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26.03.2021

06:15

Beherbungsgewerbe

Die Not der Hotelbetreiber wächst

Von: Nicolas Katzung

Kein Umsatz und ausbleibende staatliche Hilfsgelder belasten die Hotellerie. Betreiber fordern daher Mietverzicht von den Eigentümern. Experten rechnen mit Notverkäufen im zweiten Halbjahr.

Das Heimathafen-Beachmotel in Heiligenhafen wartet weiterhin auf Feriengäste. Quelle: Heimathafen Hotels, Urheber: Julian Keyser

Heiligenhafen

Das Heimathafen-Beachmotel in Heiligenhafen wartet weiterhin auf Feriengäste.

Quelle: Heimathafen Hotels, Urheber: Julian Keyser

„Ankommen und Füße hoch“, heißt das Motto, mit dem Jens Sroka Urlaubern einen Aufenthalt an Deutschlands Küste schmackhaft machen will. Doch momentant kommt niemand an. Unter der Marke Heimathafen betreibt Sroka fünf Ferienhotels und ein Apartmenthaus an Nord- und Ostsee. Alle sind individuell und stylish eingerichtet, die meisten erst seit wenigen Jahren im Betrieb.

Sroka zählt jeden einzelnen Tag, an dem seine Hotels seit dem Lockdown Anfang November geschlossen sind. 145 sind es mittlerweile in Serie. Und es werden nach den jüngsten Bund-Länder-Beschlüssen noch einige hinzukommen. Die Hoffnung auf das Ostergeschäft ist schon mal geplatzt.

Dass es immer noch keine Öffnungsperspektive gebe, sei extrem bitter. Über die Wintermonate habe Srokas Firma bereits 6,5 Millionen Euro Liquidität verbrannt. Von den versprochenen und beantragten Staatshilfen hat er im Gegenzug so gut wie nichts erhalten. Erst am vergangenen Montag sei die erste Novemberhilfe eingegangen.

Die Situation wird aber auch an anderer Stelle prekär: Seine Mitarbeiter laufen ihm allmählich davon. Ohne Trinkgeld kämen sie trotz Kurzarbeitergeld nur auf etwa 50 Prozent ihres üblichen Gehalts. „Wir können es uns nicht leisten, wie manch anderer Anbieter die Gehälter auf 100 Prozent aufzustocken“, erklärt Sroka.

Deswegen würden von sich aus viele gehen und sich „lieber an die Kasse von Lidl und Co setzen. Da kann man schließlich auch gutes Geld verdienen.“ Sroka fordert, dass bei den Staatshilfen nachgebessert werde. „Und vor allem, dass sie endlich ausgezahlt werden. Es gibt viele Hotelbetreiber, die schon zahlungsunfähig sind.“

Yoram Biton, Managing Director von Leonardo Hotels in Zentraleuropa, macht ebenfalls Druck: „Enough is enough – wir müssen endlich Geld sehen.“ Einen klaren Appell richtet er dabei auch an die Vermieter. „Es kann nicht sein, dass ich ein Prozent Umsatz mache und der Vermieter 100 Prozent der Miete haben will.“ Die Diskussionen mit Vermietern, mit denen er schon lange zusammenarbeitet, liefen durchaus konstruktiv. Anders sehe es bei Geschäftsbeziehungen aus, die erst seit ein bis zwei Jahren bestehen.

Allein mit Stundungsvereinbarungen sei den Betreibern nicht geholfen. „Die Pandemie betrifft uns alle. Es geht nicht ohne Verzicht“, unterstreicht Biton.

Übel dran ist vor allem die Stadthotellerie, die auf internationale Touristen und Messegäste ausgerichtet ist. Bis es hier zu einer Erholung kommt, wird deutlich mehr Zeit verstreichen als bei Ferienhotels. „Betreiber von Stadthotels brauchen einen langen Atem. Bis das Niveau von 2019 erreicht ist, wird es noch einige Jahre dauern“, sagt Marc Werner, Partner und Hotelexperte bei der Kanzlei Hogan Lovells.

Der Jurist geht davon aus, dass dies einige Betreiber finanziell nicht durchhalten werden und es zu einer Konsolidierung kommen werde. An eine Insolvenzwelle glaubt er jedoch nicht. „Viele sehen den Hotelbetrieb als ihre Lebensaufgabe an. Bevor die Insolvenz beantragen, muss schon einiges passieren.“ Hinzu komme, dass Unternehmer in Deutschland regelrecht gebrandmarkt seien, wenn sie einmal Insolvenz angemeldet haben. „In den USA kann man mit acht bis zehn Insolvenzen Präsident werden. In Deutschland hat das Wort Konkurs immer auch eine moralische Wertung und wird mit Versagen gleichgesetzt. Das sind zwei Gründe, warum wir wenige Insolvenzen sehen werden.“

Auch mit Notverkäufen rechnet Werner nicht. Alle zwei Tage bekomme er Anrufe von Private-Equity-Firmen aus London oder den USA. „Das sind Immobilienleute, die wissen wollen, wie sie an Schnäppchen kommen. Aber Fire Sales bei Immobilien sehe ich nicht, noch nicht einmal große Discounts.“

Nach einer Befragung von Engel & Völkers Hotel Consulting, die während eines Webinars mit rund 400 Teilnehmern durchgeführt wurde, rechnet knapp jeder Zweite mit einem Preisrückgang bei Hotels von bis zu zehn Prozent in diesem Jahr. Für mehr als ein Drittel der Befragten sind auch Preisnachlässe von elf bis 20 Prozent realistisch. „Deutschland kam 2020 im internationalen Vergleich noch am besten durch die Krise. Daher gibt es auch einen hohen Appetit, in Deutschland in Hotelimmobilien zu investieren, da Investoren zudem an die Erholungsfähigkeit von Deutschland glauben“, begründet Andreas Ewald, Managing Partner bei Engel & Völkers Hotel Consulting, die nicht zu erwartenden Einbrüche bei den Hotelimmobilienpreisen.

Die wenigen Hoteldeals, die zurzeit stattfinden, sind nach Beobachtung von Hogan-Lovells-Anwalt Werner „normale“ Transaktionen und nicht aus der Not heraus geboren. Er nennt beispielhaft das Luxushotel Villa Kennedy in Frankfurt, das vor Kurzem von DIC veräußert wurde. Das Unternehmen begründet den Verkauf mit der Fokussierung auf andere Assetklassen. „Die Immobilie wurde nicht aus der Not heraus verkauft. Diese Not gibt es nicht“, betont Werner. Hogan Lovells begleitete die Transaktion auf juristischer Seite.

Die Ruhe auf dem Transaktionsmarkt ist seiner Meinung nach auch auf die Banken zurückzuführen, die „sehr verständig“ agierten und nach gemeinsamen Lösungen mit ihren Kreditnehmern suchten. „Ob das nun Maßnahmen beim Zins oder bei der Tilgung sind – es finden sich Lösungen.“

Doch je länger die Pandemie andauert und die Probleme anhalten, desto ungeduldiger dürften auch die Kreditgeber werden. Ascan Kókai, Head of Hotels bei ECE Real Estate Partners, rechnet damit, dass in den kommenden Monaten der Geduldsfaden reißen könnte. „Ab der zweiten Jahreshälfte werden die Finanzierer nicht mehr abwarten und Hotels einer Neubewertung unterziehen. Dann werden wir auch mehr Notverkäufe sehen.“

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