Die Befragten fühlen zwar überwiegend sicher darin, Gesundheitsinformationen zu finden oder Technologien anzuwenden. Sie vertrauen diesen aber nicht.
Digitale Gesundheitsversorgung
Senioren nutzen digitale Therapien eher selten.
Bild: imago images / photothek
Düsseldorf Patienten informieren sich im Netz über ihre Gesundheit. Ein Beispiel: Sie finden eine Gesundheits-App, laden diese herunter, verstehen die Funktionsweise. Danach legen sie das Handy aber wieder beiseite, weil sie der Anwendung misstrauen. Ob der digitale Wandel im Gesundheitswesen funktioniert, fällt und steigt mit der Akzeptanz der Technik in der Bevölkerung. Forscher des Leibniz-Instituts Digital Public Health aus Bremen haben 1014 Personen gefragt, wie sie Technologien für ihre Gesundheit bewerten und nutzen. Ein Ergebnis: Alte, arme Menschen ohne einen akademischen Abschluss verzichten auf Apps, Online-Trainings oder Informationsangebote für ihre Gesundheit.
Mina Luetkens hat das gemeinnützige Unternehmen „Patients4digital“ (P4D) gegründet, um etwa Patientenvertretungen über digitale Themen aufzuklären. Sie sagt, dass das Studien-Ergebnis erwartbar war. Aktuell sei ein Produkt noch selten barrierefrei oder beachte, dass alte und junge Menschen anders motiviert würden. „Menschen müssen unterschiedlich getriggert werden, zum Beispiel, um sich mehr zu bewegen“, sagt sie.
Das Vertrauen in die Informationen oder Anwendungen ist laut der Studie noch gering. Insgesamt halten Befragte sich allerdings für kompetent genug, um Gesundheitsinformationen im Netz und digitale Therapien zu verstehen. Umso mehr eine Person verdient, desto häufiger benutzt sie Trainings, Apps oder erkundigt sich im Netz über Krankheitssymptome. Jüngere Personen mit einem akademischen Abschluss bevorzugten Fitness-Apps. Für die Mehrheit sind diese Apps einfach zu bedienen.
Wie sicher Teilnehmer sich im Umgang mit digitalen Therapien fühlen, hängt von ihrem Bildungsstand, ihrem Einkommen und ihrem Alter ab. Alte, arme und ungebildete Menschen sind laut der Umfrageergebnisse Gesundheitstechnik gegenüber misstrauischer.
Karina Karolina de Santis ist an dem Forschungsprojekt beteiligt. Die Epidemiologin schlägt eine Art Tüv vor, der die Qualität einer Technologie bewertet. Denn auch wenn es um die Spende ihrer Daten geht, ist die Mehrheit der Befragten vorsichtig: 78 Prozent möchten online keine persönlichen Informationen angeben.
Allgemein hoffen die Teilnehmer auf eine digitale Gesundheitsversorgung: Mehr als die Hälfte glaubt, dass vor allem digitale Therapien und Präventionsprogramme wichtig sind. „Trotzdem ist vielen Befragten der ganz persönliche Nutzen solcher Technologien noch nicht bewusst“, sagt de Santis.
Die P4D-Gründerin Luetkens kritisiert vor allem Geschäftsmodelle in der Gesundheitswirtschaft, die Krankenkassen und Ärzten gefallen sollen. Schließlich müssen Apps an Kassen verkauft und über die Ärzte an die Patienten vertrieben werden. „Dadurch wird zu wenig auf den Bedarf der Patienten geschaut“, sagt sie. Individuelle Bedürfnisse oder Hürden blieben unbemerkt.
Die sogenannte Gesundheitskompetenz wird in Paragraf 20k Absatz zwei im Sozialgesetzbuch V definiert: Patienten sollen Informationen finden, verstehen, einschätzen und anwenden können. Dadurch soll die digitale Versorgung gerechter werden. „Das widerspricht sich, da es viele Menschen gibt, die diese Gesundheitskompetenz aus verschiedenen Gründen nicht erreichen können“, sagt Luetkens und führt fort: „Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen brauchten auch unterschiedliche Lösungen.“
Motivation mit Künstlicher Intelligenz steigern
So könnten sich Benutzeroberflächen – wie etwa die Schriftgröße – anpassen, um barrierefrei zu sein. „Ideal wäre es, eine solche Lösung Open Source zur Verfügung zu stellen.“ Eine andere Möglichkeit sei das Nudging, das dazu bewegt, etwas immer wieder auf eine bestimmte Art und Weise zu tun. Im Straßenverkehr sind das zum Beispiel Verkehrsschilder, am Smartphone Push-Nachrichten.
Die Krankenkassen sind gesetzlich über den Paragrafen 20 dazu beauftragt, die digitale Gesundheitskompetenz ihrer Versicherten zu fördern. Eine Anfrage von Handelsblatt Inside zeigt, dass sie dabei bislang ausschließlich auf Informationsangebote und Kundenservice setzen. Die Barmer oder Siemens Betriebskrankenkasse klärt Versicherte über die Digitalisierung im Gesundheitswesen auf und schult Mitarbeiter. „So können wir im Kontakt mit unseren Versicherten Fragen rund um digitale Themen kompetent beantworten und insbesondere auch ältere Menschen sowohl bei ihren Serviceanliegen als auch in der Gesundheitsversorgung begleiten“, teil die Barmer mit.
Die IKK Classic erklärt auf ihrer Webseite zum Beispiel, wann es sich um werbefinanzierte Gesundheitsanzeigen auf Google handle, was ein Symptomchecker ist und welche Gütesiegel bei seriösen Anbietern zu finden seien. Ein Navigator der AOK sucht nach einem passenden Krankenhaus, Arzt und Therapeuten. Dabei kann auch nach verschiedenen medizinischen Fachgebieten unterschieden werden. Besonders belastete Patientengruppen wie etwa Diabetiker oder Menschen mit Depressionen können über einen Chat Kontakt zu einem Berater aufnehmen.
Wie nützlich diese Angebote sind, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Grundsätzlich gilt aber: Umso mehr Menschen die Hilfsangebote von Krankenkassen wahrnehmen, desto mehr wird auch ihre digitale Gesundheitskompetenz gefördert.
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