Ab 2025 drohen Krankenhäusern Strafen, wenn sie die im Krankenhauszukunftsgesetz geforderten Digitalisierungsprojekte nicht umsetzen – doch dafür fehlt oft das Personal.
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Verpflichtungen aus dem Krankenhauszukunftsgesetz stellen Krankenhäuser vor große Probleme.
Bild: dpa
Köln Die IT-Abteilung des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK) in Stuttgart erprobt neue Arbeitsweisen: „Wir haben hier eine Start-up-Mentalität entwickelt”, sagt Geschäftsführer Mark Dominik Alscher. Auf diese Weise führt das Team nun zum Beispiel ein Patientenportal zur Vereinbarung von Onlineterminen und zum Austausch von Dokumenten ein. IT-Anwendungen ließen sich vergleichsweise schnell einsetzen. „Da wird viel mehr ausprobiert. So sind wir bei der Projektarbeit schneller als früher”, sagt er.
„Früher” war vor der Einführung des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG), das Kliniken seit dem Jahr 2020 zu mehr Digitalisierung verpflichtet. Bis Ende 2024 müssen die 1900 deutschen Krankenhäuser zahlreiche IT-Projekte umgesetzt haben – etwa eine digitalisierte Behandlungs- und Medikationsdokumentation. Mehr als 6000 Förderanträge für ihre Projekte haben deutsche Krankenhäuser nach aktuellen Zahlen des Bundesamts für Soziale Sicherung gestellt.
Auf dem Papier passiert viel. In der Praxis stoßen die Projekte aber immer wieder auf Probleme, berichtet die 35-köpfige IT-Abteilung des RBK. „Es ist ein ständiger Dauerlauf, der zu Atemlosigkeit führt”, sagt Alscher. Die agilere Arbeitsweise allein reicht nicht, um KHZG-Projekte zu stemmen. Das Krankenhaus setzt daher zudem auf externe IT-Berater und heuert neues Personal an. Das Resultat: „Wir sind mit der Umsetzung der KHZG-Projekte nicht im Verzug.”
Doch der Stuttgarter Dreiklang aus veränderten Arbeitsmethoden, externer IT-Hilfe und mehr Personal gelingt nicht überall in der Republik. Vor allem das Fachpersonal fehlt: „Das KHZG befeuert den Bedarf an IT-Experten”, sagt Claudia Gschwind, Geschäftsführerin der auf das Gesundheitswesen spezialisierten Personalberatung Healthcorp Partners. „Der Arbeitsmarkt gibt das erforderliche Personal nicht her.”
Kliniken versuchen, die Löcher zu stopfen, so gut es geht. Doch vor allem das Werben um frisches Personal bereitet ihnen Schwierigkeiten. Denn Krankenhäuser zählen eher nicht zu den ersten Adressen für IT-Experten. „IT-Fachkräfte scheuen häufig den Druck im Krankenhaus, da die Verfügbarkeit der IT-Systeme noch existentieller ist als in der Industrie”, sagt Gschwind. Viele Häuser müssen außerdem hierarchische Arbeitsstrukturen aufbrechen, um als moderner Arbeitgeber zu erscheinen.
Klinikchef Alscher beklagt vor allem einen finanziellen Vorsprung der Industrie: „Wir können IT-Experten nur 50 bis 70 Prozent dessen an Gehalt zahlen, was sie zum Beispiel in der Autobranche verdienen können.” Kampagnen könnten Erfolg haben. „Universitätskliniken können im Kampf um die besten IT-Kräfte von Kooperationen mit Universitäten profitieren und sich früh Personal durch Campus-Recruiting sichern”, sagt Gschwind.
Sie empfiehlt Kliniken, beim Werben um IT-Fachkräfte ihre sinnstiftende Arbeit besser herauszustellen. So macht es das RBK: „Wir werben um Fachkräfte gezielt mit unseren Werten wie Heilen und Helfen. Kampagnen für Pflegekräfte im Radio und ÖPNV strahlen dabei auch auf die IT ab. Das sehen wir an Bewerberzahlen”, sagt Alscher.
33 zusätzliche IT-Fachkräfte wünscht sich Alschers IT-Leiter, um die KHZG-Projekte im Zeitplan umzusetzen. „Doch das können wir auch finanziell nicht stemmen”, sagt der Krankenhausleiter. Dabei würde jede neu eingestellte Fachkraft helfen, weitere anzulocken. „IT-Fachkräfte zieht es dorthin, wo die Digitalisierung bereits weit fortgeschritten ist”, sagt Gschwind.
Eher ungern nimmt Alscher IT-Hilfe von außen in Anspruch. Seine Erfahrung: Wer sich externer Berater bedient, bekommt nur selten Experten, die sich mit KHZG-Projekten auskennen. „Vielen von ihnen fehlt das Wissen um die Arbeitsabläufe eines Krankenhauses”, sagt Alscher. Hinzu kommt: „Die Honorare externer IT-Berater schießen angesichts der Nachfrage in die Höhe”, sagt Gschwind.
Auch die Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim bei Frankfurt fährt mehrgleisig, um KHZG-Anforderungen zu erfüllen. „Die Verpflichtungen aus dem KHZG waren mit der Stammbesetzung in der IT und der alten Organisationsstruktur nicht zu bewältigen”, sagt Matthias Müller. Der Geschäftsführer hat deshalb schon vor anderthalb Jahren eine externe Organisationsberatung mit ins Boot geholt. Seither gibt es im Haus eine übergeordnete Projektleitung für KHZG-Projekte.
Sie entbindet die 13-köpfige IT-Abteilung von allen Verwaltungstätigkeiten wie zum Beispiel Fördermittelanträge oder die Organisation von IT-Schulungen. Es gibt wöchentliche Projektmeetings zu KHZG-Themen, die vom Projektmanagement organisiert und geleitet werden. Externe Hilfe kommt nur dort zum Einsatz, wo Krankenhaus-IT-Systeme den Strukturen anderer Branchen gleichen, etwa bei der Netzwerkadministration. Müller ist nach eigenen Angaben zuversichtlich, mit dieser Aufstellung bis Ende 2024 alle nötigen Anforderungen aus dem KHZG erfüllen zu können.
Doch dazu braucht auch er jetzt mehr Personal. Drei Experten fehlen. Das Krankenhaus hat eine Personalberatung beauftragt. Auf Stellenanzeigen, die die breite Masse der ITler ansprechen, verzichten die Bad Nauheimer weitgehend. „Wir müssen bei Kandidaten rüberbringen, dass wir die richtige Mission haben, in der der Mensch im Mittelpunkt steht”, sagt Müller. „Wir suchen IT-Fachkräfte daher zunächst im eigenen Netzwerk.” Die Klinik gehört einer Hospitalgemeinschaft an und hat Kooperationen mit einigen hessischen Universitätskliniken. Immerhin: Eine Kandidatin sei bereits kurz vor der Unterschrift des Arbeitsvertrages, sagt Müller.
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