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01.06.2023

06:00

Floy

Zweitmeinung für Ärzte, Zusatzcheck für Patienten

Von: Manuel Heckel

Das Start-up Floy setzt auf die Zahlungsbereitschaft der Patienten für den Zusatzcheck – und teilt sich die Einnahmen mit den Radiologen.

Die Floy-Gründer (von links) Benedikt Schneider und Leander Märkisch. PR/Unternehmen

Start-up-Founder

Die Floy-Gründer (von links) Benedikt Schneider und Leander Märkisch.

Köln Ein schneller Blick auf das CT- oder MRT-Bild – und weiter zur nächsten Aufnahme. Das ist Alltag in den etwa 1000 radiologischen Praxen in Deutschland. „Bei einer Untersuchung geht es immer um eine bestimmte Symptomatik, auf die der Radiologe nach seinem angelernten Muster blickt“, sagt Benedikt Schneider, Co-Gründer von Floy. „Aber auch außerhalb dieses radiologischen Fokusses können Abnormalitäten liegen.“

Das Münchener Start-up setzt hier an: Seine Software durchsucht mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) alle Aufnahmen nach verdächtigen Stellen, auch abseits der ursprünglichen Verdachtsdiagnose – und weist den Radiologen darauf hin. Das soll dessen Sicherheit erhöhen, tatsächlich nichts übersehen zu haben. „Der Arzt entscheidet dann, ob er diese Erkenntnis mit in den Befund aufnimmt“, sagt Schneider.

Mit dem Versprechen, den Medizinern eine digitale Zweitmeinung zu liefern, hat es das 2021 gegründete Unternehmen Floy bereits in viele Praxen geschafft: Mehr als 100 Verträge seien bereits unterschrieben, berichtet Schneider, der das Start-up zusammen mit Leander Märkisch aufbaut – bislang ist Floy dabei öffentlich kaum in Erscheinung getreten. Trainiert wird die KI derzeit auf CT-Aufnahmen von Bauch, Brust und Wirbelsäule sowie auf MRT-Aufnahmen der Wirbelsäule. Letztere werden besonders häufig gemacht. Im Laufe des Jahres 2024 sollen auch alle anderen Körperregionen analysiert werden können.

Vermarktung als Zusatzcheck für Patienten

Bei der Vermarktung hat das Team einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen. Die teilnehmenden Praxen bieten ihren Patienten den zusätzlichen Scan als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) an, die sie selbst bezahlen müssen. Das Kalkül: Die meisten Patienten legen sich nur selten in einen Magnetresonanz- oder Computertomographen.

Einige sind dann bereit, Geld für eine genauere Analyse der Bilder auszugeben. „Eine zusätzliche Aussage ist immer wertvoll für die Patienten“, sagt Christian Wiedemeyer, Facharzt für Radiologie und Chief Operating Officer der Praxiskette Evidia, zu der bundesweit etwa 90 Standorte gehören. An einem großen Standort in Bochum hat Evidia die Lösung von Floy in einem Pilotprojekt eingesetzt – und will sie nun auch in einigen ihrer Medizinischen Versorgungszentren nutzen. „Wir haben das Angebot nicht offensiv empfohlen – und trotzdem haben sich viele Patienten dafür entschieden“, sagt Wiedemeyer.

Für die Software des Start-ups gibt es noch keine eigene Gebührenziffer – daher orientiert sich die Vergütung an der nächstpassenden Kategorie. Pro digitale Analyse können derzeit 46,63 Euro abgerechnet werden, die sich die radiologische Praxis und das Start-up teilen. „Finanziell ist es sinnvoll, über die große Anzahl an Patienten zu gehen. So können schnell ein paar Tausend Euro pro Monat und Praxis zusammenkommen“, sagt Floy-Mitgründer Schneider.

Viele KI-Anwendungen in der Radiologie

Gerade in der Radiologie sind viele Start-ups und Tech-Unternehmen mit KI-Produkten unterwegs. Floy setzt auf eine umfassende Erkennung von Abnormalitäten, liefert aber keine spezifischere Diagnose. Vara, eine Ausgründung des Berliner KI-Company-Builders Merantix, konzentriert sich beispielsweise auf datengetriebene Brustkrebserkennung. Smart Reporting aus München mit 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt Befundungssoftware für Radiologen und erwirtschaftet mittlerweile einen mittleren einstelligen Millionenumsatz pro Jahr. Medizintechnikkonzerne wie Philips oder Siemens Healthineers bauen Plattformen, auf denen Dutzende KI-Anwendungen zu finden sind.

Doch nicht alle Anwendungen bewähren sich in der Praxis. „Viele Lösungen sind nicht in der Verfassung, dass sie dem Arzt und dem Patienten tatsächlich helfen“, sagt Evidia-COO-Wiedemeyer, der immer wieder Produkte testet. Die grundsätzliche Bereitschaft der Radiologen, sich von einer KI im Arbeitsalltag helfen zu lassen, steige jedoch: „Viele Mediziner nehmen solche Programme nicht mehr als Eingriff in ihre ärztliche Hoheit wahr.“

Auf den Weg in die Profitabilität

Floy setzt daher auf einen partnerschaftlichen Ansatz mit den Medizinern. „Die KI bietet ein zusätzliches Sicherheitsnetz, das der Patient in Anspruch nehmen kann“, sagt Mitgründer Schneider. Insgesamt 3,4 Millionen Euro haben Investoren bislang in das Start-up investiert. Nach eigenen Angaben peilt das 30-köpfige Team an, gegen Ende dieses Jahres profitabel arbeiten zu können. Dennoch erwägen die Gründer eine zusätzliche Finanzierungsrunde, um das Wachstum zu beschleunigen – auch der internationale Markt ist für das Start-up relevant.

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