Die Frauengesundheit spielt auch in der digitalen Gesundheitsversorgung eine noch untergeordnete Rolle. Das liegt vor allem an der verbesserungswürdigen Datenlage, findet Hana Besbes. Sie ist Investment-Managerin beim Berliner Wagniskapitalgeber Heal Capital.
Hana Besbes
Besbes ist Investment Managerin bei Heal Capital.
Bild: Unternehmen
„Die Forschung ignoriert Frauen bis heute. Das ist für Femtech-Unternehmen eine besondere Herausforderung. Denn entwickeln Gründerinnen Technologien, die die Gesundheit von Frauen fördern sollen, fordern Investorinnen schon im Vorhinein eine klinische Evidenz. Das ist eine Studie, die belegt, dass eine digitale Anwendung keinen Schaden anrichtet und einen tatsächlichen Nutzen hat.
Die klinischen Nachweise zeigen uns, ob ein Produkt skalierbar ist. Gesundheit findet in Deutschland nicht am Selbstzahlermarkt statt. Wenn Start-ups in die breite Versorgung möchten, müssen sie Leistungserbringer wie Krankenkassenmitarbeitende oder Ärztinnen von ihren Produkten überzeugen. Femtech-Gründerinnen stecken also in einem Teufelskreis, der sich Gender-Data-Gap nennt.
Bis zum Jahr 1993 wurden Frauen von klinischen Studien ausgeschlossen, wodurch eine gewaltige Datenlücke in der Gesundheitsforschung entstanden ist. Wissenschaftler befürchteten, dass Hormonschwankungen Forschungsergebnisse verzerren könnten. Der junge weiße Mann wurde so zur Norm für die Entwicklung von Medikamenten und Therapien – und er ist es bis heute. Das verschlechtert die Versorgung von Frauen massiv und bringt sie schlimmstenfalls in Gefahr. Ein Beispiel von vielen: In einer kürzlich im Journal of clinical Oncology veröffentlichte US-Studie wurde nachgewiesen, dass Frauen während einer Chemotherapie häufiger an Nebenwirkungen leiden als Männer.
Um das Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen in der Gesundheitsforschung aufzulösen, muss zunächst die historisch gewachsene Datenlücke geschlossen werden. Dafür sind allerdings massive Investitionen erforderlich. Dass dieser Bereich weiterhin unterfinanziert bleibt, zeigen Zahlen des vergangenen Jahres: Lediglich 1,4 Prozent aller Investments sind in Femtech und vier Prozent aller Forschungs- und Entwicklungsgelder in die Gesundheit von Frauen geflossen.
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) scheint diesen Kurs beibehalten zu wollen. Das BMG möchte laut Webseite 3,5 Millionen Euro für die Erforschung von Frauengesundheit zur Verfügung stellen. Bei Betrachtung auf den gesamten Etat von 64 Milliarden Euro investiert das BMG verschwindend geringe 0,00547 Prozent in diese Sparte.
Um Wagniskapital einzusammeln, reicht eine funktionierende Technologie im Femtech-Markt allein nicht aus. Im vergangenen Jahr stand auch Heal Capital kurz vor seinem ersten Deal. Abgesagt haben wir dem Femtech-Unternehmen, weil es in dem Geschäftsmodell keine Aussicht darauf gab, den Gender-Data-Gap allgemein zu schließen. Oder anders ausgedrückt: Aus dem Teufelskreis auszubrechen. Dafür müssen aus meiner Sicht zwei Bedingungen erfüllt werden:
Trotz der noch geringen Investitionen am Femtech-Markt lässt sich aber auch beobachten, wie Frauen sich ihrer Gesundheit bewusster werden und ihre Bedürfnisse anpassen. Dass Marktteilnehmer sich langfristig umstellen müssen, zeigen Kampagnen einzelner Pharmaunternehmen, die nun über die Folgen von hormoneller Verhütung aufklären müssen.“
Hana Besbes hat an der Technischen Universität München ihr Diplom in Elektrotechnik gemacht, an der London Global University hat sie Telekommunikation studiert. Sie berät Wagniskapitalgeber in Dubai wie 2022 Female Angels. Seit Januar 2021 arbeitet sie als Investment-Managerin bei dem Berliner Risikokapitalgeber Heal Capital, dessen Fond durch den Verband der privaten Krankenversicherungen initiiert wurde.
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