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30.06.2022

07:40

Start-Up

15 Millionen US-Dollar für Berliner Laborwert-App Aware

Von: Lukas Hoffmann

Die Aware-Gründer Florian Meissner, Ramzi Rizk und Ferdinand Schmidt-Thomé haben einen Algorithmus entwickelt, der Laborwerte von Blutproben ausliest.

Die drei Aware-Gründer (von links): Florian Meissner, Ramzi Rizk und Ferdinand Schmidt-Thomé. (Foto: Unternehmen)

Gründer

Die drei Aware-Gründer (von links): Florian Meissner, Ramzi Rizk und Ferdinand Schmidt-Thomé. (Foto: Unternehmen)

Köln In der Pandemie haben die Menschen gelernt, sich selbst auf Corona zu testen. Bei einem PCR-Test ist es einfach, das Ergebnis zu verstehen. Ein Stricht steht für Gesundheit, zwei für eine Infektion. Die Ergebnisse von Bluttests sind für viele Patienten hingegen nur schwer zu verstehen und müssen vom Arzt erklärt werden.

Florian Meissner, Ramzi Rizk und Ferdinand Schmidt-Thomé sehen in der Ergebnisdarstellung der Laborwerte von Blutproben ein Geschäftsmodell. Vor einem Jahr haben sie in Berlin ihr Start-up Aware gegründet. Nun verkünden sie eine Seed-Finanzierung in Höhe von 15 Millionen US-Dollar (14 Millionen Euro).

Der 37-Jährige Meissner kennt das Start-up-Parkett bereits. Vor mehr als zehn Jahren hat er zusammen mit Rizk das Fotoportal Eyeem gegründet und im Sommer des vergangenen Jahres an eine Schweizer Beteiligungsgesellschaft verkauft. Im Juni 2021 folgte die Gründung von Aware. „Wir wollen die Wertschöpfungskette in der Laboranalyse neu denken“, sagt Meissner. Als dritter Gründer ist der Banker Schmidt-Thomé eingestiegen.

Mit einem Klick sollen Nutzer einen Bluttest buchen können, so das Versprechen des Start-ups. Nach dem Besuch eines Labors und der Blutabnahme würden die Ergebnisse innerhalb von 24 Stunden in einer App vorliegen. „Wir starten in Berlin unser erstes, eigenes Labor“, sagt Meissner. Außerdem bestünden bereits zwei Partnerschaften mit Laboren. 16 Personen würden derzeit für das Start-up arbeiten.

Aware hat prominente Investoren

Die Gründer haben bereits im vergangenen Jahr in einer nicht öffentlich kommunizierten Finanzierungsrunde 4,3 Millionen US-Dollar erhalten. Zusammengenommen mit den jetzt eingesammelten 10,7 Millionen US-Dollar haben Kapitalgeber insgesamt 15 Millionen US-Dollar investiert. Angeführt wird die Finanzierungsrunde von der Schweizer Venture-Capital-Firma Lakestar, dem Berliner Frühphasen-Investor Cherry Ventures und dem Berliner June Fond, der von dem Google-Vorstand Philipp Schindler mitgegründet wurde.

Außerdem haben eine Reihe von Privatpersonen investiert, darunter auch Gründer von Unternehmen, die als Einhörner gelten, deren Start-ups also mit mindestens einer Milliarde US-Dollar bewertet werden. Dazu gehören Naren Sham, Gründer des Berliner Unternehmens Omio, einer Buchungsplattform für Verkehrsverbindungen, und Lucas Cranach, Gründer der ebenfalls in Berlin ansässigen OneFootball-Plattform, die Statistiken und Nachrichten aus 200 Fußball-Ligen in 12 verschiedenen Sprachen liefert.

Als Business-Angels aus dem digitalen Gesundheitsbereich sind Florian Otto und Katharina Jünger investiert. Otto ist Gründer des New Yorker Unternehmens Cedar, das ein Bezahlsystem für Gesundheitsanbieter entwickelt und in der jüngsten Finanzierungsrunde im März 2021 rund 200 Millionen US-Dollar (190 Millionen Euro) eingesammelt hat.

Jünger hat das Münchner Videosprechstunden-Start-up Teleclinic aufgebaut und im Sommer 2020 für rund 44 Millionen Euro an die Schweizer Zur Rose Group verkauft. „Durch den einfachen Zugang zu Routine-Labortests und datengestützten Erkenntnissen wird Aware ein wichtiger Ausgangspunkt für Millionen von Menschen sein, die eine bessere Gesundheit anstreben“, schreibt sie.

Laborarzt sieht Geschäftsmodell kritisch

Prominente Investoren glauben an den Geschäftsansatz von Aware, der Vorsitzende des Berufsverbands der Laborärzte Andreas Bobrowski sieht es anders: „Deutschland hat eine bessere Labordichte als jedes andere Land in Europa“, sagt er. „Es gibt hier keine Lücke, die geschlossen werden muss.“

Von einer Laboranalyse ohne ärztliche Beratung hält der praktizierende Laborarzt Bobrowski wenig und erklärt dies an einem Beispiel: Ein erhöhter PSA-Wert könnte auf Prostatakrebs hindeuten. Wenn ein Proband mit dem Fahrrad zur Blutabnahme komme, könne der PSA-Wert falsch erhöht sein, wenn durch den Druck vom Sattel auf die Prostata zu viel von dem Prostata-spezifische Antigen in die Blutbahn gelangt.

Die ausführliche Erklärung der Befunde durch Ärzte sei deshalb notwendig. „Es ist ein Laborarzt-Traum, die Werte mit künstlicher Intelligenz zu analysieren. Leider wird es einen solchen Algorithmus nicht geben, weil man auf sehr viele Informationen von Patienten angewiesen ist.“

Die Gründer von Aware scheinen, zumindest bei Laborärzten, noch einige Überzeugungsarbeit leisten zu müssen. Auf deren Mitwirken ist das Start-up angewiesen, wenn es das Angebot schnell an vielen Orten geben soll. Langfristig solle die App in das bestehende Gesundheitssystem eingebettet werden, sagt Meissner. Gespräche mit den Krankenkassen, die Kosten für bestimmte vom Arzt verschriebene Laboranalysen bereits jetzt tragen, seien geplant. Zum jetzigen Startzeitpunkt konzentrieren sich die Gründer aber auf Selbstzahler.

Ab dem heutigen Donnerstag können sich Interessierte für einen Bluttest auf der Website von Aware anmelden. Auch Tests für Mitarbeiter von Unternehmen bietet das Start-up an. Wie teuer der Test für Nutzer ist, will Meissner nicht verraten, ein schneller Rollout strebt das Start-up aber an. „Wir fangen in Berlin mit den Testungen an und schauen in der nächsten Zeit, auf welche Städte wir sie ausweiten“, sagt Meissner. Langfristig solle es die Aware-App für Nutzer in ganz Europa geben.

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