordnete Rolle spielt, ist laut Weigand die geringe digitale Gesundheitskompetenz der Patienten. Eine Studie der Universität Bielefeld im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums bestätigt das. Drei von vier Bundesbürgern haben demnach eine geringe digitale Gesundheitskompetenz. Sie nutzen Gesundheitsinformationen in Apps und auf Internetseiten wenig oder gar nicht.

„Die nicht vorhandene Kompetenz ist eine Einschränkung für die Videosprechstunde“, sagt Weigand. Soll die Videosprechstunde eine bedeutende Rolle in der Versorgung spielen, müssen noch Wissenslücken beseitigt werden.

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