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15.06.2022

22:23

Milliardendeal

US-Konzern Resmed nimmt Pflegesoftware-Markt ins Visier

Von: Lukas Hoffmann

Eine Milliarde US-Dollar hat das US-amerikanische Unternehmen Resmed für den Hildesheimer Pflegesoftwarteanbieter Medifox Dan gezahlt. Der Pflegesoftware-Markt ist noch weitestgehend unerschlossen.

Das Unternehmen verkauft Software für den stationären und ambulanten Pflegebereich. dpa

Medifox Dan

Das Unternehmen verkauft Software für den stationären und ambulanten Pflegebereich.

Köln Das US-Unternehmen Resmed hat Mehrheitsanteile am Hildesheimer Pflegesoftware-Anbieter Medifox Dan gekauft. Gezahlt hat Resmed den stolzen Preis von einer Milliarde US-Dollar (950 Millionen Euro). Das bereinigte Betriebsergebnis (Ebitda) von Medifox Dan lag im vergangenen Jahr bei 33,5 Millionen Euro. Der Verkaufspreis hat folglich mehr als das 28-fache des Ebitda entsprochen.

Handelsblatt Inside hatte Anfang April bereits über den anstehenden Verkauf berichtet. Branchenkenner hatten damals mit einem Betrag zwischen 700 und 800 Millionen Euro gerechnet. Ein Insider spricht gegenüber Handelsblatt jetzt von einem zu hohen Preis.

Medifox Dan verkauft Software für den stationären und ambulanten Pflegebereich. Christian Städtler ist Geschäftsführer bei Medifox Dan. „Unser Schwerpunkt ist die Altenpflege“, sagt er. „Perspektivisch gehen wir davon aus, dass der ambulante und stationäre Bereich noch stärker zusammenwachsen wird.“ Es gäbe nicht nur die Pflege zuhause oder in einer Einrichtung, sondern auch betreutes Wohnen und andere Wohnformen, die sich in der Zukunft stärker ausprägen würden.

Gewinn im hohen, dreistelligen Millionenbereich

Der Mehrheitseigner von Medifox Dan ist derzeit noch der britische Finanzinvestor Hg. Der Kaufvertrag wurde bereits unterschrieben, letzte Dokumente fehlen aber noch. Das auf die Software-Branche spezialisierte Unternehmen dürfte mit dem Verkauf ein gutes Geschäft gemacht haben.

Denn Hg hat Medifox Dan im Jahr 2018 offenbar für einen Preis zwischen 200 und 250 Millionen Euro erworben. In den Folgejahren wurden neun Unternehmen hinzugekauft. Ein an der Transaktion Beteiligter schätzt, dass Hg mit dem Verkauf dennoch einen hohen dreistelligen Millionengewinn eingefahren hat.

Ein Branchenkenner, der selbst nicht mitgeboten hat, hält den Kaufpreis für zu hoch. Es sei schwer vorstellbar, wie die Verkaufssumme wieder eingespielt werden kann. Pflegesoftware spielt Unternehmen in Deutschland derzeit zweistellige Millionenumsätze ein. Medifox Dan gibt an, im vergangenen Jahr einen Umsatz von 79 Millionen Euro erzielt zu haben. Die börsennotierte Compugroup verdient mit Pflege-IT-Produkten laut IT-Report 2020 rund 42 Millionen Euro. Ansonsten sind am Markt überwiegend Mittelständler mit wenigen hundert Mitarbeitern vertreten.

Der Preis sei vom Markt akzeptiert gewesen, heißt es wiederum aus Verkäuferkreisen. Die Angebote von einigen Private Equity Unternehmen hätten nur knapp unter demjenigen von Resmed gelegen.

Der Verkauf wurde innerhalb weniger Wochen besiegelt. Thorsten Schliebe, ebenfalls Geschäftsführer von Medifox Dan, ist aber nicht der Ansicht, dass der Käufer aus den USA überhastet zugeschlagen hat. „Resmed ist bereits in Deutschland aktiv.“ Das Unternehmen habe Medifox auf der Altenpflege-Messe im April mit einer großen Delegation besucht. Auch mit anderen Kaufinteressenten hätte Medifox Dan zu diesem Zeitpunkt schon Gespräche geführt. Im Mai wurde das Kaufangebot dann offiziell.

Resmed ist auf die Entwicklung von Geräten zur Behandlung von schlafbezogenen Atmungsstörungen spezialisiert. Resmed steht für „Respiratory Medicine“ – also Beatmungsmedizin, entsprechende Technik wird in Deutschland bereits verkauft.

In den Jahren 2016 bis 2018 kaufte Resmed verschiedene US-Unternehmen, die Pflegesoftware anbieten. Bereits zu diesem Zeitpunkt prüfte das US-Unternehmen mit Sitz im kalifornischen San Diego bereits den Erwerb von Medifox Dan. Damals sei der jetzige Verkäufer Hg aber schneller gewesen, sagt ein Insider. Seitdem hätte Resmed den Hildesheimer Betrieb beobachtet und die notwendige Mittel für den Kauf nun schnell möglich gemacht. Resmed ist an der New Yorker Börse notiert und hatte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 3,2 Milliarden US-Dollar (3,1 Milliarden Euro) erwirtschaftet.

Das US-Unternehmen ist das erste große ausländische Medtech-Unternehmen, das den deutschen Pflegesoftware-Markt in den Blick nimmt. Mit Medifox Dan hat es nun den größten Pflegesoftware-Anbieter übernommen. Das Unternehmen gibt einen durchschnittlichen Umsatzwachstum der letzten Jahre von 16 Prozent an und beschäftigt 650 Angestellte.

Staat forciert Digitalisierung der Pflege

Der Rollout von Pflegesoftware steht erst am Anfang. In vielen Altenheimen wird noch immer mit Stift und Papier dokumentiert. Gleichzeitig forciert der Staat die Digitalisierung der Branche. Bis 2024 müssen Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur (TI) – das Datennetz des Gesundheitswesens – angeschlossen sein.

Inwiefern einzelne Produkte von den US-Tochterunternehmen nun auch in Deutschland angeboten werden und – vice versa – Medifox-Dan-Softwareprodukte in den USA erhältlich sind, werde sich in der Zukunft zeigen, sagt Geschäftsführer Schliebe. Allerdings habe man schon Themen angerissen, die spannend seien, sagt er. „Uns eint mit den Partnerunternehmen in den USA, dass wir uns auf die Digitalisierung des Pflegesektors konzentrieren.“

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