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31.08.2021

06:15

Bundestagswahl 2021

So soll der Gebäudesektor klimaneutral werden

Von: Nicolas Katzung

Die Dekarbonisierung hinkt im Gebäudesektor den Zielen der Bundesregierung hinterher. Bei den Klimaschutzmaßnahmen fordern vor allem Grüne und Linke deutlich umfassendere Förderprogramme.

Der Gebäudesektor hat für das Jahr 2020 die Klimaziele verfehlt.Quelle: dpa

Sanierung

Der Gebäudesektor hat für das Jahr 2020 die Klimaziele verfehlt.

Quelle: dpa

Auf dem Weg zur Klimaneutralität im Gebäudesektor ist noch einiges zu tun. Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung haben jedenfalls nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Als einziger von sechs Wirtschaftssektoren hat der Gebäudesektor für das Jahr 2020 die Klimaziele verfehlt.

Mit einem Sofortprogramm, das in solchen Fällen auf die Beine gestellt werden muss, um die Defizite zu beheben, sollten die Mittel für das Programm Bundesförderung energieeffizienter Gebäude (BEG) um 5,8 Milliarden Euro erhöht werden. Nach Ansicht des Expertenrats für Klimafragen, der die Wirksamkeit des Sofortprogramms überprüft, reicht das jedoch nicht aus. Es seien weitere, darüber hinausgehende Anstrengungen nötig, um die vorgegebenen Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen.

Handelsblatt Inside Real Estate hat sich im Vorfeld der Bundestagswahl bei den Parteien umgehört, mit welchen Maßnahmen sie die CO2-Emissionen senken wollen und wer die Kosten dafür tragen soll.

Daniela Wagner, Sprecherin für Stadtentwicklung bei den Grünen im Bundestag, hält eine Klima-Sanierungsoffensive bei Gebäuden für nötig. Mit einem „Aktionsprogramm Faire Wärme“ wollen die Grünen die Fördermittel für die „Wärmewende“ auf sieben Milliarden Euro erhöhen. Für Neubauten soll künftig der KfW-40-Standard gelten, was in etwa dem Passivhausstandard entspricht, und im Gebäudebestand nach Sanierung KfW 55, mit Ausnahmen für denkmalgeschützte Gebäude. Außerdem soll es eine Solardachpflicht für Neubauten und bei Bestandssanierungen geben.

Auch die SPD möchte mehr Solaranlagen auf die Dächer bringen. In einem ersten Schritt sollen Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden und gewerblichen Neubauten installiert werden. „Unser Ziel ist eine Solaranlage auf jedem Supermarkt, jeder Schule und jedem Rathaus“, heißt es im Wahlprogramm. Außerdem sollen bis 2030 fünf Millionen Häuser über innovative Heiz- und Energiesysteme versorgt werden.

Um einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, will die Linkspartei einerseits die Fördermittel für energetische Sanierungen verdoppeln und an das Ziel der Warmmietenneutralität binden. „Klimaschutz ohne Mieterhöhung ist möglich und sorgt auch für Akzeptanz des dringend nötigen ökologischen Umbaus“, sagt Caren Lay, bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag.

Als zweite Maßnahme soll bis 2025 ein vollständiger, bundesweiter „Klima-Check“ erfolgen, der mithilfe von kostenlosen Energieberatungen verbindliche Sanierungspläne aufstellt. Neubauten sollen ab sofort klimaneutral über den gesamten Lebenszyklus errichtet werden. Schließlich will die Linke mit einem Sofortprogramm für klimagerechte Nachbarschaften im Umfang von fünf Milliarden Euro im Jahr Einsparpotenziale im Nachkriegswohnungsbau nutzen. Dadurch sollen nach den Vorstellungen Lays die Großwohnsiedlungen „zu Modellvierteln für lebenswertes, bezahlbares und klimaneutrales Wohnen“ umgebaut werden.

Bei den Unionsparteien finden sich im Vergleich zu Grünen und Linken dagegen vergleichsweise eher allgemein gehaltene Maßnahmen. So spricht Wohnen- und Bauexperte Jan-Marco Luczak davon, mittels energetischer Sanierung die Energieeffizienz verbessern zu wollen.

Als Anreiz sollen die KfW-Förderprogramme attraktiver gestaltet werden. Laut Wahlprogramm der Union soll zudem die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung auf vermietete Immobilien und auf Gewerbeimmobilien ausgedehnt und die Abschreibungsmöglichkeiten von Investitionen zur Energieeffizienzverbesserung und CO2-Reduzierung erhöht werden. „Gleichzeitig wollen wir die Umstellung auf klimaneutrale Energieträger wie grünen Strom und Wasserstoff weiter vorantreiben und die Klimaneutralität beim Neubau zum Standard machen“, sagt Luczak.

FDP-Bauexperte Daniel Föst will dagegen vor allem auf die Digitalisierung setzen. So solle beim Bauen das Building Information Modeling (BIM) flächendeckend eingeführt werden. Zudem könnten durch intelligente Mess- und Steuerungsgeräte große Energieeinsparungen erzielt werden. „Smart Home und Smart Living sind nicht nur bequem, sondern schützen auch das Klima. Wir fordern Programme für Investitionen in energiesparende Mess- und Steuerungstechnik von Wärme, Strom und Luft.”

Eine ablehnende Haltung gegenüber Klimaschutzmaßnahmen nimmt die AfD ein. „Die Klimaneutralität des Gebäudebestandes gehört nicht zu den politischen Zielen der AfD“, sagt Bauexperte Udo Hemmelgarn. Gegebenenfalls könne der Bund über Förderprogramme für die Sanierung von Altbauten aus der Nachkriegszeit nachdenken. „Hier kann man mit relativ wenig Aufwand sehr viel erreichen, sodass sich entsprechende Sanierungen auch wirtschaftlich darstellen lassen.“

Weitere Belastungen für Hauseigentümer lehnt die AfD genauso ab wie „jedwede Pläne, die Zwangssanierungen vorsehen“. Die CO2-Abgabe müsse abgeschafft, die von der Bundesregierung im Zusammenhang „mit dem sogenannten Klimawandel“ eingeleiteten Maßnahmen umgehend beendet werden.

Die SPD, Grüne und Linke fordern dagegen, dass die CO2-Abgabe fürs Heizen, die derzeit komplett der Mieter zu leisten hat, künftig der Vermieter schultern soll. „Schließlich entscheiden sie über Sanierungsmaßnahmen und darüber, welche Art von Heizung verwendet wird“, argumentiert Grünen-Politikerin Wagner. Außerdem würden die Eigentümer von der Wertsteigerung durch eine Modernisierung profitieren.

Die Kosten für klimafreundliche Modernisierungen wollen die Grünen mit dem sogenannten Drittelmodell zwischen Vermietern, Staat und Mietern aufteilen, „sodass Modernisierungen für alle bezahlbar und für die Vermieter angemessen wirtschaftlich werden“, sagt Wagner.

Bernhard Daldrup, bei der SPD zuständig für die Themen Bauen und Wohnen, will zusätzliche finanzielle Instrumente der Förderung bereitstellen. Schließlich sollen sich die Eigentümer die Modernisierung ihrer Gebäude leisten können. Der Nachhaltigkeitsaspekt dürfe kein Luxus sein, sagt Daldrup.

Um das „Mieter-Vermieter-Dilemma“ beim Heizen von Mietwohnungen aufzulösen, will die FDP das Modell der Teilwarmmiete einführen. Dabei hätten sowohl Vermieter als auch Mieter einen Anreiz, in energieeffiziente Systeme zu investieren beziehungsweise Energie einzusparen. „In Schweden werden durch ein Warmmietenmodell – kombiniert mit einem CO2-Preis – 95 Prozent des CO2-Verbrauchs in Gebäuden eingespart. Mieter, Vermieter und Klima profitieren dabei von Investitionen. Das ist eine Win-win-win-Situation“, meint Föst.

Die Linke macht sich derweil für eine Abschaffung der Modernisierungsumlage stark, da sie „zu hochpreisigen und teils auch ökologisch unsinnigen Sanierungen einlädt“.

Auch CDU-Politiker Luczak spricht sich für eine Entlastung der Mieter bei den Modernisierungskosten aus. So könnte der Staat die Modernisierungsumlage von acht Prozent im ersten Jahr voll übernehmen, in den Folgejahren würde der Prozentsatz dann abschmelzen. „Damit würden die Mieter ab dem ersten Tag nach Abschluss der Modernisierung bereits durch niedrigere Energieverbräuche finanziell entlastet. So erreichen wir unsere Klimaziele, schaffen mehr Akzeptanz für energetische Modernisierungen und sorgen für eine faire und sozialverträgliche Verteilung der Kosten.“

Zu guter Letzt muss die Politik aber offenkundig auch noch einiges tun, um für die CO2-Reduktion auch bei der Gebäudeerstellung zu sensibilisieren. Denn gerade mal etwas mehr als ein Viertel der Bauunternehmen messen überhaupt die CO2-Emissionen während des Lebenszyklus ihrer Projekte. Das geht aus dem kürzlich vorgestellten Nachhaltigkeitsbericht des Immobilienverbands RICS und dem World Built Environment Forum hervor. Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende von RICS Deutschland, fragt sich daher: „Wenn die CO2-Reduktion nicht Maßstab für die Auswahl von Materialien, Systemen und Komponenten bei Baumaßnahmen ist, wie sollen dann grüne und nachhaltige Produkte entstehen?“

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