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03.07.2022

16:24

Online-Diagnose

Symptomchecker kommen in die breitere Anwendung

Von: Andreas Schulte

Der Symptomchecker hilft Nutzern ihr Krankheitsfeld einzugrenzen. Krankenhäuser und Versicherungen verfolgen mit dem Angebot ein anderes Interesse als Start-ups.

Patienten können ihre Symptome selbst im Internet überprüfen. dpa

Symptomchecker

Patienten können ihre Symptome selbst im Internet überprüfen.

Einige tausend Mal pro Monat gibt der Symptomchecker von Netdoktor.de Aufschluss über Krankheiten. Dazu klicken sich Anwender durch einen Fragenkatalog, der Krankheitssymptome intelligent miteinander verknüpft. Nach wenigen Minuten erhalten Nutzer eine Erstdiagnose. Sie soll Patienten dabei helfen, sich gezielt auf einen Praxisbesuch vorzubereiten.

Der Symptomchecker von Netdoktor.de ist für Nutzer kostenlos. Das Kalkül des Portals aus dem Verlagshaus Burda: Die Anwendung soll die Besucher gezielt zu den weiterführenden Informationen der Gesundheitsplattform führen: „Der Symptomchecker unterstützt die Refinanzierung über Werbeeinblendungen in die Textinhalte von Netdoktor“, sagt Chefredakteur und COO Jens Richter. Das soll so bleiben. Der Manager schließt eine Bezahlschranke für die Zukunft vorerst aus.

Symptomchecker sind nicht nur für Gesundheitsportale interessant. Verschiedene Anwender und Leistungserbringer des Gesundheitssystems nutzen sie. „Wenn Symptomchecker einen ersten Gang zum Arzt ersetzen, verringern sie Aufwand und Kosten. Dann sind Anwender bereit, dafür zu zahlen, und an diesem Punkt können auch die Kassen sparen“, sagt Alexander Voigt, Healthcare-Experte bei der Consultingfirma Digital Oxygen.

Diese Erfahrung macht auch Dermanostic. Der Symptomchecker des gleichnamigen Düsseldorfer Start-ups erstellt Diagnosen allerdings nicht ausschließlich per Software. Patienten klicken sich per App oder online durch den Fragebogen. Ein Foto-Upload ergänzt diese Anamnese. Beides zusammen wird von einem Arzt des zehnköpfigen Dermanostic-Teams ausgewertet.

25 Euro pro Diagnose

Das Geschäftsmodell dahinter ist simpel. Nutzer bezahlen pro Diagnose 25 Euro. Per Umfrage auf einem Weihnachtsmarkt habe Dermanostic im Jahr 2019 herausgefunden, welchen Betrag Patienten bereit sind, für die Tele-Diagnose zu bezahlen, erzählt Co-Gründerin Alice Martin. Mittlerweile hat Dermanostic 80.000 Patienten behandelt.

Die privaten Kassen übernehmen bereits die Kosten für eine Diagnose mit Dermanostic.com. In drei bis sechs Monaten sollen erste gesetzliche Krankenkassen folgen. „Wir haben gerade mit zwei Kassen die nötigen Vereinbarungen getroffen“, sagt Alice Martin.

Damit könnte für Dermanostic der Weg in die Regelversorgung geebnet sein. „Die Kassen dachten bislang: Wenn viele Menschen die Symptomchecker beim geringsten Verdacht auf eine Krankheit nutzen, laufen unnötige Kosten auf. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Tools können Kosten senken. Denn wenn eine Krankheit verschleppt wird, wird ihre Behandlung in der Regel teurer“, sagt Martin.

Diese Gefahr besteht insbesondere, wenn Krankheiten das Schamgefühl von Patienten berühren und sie den Arztbesuch deshalb zu lange hinauszögern. „Anwender sind eher bereit für einen Symptomchecker zu zahlen, wenn diese einen Gewinn an Diskretion versprechen – etwa bei einem Verdacht auf eine Geschlechtskrankheit“, sagt Voigt.

Doch bislang decken die meisten Anwendungen noch ein breites Spektrum an Erstdiagnosen an. Dies erschwert zudem eine mögliche kommerzielle Verwertung der gesammelten Daten. Einen Symptomchecker vornehmlich auf den Verkauf von Daten auszulegen, lohnt sich daher selten. „Ein sinnvolles Match zwischen Daten aus Symptomcheckern und benötigten Informationen von Pharmafirmen ist selten. Daher sind Pharmafirmen hier eher zurückhaltend“, sagt Voigt.

Das Berliner Start-up Ada Health zielt mit seiner Symptomchecker-Software in Deutschland vorwiegend auf die Krankenhäuser ab. Gülsah Wilke, COO bei Ada, sieht insbesondere wegen der häufig dünnen Personaldecke Potenzial. „An Wochenenden und in der Nacht kommt es vor, dass nicht durchgängig ein Facharzt anwesend sein kann.“ In diesen Zeiten biete sich der Einsatz einer KI-basierten Entscheidungsunterstützung an.

AOK entwickelt App mit Symptomchecker und Videosprechstunde

Die gesetzliche Krankenkasse AOK indes setzt bei der Refinanzierung ihres neuen Symptomcheckers auf Effizienzgewinne. Entwickelt wurde die Anwendung für die AOK-App Navida vom polnischen Unternehmen Infermedica. Die Integration in die App und die Pflege der Anwendung übernimmt seit Mai dieses Jahres das Leipziger Start-up Docyet.

Bei der AOK erhält der Patient mit der automatisierten Erstdiagnose aus dem Check zudem eine Handlungsempfehlung. Sollte ein Arztbesuch notwendig sein, können Versicherte direkt die in der App vorhandene Videosprechstunde nutzen. So vermeidet die Kasse, dass Patienten den falschen Facharzt aufsuchen.

Auch die Sana-Kliniken haben den Symptom-Checker aus dem Hause Infermedica lizensiert. Innerhalb von zwei Jahren registrierten die Kliniken 70.000 Gesundheitschecks. Eine Nutzergebühr fällt ebenso wenig wie bei der AOK an. „Es liegt nah, die Ergebnisse von Symptomchecks zukünftig an die ambulanten Leistungserbringer zu übermitteln, insofern der Patient damit einverstanden ist“, sagt Michael Rosenstock, Leiter des Bereichs Sana Digital. „So hätte beispielsweise der Hausarzt die Möglichkeit, sich mit den Symptomen auseinanderzusetzen, noch bevor er seine Patienten sieht.“

Diesen Vorteil erkennt auch Dermanostic-Chefin Martin. Sie glaubt fest daran, dass sich Symptomchecker als Vorbereitung für eine Behandlung durch einen Arzt durchsetzen werden. „In drei bis fünf Jahren werden einfache digitale Voruntersuchungen vor dem Arztbesuch Standard sein, etwa bei der routinemäßigen Kontrolle des Herzens.“

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