Pflegebedürftige sollen die Kosten für digitale Helfer erstatten lassen können. Hersteller kritisieren nun wesentliche Eckpfeiler des Gesetzes.
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Ab Mitte des Jahres sollen digitale Pflegeanwendungen in die Erstattung der Pflegekassen kommen.
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Berlin Hersteller digitaler Pflege- und Gesundheitsanwendungen haben sich in einem Positionspapier erstmals ausführlich zum Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) geäußert. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung digitale Pflegeanwendungen (DiPa) in die Erstattung der gesetzlichen Pflegeversicherung bringen.
Das Gesetz wurde im Januar beschlossen und tritt voraussichtlich Mitte des Jahres in Kraft. Die Anwendungen können von Pflegebedürftigen genutzt werden, um den Gesundheitszustand durch Übungen und Trainings zu verbessern. Dazu zählen Sturzprävention, Gedächtnisspiele für Menschen mit Demenz oder die Kommunikation zwischen Pflegefachkräften und Angehörigen.
In ihrem Positionspapier kritisieren die Hersteller unter anderem die Pauschale, mit der DiPa vergütet werden sollen. Diese ist bei 50 Euro gedeckelt und gilt für die digitale Anwendung und die pflegerische Unterstützung zusammen. Dies setze „falsche Anreize“, heißt es in dem Papier des Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV), das Handelsblatt Inside vorliegt und am Montag veröffentlicht werden soll.
Die Pauschale könne dazu führen, dass bei der Entscheidung für eine DiPa vorrangig die Kosten statt der pflegerische Nutzen berücksichtigt werden, da bei einer günstigen Anwendung ein höherer Vergütungsanteil für die pflegerische Leistung bliebe. „Dieser Ansatz könnte Hersteller in einen unmittelbaren Preiswettbewerb führen, bei dem andere relevante Kriterien der digitalen Anwendungen in den Hintergrund treten“, heißt es.
Auch die Höhe der Pauschale von 50 Euro kritisieren die Hersteller. Für die DiPa blieben im Extremfall bei einer Durchschnittsvergütung von 40 bis 50 Euro pro Stunde für eine pflegerische Fachkraft nur wenige Euro oder gar Cent. „Dies steht in einem Widerspruch zu den hohen Anforderungen an Qualität und Sicherheit, die DiPa perspektivisch erfüllen müssen.“
Der SVDGV schlägt deswegen vor, die Leistungen unabhängig voneinander zu vergüten. So war es ursprünglich auch in einer ersten Fassung des DVPMG vorgesehen. Die Preise für die Anwendungen sollten sich darüber hinaus an bislang gängigen Systemen orientieren. Als Beispiel steht im Papier das Hausnotrufsystem, für das ein monatlicher Zuschuss von 20 Euro pro Monat gezahlt wird.
Die Preisgestaltung sorgte bereits im Januar für Kritik, als das Gesetz beschlossen wurde. Der Deutsche Pflegerat (DPR) etwa bezeichnet den Preisdeckel als „willkürlich“ und geht davon aus, dass er nach Einführung des Gesetzes noch einmal überprüft werden müsse. Es brauche genügend Anreize für die Entwicklung und den Einsatz digitaler Lösungen, forderte DPR-Vizepräsidentin Irene Maier gegenüber Handelsblatt Inside.
Auch aus Kassensicht ist das Verfahren nicht optimal. „Die Zusammenführung der Leistungen und auch die Erstattungsregelung über die Pflegekasse können zu einem Zeitverzug führen und sind nicht sonderlich kundenorientiert“, teilte etwa die Siemens-Betriebskrankenkasse mit.
Der SVDGV kritisiert in seinem Papier auch das Zulassungsverfahren. Dieses orientiert sich im Wesentlichen am Verfahren für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGa). Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist für die Zulassung der Anwendungen zuständig. Sie müssen einen pflegerischen Nutzen nachweisen und die Anforderungen an Datenschutz und -sicherheit erfüllen. Allerdings gibt es, anders als bei der DiGa, kein Erprobungsjahr, das die Hersteller nutzen können, um den Nutzennachweis zu erbringen.
„Für die Unternehmen bedeutet das erhöhte Anforderungen, die bei der Festlegung der Zugangsvoraussetzungen einbezogen werden sollten“, heißt es in dem Papier. Bei Herstellern sorge es außerdem für „enorme Unsicherheiten“, dass die konkreten Zugangsvoraussetzungen noch nicht definiert sind. „Ein transparentes Verfahren, das Informationen und geplante Anforderungen frühzeitig offenlegt, ist daher dringend erforderlich“, heißt es.
Darüber hinaus fordert der SVDGV ein vereinfachtes Antragsverfahren für Hersteller, die ihr Produkt sowohl als DiGa als auch DiPa zulassen wollen. Um Hersteller in einem solchen Fall nicht durch doppelte Antragsverfahren und Evidenznachweise mehrfach zu belasten, bedürfe es bürokratiearmer Prozesse. Es sei sinnvoll, dass im Rahmen einer Studie mehrere Patientenpopulationen und Endpunkte abgedeckt werden können, um eine Evidenz für die Nutzung in beiden Kontexten – DiGa und DiPa – darzulegen. „Dies könnte dazu beitragen, breite Versorgungslücken flächendeckend durch digitale Unterstützungsangebote zu schließen.“
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