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07.07.2022

21:00

Einzelhandel

Warum Familie Otto ausgerechnet jetzt nach Euroshop greift

Von: Erika Neufeld

Die Annahmefrist für die Aktionäre lief am 7. Juli ab. Investoren bieten rund 1,4 Milliarden Euro. Es besteht Hoffnung auf ein Comeback des stationären Handels.

Das Shopping-Center bei Frankfurt gehört zum Portfolio der Euroshop.Quelle: ECE

Main-Taunus-Zentrum

Das Shopping-Center bei Frankfurt gehört zum Portfolio der Euroshop.

Quelle: ECE

Die erste Frist für die Aktionäre der Deutschen Euroshop ist abgelaufen. Bis Donnerstag mussten sie entscheiden, ob sie dem Angebot des Private-Equity-Investors Oaktree und des Family Office der Familie Otto, der Cura Vermögensverwaltung, zustimmen wollten. Den Aktionären bieten die Investoren rund 22,50 Euro pro Aktie – was einem deutlichen Aufschlag von rund 40 Prozent zum Durchschnittskurs der letzten Monate vor der Veröffentlichung der Offerte bedeutet. Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Käufer zum Zuge kommen werden – und die angestrebte Mindestannahmeschwelle von 50 Prozent plus eine Aktie erreicht wird.

Mehr als 1,4 Milliarden Euro legt die Milliardärsfamilie Otto zusammen mit dem Finanzinvestor für die Mehrheit am Immobilienkonzern Deutsche Euroshop auf den Tisch. Vorstand und Aufsichtsrat haben sich bereits für die Annahme des Angebots ausgesprochen. Die Transaktion soll möglichst noch im dritten Quartal des Jahres über die Bühne gehen. Doch was steckt hinter dem Deal? Was macht die Deutsche Euroshop plötzlich so interessant?

Fakt ist, dass die Deutsche Euroshop in den zwei Jahren der Coronapandemie durch die Lockdowns und Einschränkungen für den Einzelhandel stark beeinträchtigt worden ist. Viele Mieter in den Einkaufszentren machten dicht oder mussten durch Mietzugeständnisse unterstützt werden. Vor Corona setzte dem Unternehmen der Onlinehandel immer stärker zu. Entsprechend entwickelte sich der Kurs des Unternehmens: Vor fünf Jahren lag der Kurs pro Aktie noch bei rund 35 Euro. Bis zum Lockdown 2020, wo auch der Aktienkurs der Deutschen Euroshop einbrach, schwankte der Wert zwischen 24 und 31 Euro pro Aktie.

Der gebotene Preis erscheint manchem Investor vor diesem Hintergrund deutlich zu niedrig. „Der innere Wert der Deutschen Euroshop liegt deutlich über dem Übernahmeangebot“, sagt Georg von Wallwitz, Fondsmanager und Geschäftsführer von Eyb und Wallwitz in München. „Sollte der Kurs in die Nähe des inneren Wertes kommen, würde ich verkaufen.“ Wie hoch er diesen Wert einschätzt, dazu will sich der Experte jedoch nicht äußern.

Unternehmer Alexander Otto sollte jedenfalls wissen, worauf er sich einlässt: Er hält bereits rund ein Fünftel an der Hamburger Firma und ist deren größter Einzelaktionär. Der anhaltende Gegenwind, mit dem der Einzelhandel zu kämpfen hat, habe das Unternehmen zuletzt daran gehindert, das Potenzial seiner ansonsten erfolgreichen und konservativen Strategie voll auszuschöpfen, heißt es aus dem Family Office der Familie.

Nun soll es wieder besser laufen. Das Bieter-Konsortium glaubt, dass das Schlimmste für die Firma vorbei ist – und der Zeitpunkt für eine Übernahme günstig. „Die Deutsche Euroshop hat ein qualitativ hochwertiges Portfolio, das unserer Meinung nach wegen eines seit mehreren Jahren andauernden Ausverkauf des gesamten Einzelhandelssektors von den Kapitalmärkten unterbewertet wird“, sagt Oaktree-Manager Ben Bianchi bei der Vorlage der Offerte.

Tatsächlich stehen die beiden Groß-Investoren damit nicht allein. Nach Angaben von Colliers wurden in Deutschland im ersten Quartal 2022 Einzelhandelsimmobilien für 2,4 Milliarden Euro transferiert. Das sei das drittbeste Ergebnis seit 2017 gewesen – und entspreche einer Verdoppelung des schwachen Jahresauftaktes von 2021. Insgesamt halte das Einzelhandelssegment in den ersten drei Monaten des Jahres insofern mit der hohen Dynamik am deutschen Investmentmarkt Schritt, der über alle Assetklassen hinweg ebenfalls eine Verdoppelung des Transaktionsvolumens verzeichnete, wie Colliers ausführt.

So wetten die Familie Otto und Oaktree nun auf ein Comeback. Angetrieben durch den Online-Handel und verstärkt durch die Corona-Pandemie stecke der Einzelhandel zwar schon seit Jahren in einem strukturellen Wandel. „Der traditionelle stationäre Einzelhandel – und insbesondere Einkaufszentren – haben jedoch eine echte Chance, von diesen langfristigen Trends zu profitieren“, so der Sprecher der Bietergemeinschaft. Shoppingcenter hätten ihre große Zeit von den 1970ern bis in die 2010er Jahre gehabt, glaubt von Wallwitz. Nun würden sie zwar allgemein gemieden, sowohl von Kunden als auch von Investoren. Doch das schreie „nach einem Turnaround“, vermutet der Investor.

Tatsächlich kann sich das Portfolio des SDAX-Unternehmens Deutsche Euroshop, seit 1997 auf dem Markt und seit 2001 an der Börse, sehen lassen: Es beinhaltet ausschließlich und insgesamt 21 Einkaufscenter in deutschen und europäischen zentralen Lagen. Die Standorte verfügen damit meist über große Einzugsgebiete und bieten Potenzial für eine dauerhaft stabile Wertentwicklung. Unter den investierten Objekten sind etwa das Main-Taunus-Zentrum bei Frankfurt, die Altmarkt-Galerie in Dresden und die Galeria Baltycka in Danzig.

Doch seit Jahren schon konkurriert der Onlinehandel mit dem stationären Einzelhandel. So lag die Wachstumsrate des Onlinehandels zwischen 2015 und 2019 bei 9,5 Prozent pro Jahr. Die Corona-Pandemie beschleunigte den Trend weiter, wie aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen. Die Umsätze lagen 2020 mit 23,8 Prozent deutlich über denen des Vorjahres. Dagegen fallen die Wachstumsraten des stationären Einzelhandels mit 1,9 Prozent deutlich niedriger aus.

Wie müssten sich Shoppingcenter aufstellen, um zukunftsfähig und für Investoren interessant zu bleiben? Von Wallwitz etwa sieht Potenzial in der Umwidmung von Einzelhandelsflächen. „Eine gemischte Nutzung bietet sich an: Die oberen Etagen könnten in Hotels oder Wohnungen umgewandelt werden. Durch Kinos kann mehr Leben in die Situation gebracht werden. Die Einzelhändler können den Standort nutzen, um Online-Bestellungen schnell zu erfüllen.“ Die Liste der Möglichkeiten, diese Immobilien intelligenter zu nutzen, sei sehr lang.

Ein Selbstläufer wird der Deal nach Ansicht von Dirk Hoenig-Ohnsorg, Head of Retail Investment bei Colliers, allerdings nicht. Für innerstädtische Wohn- und Geschäftshäuser sowie Einkaufszentren mit hohem Non-Food-Anteil ist er skeptisch. „Diese litten schon in Vor-Corona-Zeiten unter Umsatzrückgängen, in deren Folge auch die Spitzenmieten sanken“, argumentiert der Experte. Die auf ein Rekordniveau gestiegene Inflation dürfte den ersehnten „Nachhol-Konsum“ der Pandemie-Phase deutlich senken. „Die Renditespreizung wird sich daher im aktuellen Krisenumfeld weiter verfestigen.“

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