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29.08.2022

09:00

Die Gamingbranche entwickelt sich stetig weiter. Gamescom

Gamescom

Die Gamingbranche entwickelt sich stetig weiter.

Köln Auch wenn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nicht zur Eröffnung der weltgrößten Computerspielemesse in Köln erschien, ließ er eine Videobotschaft übermitteln. „Es ist gut, dass die Gamescom nach zweijähriger Pause wieder die Tore öffnet“, sagte er. „Unser Ziel ist es, die Kreativität und Innovationskraft dieser spannenden Zukunftsbranche zu stärken und die Wertschöpfung an unserem attraktiven Games-Standort Deutschland weiter zu erhöhen.“

Gestern ging die Messe zu Ende. Sie war zwar zu einem späteren Zeitpunkt ausverkauft als im Jahr 2019, aber das Interesse an Videospielen ist nicht kleiner geworden. Im Gegenteil: Rund 9,8 Milliarden Euro Umsatz erwirtschafteten Unternehmen mit Computerspielen (Software- und Hardware) im vergangenen Jahr in Deutschland. Im Jahr 2020 lag der Umsatz bei rund 8,3 Milliarden Euro. Während Spieleklassiker wie das Fußballspiel Fifa 2022 oder das Rennspiel Mario Kart 8 Deluxe 2021 hohe Umsätze erzielten, wurden Gesundheitsspiele kaum nachgefragt. Für die Entwicklung fehlt es oftmals schlicht an Kapital.

Mit einem Nagetier gegen Depressionen

Kerstin Schütt war mit ihrem Spiel „Duru“ zum ersten Mal auf der Gamescom. Sie ist Gründerin des Start-ups Twisted Ramble. Neben ihr arbeiten zwei Entwicklerinnen für das Unternehmen. In „Duru“ schlüpft der Spieler in die Rolle eines Nagetiers, das von einem Depressions-Monster gestört wird.

Schütt will auf diese Weise Jugendlichen und ihren Bezugspersonen vermitteln, wie sich Depressionen anfühlen. „Ich habe selbst Depressionen, seit ich ein Teenager bin“, berichtet sie. Leider würden noch viele falsche Vorstellungen über die Erkrankung kursieren.

Schütt entwickelte ihr eigenes Spiel. Lukas Hoffmann

Kerstin Schütt (r.) und Verena Hetsch

Schütt entwickelte ihr eigenes Spiel.

Die 32-Jährige will „Duru“ im November als „Self-Publisher“ auf den Markt bringen. Es ist ein PC-Spiel und soll 19 Euro kosten. Geld für das kleine Unternehmen gab es bislang über verschiedene Förderprogramme und eine Crowdfunding-Kampagne. Einen Investor hat Schütt bislang nicht kontaktiert, weil sie Sorge hat, dann nicht mehr unabhängig entwickeln zu können. Eine Erstattung über eine Krankenkasse komme nicht infrage, Duru sei kein Therapie-Spiel, sondern für Angehörige und Freunde von Betroffenen gedacht.

Memorebox aktiviert Pflegeheimbewohner

Einen großen Erfolg bei der Erstattung durch die Kasse hat das Start-up Retrobrain mit einer Videospielesammlung für Senioren. Im Jahr 2020 hat es die „Memorebox“ auf den Markt gebracht, eine Hardwarebox mit 3D-Kamera. Senioren können mit der Box zum Beispiel Kegeln oder Tanzen. Die Kamera übersetzt ihre Bewegungen ins Spiel. Der therapeutische Nutzen von Memorebox sei inzwischen belegt, berichtet Retrobrain-Geschäftsführer Timm Witte. Das Hamburger Unternehmen arbeitet neben der Barmer mit der AOK und der DAK Gesundheit zusammen.

Rentabel ist das mit Wagniskapital finanzierte Start-up trotzdem noch nicht. Gegenüber Handelsblatt Inside gab der frühere Geschäftsführer Adalbert Pakura im vergangenen Jahr an, dass dieses Jahr zumindest die Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen sein sollen. Pakura ist inzwischen aus dem Unternehmen ausgeschieden. Witte, seit Februar bei Retrobrain, hofft nun, dass im Sommer 2023 die schwarze Null steht. „Die Kassen sind im Präventionsbereich sehr aktiv“, sagt er, aber die Pflegeheimträger müssten mitziehen.

Pflegeheime würden bereits einen reduzierten Betrag für die Memorebox zahlen, schreibt die Barmer auf Anfrage. Denn das Spiel sei inzwischen in die Regelversorgung überführt. Deutschlandweit können sich Pflegeeinrichtungen das Spiel also von den Pflegekassen bezuschussen lassen. Außer mit Retrobrain kooperiert die Barmer mit keinem weiteren Spielehersteller. Die größte deutsche gesetzliche Krankenkasse, die Techniker Krankenkasse (TK) schreibt auf Anfrage, dass im Bereich „Games for Health“ keine Kooperation mit einem Spielehersteller besteht.

Stiftung Universitätsmedizin sammelt Spenden für MRT-Spiel

Maic Masuch leitet die Arbeitsgruppe Entertainment Computing an der Universität Duisburg-Essen und sprach auf dem Gamescom-Kongress über die Möglichkeit, mit Computerspielen die Gesundheit zu verbessern. Er hat ein Virtual-Reality-Spiel (VR-Spiel) entwickelt, dass Kindern die Angst vor einer Untersuchung im Magnetresonanztomographen (MRT) nehmen soll. Kinder setzen dafür einige Zeit vor dem MRT-Termin eine VR-Brille auf und werden Schritt für Schritt an die beengte und von lauten Geräuschen begleitende Untersuchung herangeführt. In einer Stude mit 200 Kindern habe die Anwendung die Angst signifikant senken können, sagt Masuch. In der Vergleichsgruppe musste jedes vierte Kind betäubt oder sogar unter Vollnarkose gesetzt werden.

Ursprünglich sei das Spiel ein vom Land Nordrhein-Westfalen mit vielen Partnern öffentlich gefördertes Projekt gewesen, berichtet der Wissenschaftler. Inzwischen ist die Projektlaufzeit ausgelaufen. Trotz der nachgewiesenen Wirksamkeit ist die Finanzierung ungewiss. „Wir haben das Spiel an die Stiftung Universitätsmedizin übergeben, sie sammelt jetzt Spenden“, sagt Masuch. Insgesamt sei die Kommerzialisierung von Gesundheitsspielen schwierig. „Es gibt sehr motivierte Spieleentwickler, aber sie bekommen nur kleine, initiale Förderungen.“

Mitarbeit: Britta Rybicki

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