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03.02.2023

16:11

Energetische Sanierung

Matrix-Immobilien-Chef Schaer setzt auf Sanierung statt Neubau

Von: Katja Bühren

PremiumDie energetische Sanierung von Gebäuden ist oft aufwendig und teuer. Für den geschäftsführenden Gesellschafter der Matrix Gruppe führt aber kein Weg daran vorbei.

Martin Schaer

Martin Schaer

Es gibt viele Details, an denen die Revitalisierung eines Bestandsgebäudes scheitern kann, sagt Schaer.

(Foto: Jan Northoff)

Denkmalschutz, energetisch kritischer Zustand, fast 40.000 Quadratmeter Bürofläche, die derzeit noch von einem Mieter genutzt werden: Die Sanierung des Hamburger Arne-Jacobsen-Hauses „ist eine Herausforderung, keine Frage“, sagt Martin Schaer im Interview mit Handelsblatt Inside Energie & Immobilien. Dennoch hat Matrix Immobilien die von dem bekannten dänischen Architekten und Designer Arne Jacobsen entworfene markante Immobilie in der Bürostadt City Nord 2019 erworben und plant seitdem die Revitalisierung.

Das ist eine Reise, „auf der wir unheimlich viel gelernt haben“, sagt Schaer. Und auf der bereits Lösungen für einige Herausforderungen gefunden wurden, zum Beispiel für den Brandschutz. Aber: „Das funktioniert nicht immer“, weiß Schaer. So seien zum Beispiel manche Auflagen in den Landesbauordnungen im Bestand nicht wirtschaftlich umsetzbar. Ein Treppenhaus in einem Bestandsgebäude lasse sich „nicht mal eben so verbreitern, weil heute die Fluchtwege 30 Zentimeter breiter sein müssen“.

Deshalb seien Ausnahmeregelungen nötig, um den Bestand zu erhalten, manche Länder arbeiteten bereits daran. Langfristig geht Schaer davon aus, dass sich der Blick der Branche trotz der zahlreichen Herausforderungen verstärkt auf den Bestand richten wird.

Lesen Sie hier das Interview mit Matrix-Chef Martin Schaer:

Herr Schaer, Matrix Immobilien will das denkmalgeschützte Arne-Jacobsen-Haus revitalisieren. Haben Sie sich da nicht einen ganz schönen Klotz ans Bein gebunden?
Ganz und gar nicht. Für uns als kleines Unternehmen ist das jedoch eine Herausforderung, keine Frage. Aber wir gehen das Thema Bestandssanierung seit Jahren sehr konsequent an und haben eine hohe Lernkurve sowie starke Partner.

Entworfen hat das 153 Meter lange und 44 Meter hohe Gebäude in den 1960er-Jahren der bekannte dänische Architekt Arne Jacobsen. Was macht die Revitalisierung so besonders?
Zunächst steht das Gebäude unter Denkmalschutz und ist bisher nur auf einen Nutzer ausgerichtet. Der energetische Zustand ist kritisch. Und dann betrug die Restlaufzeit des Mietvertrags mit dem vorherigen Eigentümer Vattenfall zum Zeitpunkt des Ankaufs fünf Jahre. Das ist für einen klassischen Bestandskäufer zu kurz und für einen Projektentwickler eigentlich zu lang. Da haben sich nicht viele herangetraut. Wir haben das als perfekte Ausgangslage gesehen.

Energetische Sanierung

Arne-Jacobsen-Haus

Der Architekt Arne Jacobsen hat ein schlaues Konzept für das nach ihm benannte Hamburger Bürogebäude erarbeitet. Deshalb lassen sich dort moderne Büroflächen umsetzen. (Foto: AJH GmbH)

Warum?
Durch den laufenden Cashflow hatten wir die Möglichkeit, das Projekt richtig zu verstehen. Wir sind intensiv in die Planungen eingestiegen, haben mit KSP Engel Architekten ein Büro gefunden, das sich mit dem Thema auskennt, und eine intensive Diskussion mit dem Denkmalschutz geführt. Auf dieser Reise haben wir wahnsinnig viel gelernt.

Was waren die wichtigsten Erkenntnisse in diesem Prozess?
Wir sind schon im Vorfeld zu dem Schluss gekommen, dass sich der Bestandserhalt lohnt. Arne Jacobsen hat ein schlaues Gebäudekonzept erarbeitet. So erreichen wir die Flexibilität in den Flächen, die heute für moderne Bürogebäude erforderlich ist. Außerdem haben wir zusammen mit der Denkmalbehörde viel über das Gebäude gelernt. Aus dieser Erkenntnis ist zum Beispiel die Möglichkeit erwachsen, die alte Fassade gegen eine energetisch optimierte, optisch aber identische, auszutauschen.

War der Denkmalschutz eine der größten Hürden, die Sie überwinden mussten?
Ja. Das Gebäude ist pauschal unter Denkmalschutz gestellt worden. Aus unserer Sicht war diese Pauschalität aber nicht sinnvoll, weil seit 1969 mehrfach umgebaut worden ist. Das Denkmalamt ist mit uns in einen konstruktiven Diskurs gegangen, in den auch das Nachfolgebüro von Arne Jacobsen eingebunden war. Der zwei Jahre dauernde Dialog kam zu dem Ergebnis, dass es genau definierte geschützte Bereiche gibt und wir auf den Geschossen die Chance haben, marktgerechte Flächen zu entwickeln.

Gab es weitere Punkte, die Ihre Planungen auch hätten durchkreuzen können?
Dazu gehört der Brandschutz. Aber weil wir das Gebäude mit einer Sprinkleranlage ausstatten, ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, zum Beispiel eine höhere Flexibilität der Flächenzuschnitte. Auch die flache Brüstung in der Fassade, die normalerweise die Vorgaben nicht erfüllen würde, können wir erhalten. Das sind Aspekte, die entscheidend für das Scheitern oder den Erfolg eines Projekts sein können.

Oft scheitern Revitalisierungen, weil die nötigen Anpassungen hohe Kosten verursachen. Lässt sich die große Masse an bestehenden Bürogebäuden deshalb überhaupt zu modernen Arbeitswelten umbauen?
Das funktioniert nicht immer. Von statisch notwendigen Brandwänden bis zur Breite von Fluchtwegen in Treppenhäusern gibt es ganz viele Details, die die Revitalisierung massiv einschränken können.

Spielen Sie auf die vielen Auflagen in den Landesbauordnungen an, die Bestandsgebäude nach einer Revitalisierung erfüllen müssen?
Genau. Die Landesbauordnungen sind in der Regel gar nicht auf die Revitalisierung von Bestandsgebäuden ausgerichtet, sondern auf Neubauten. Aber in einem Gebäude aus den 1980er-Jahren lässt sich das Treppenhaus nicht mal eben so verbreitern, weil heute die Fluchtwege 30 Zentimeter breiter sein müssen. Da kann ich es gleich ganz abreißen. Sie werden solche Projekte also nur umsetzen können, wenn zum Beispiel über Ausnahmeregelungen wirtschaftlich sinnvolle Lösungen darstellbar sind.

Wird sich die Branche trotz der finanziellen Herausforderung verstärkt auf das „Abenteuer Bestandssanierung“ einlassen?
Ich glaube nicht, dass eine Bestandssanierung teurer ist als ein Neubau – aber sie ist auch nicht wesentlich günstiger. Entscheidend ist die Frage: Wie viel vom Rohbau lässt sich ohne große Umbauten verwenden?

Die Kosten für Neubauten sind deutlich gestiegen und die Forderung, bei der Berechnung des CO2-Fußabdrucks auch die Emissionen während der Bauphase zu berücksichtigen, wird immer lauter. Wird die Branche auch deshalb den Fokus verstärkt auf den Bestand richten?
Meine Prognose ist, dass die Preise für Materialien mit hohen CO2-Emissionen in der Produktion mittelfristig deutlich steigen werden – wie zum Beispiel bei Beton. Das führt automatisch dazu, dass der Rohbau viel teurer wird. Dann wird es auch aus wirtschaftlicher Sicht interessanter, über den Erhalt nachzudenken. Außerdem sehen wir in ein paar Jahren für ökologisch nachhaltige Bestandssanierungen günstigere Finanzierungen als für einen CO2-intensiven Neubau. Und auch die Förderung spielt hier eine große Rolle.

Die Bundesförderung wird bereits auf die energetische Sanierung ausgerichtet. Bemerken Sie, dass sich auch der Blick der Länder und Kommunen auf den Bestand richtet?
Ja. Hamburg arbeitet zum Beispiel an einer Novelle seiner Bauordnung, die mehr auf den Bestand ausgerichtet sein soll. Anderenorts wird dazu ähnlich diskutiert. Aber um es vorsichtig zu formulieren: Wir haben grundsätzlich ein Effizienzproblem in der deutschen Genehmigungspraxis. Außerdem sind die Bauämter hoffnungslos unterbesetzt. Es bräuchte also einen Shift zu einer intelligenten und praxisorientierten Klimaschutz-Denke.

Ist die in der Immobilienbranche bereits angekommen?
Die Bereitschaft von Investoren über Bauherren bis zu Projektentwicklern ist mittlerweile sehr hoch, innovative Wege zu gehen. Das ist nicht unbedingt charakteristisch für die sonst sehr träge Branche.

Gilt das auch für die vielen Standardimmobilien von Büros über Wohnungen bis zu Einzelhandelsobjekten?
Dafür sorgt die Regulatorik. Auch die Digitalisierung wird das fördern. Ich erwarte eine extreme Disruption der Branche in vielerlei Hinsicht. Die aktuelle „Krisensituation“ ist ein Punkt, wo so ein Wandel ansetzen kann.

Vielen Dank für das Interview.

Erstpublikation: 20.1.2023, 06:15 Uhr.

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