Millionen ältere Wohnhäuser in Deutschland lassen sich ohne großen Aufwand dämmen. Auch die Kosten sind bei dieser Methode überschaubar.
Energetisch sanieren
Millionen ältere Gebäude in Deutschland sind schlecht gedämmt.
(Foto: Imago)
Voriges Jahr schaute Albert Hartmann zu, wie bei seinem Nachbarn die Fassade gedämmt wurde. Männer standen auf Leitern, bohrten Löcher in die Wände, steckten einen Schlauch hinein und bliesen Dämmstoff ein. Das machte ihn neugierig. Er ging an den Zaun und fragte den Bauleiter: „Können Sie gleich rüberkommen und mir auch ein Angebot machen?“
Dass es auch in seiner Fassade Hohlräume gibt, wusste der Berliner. Als vor Jahren ein Mauerstein in der Fassade locker geworden war, entdeckte er dahinter einen Luftspalt. Zweischaliges Mauerwerk nennt sich diese Konstruktion von Außenwänden: Eine tragende Wand liegt innen, eine zweite Wand ist ihr vorgesetzt – mit einem Abstand von meist sechs bis acht Zentimetern. So ist es auch in den Plänen des 1935 gebauten Hauses von Albert Hartmann eingezeichnet.
Das Angebot überzeugte ihn und die Firma blies im oberen Stockwerk Mineralwolle ins Mauerwerk ein. Im Erdgeschoss sind die Außenwände massiv gebaut. Nun, ein Jahr später, zieht Hartmann eine erste Bilanz: Sein Gasverbrauch hat sich um 13 Prozent verringert – von 30.000 auf 26.000 Kilowattstunden. „Vergangenen Winter war das Gas noch sehr teuer. Das hat mir fast 500 Euro Ersparnis gebracht. In Zukunft werden es vielleicht 350 bis 400 Euro pro Jahr sein – je nach Gaspreis“, sagt er. Gekostet hat ihn die Kerndämmung rund 2700 Euro. Weil er auch Fördermittel erhalten hat, werden sich die Kosten nach rund fünf Jahren amortisiert haben.
„Die Einblasdämmung ist grundsätzlich die günstigste Variante, die Fassade zu dämmen“, sagt Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Das Anbringen von Dämmplatten an der Außenwand ist aufwendiger: Dafür muss ein Gerüst aufgestellt werden, das Dämmmaterial muss zugeschnitten, die Platten müssen fugenlos befestigt und anschließend muss eine Armierungsschicht und darüber Putz aufgetragen werden. Das dauert mindestens eine Woche.
Dagegen ist ein Haus binnen eines Tages kerngedämmt: Eine Maschine bläst den Dämmstoff über Schläuche ein. Jede Lücke des Hohlraums wird gefüllt. Die Bohrlöcher mit 2,5 Zentimetern Durchmesser werden mit Kalkzement verschlossen und mit der jeweiligen Fassadenfarbe überstrichen. Kosten: rund 25 Euro pro Quadratmeter Fassadenfläche. Das Anbringen eines Wärmedämmverbundsystems kostet mehr als 100 Euro pro Quadratmeter, mitunter sogar 300 Euro pro Quadratmeter. „Wenn die Kerndämmung möglich ist, sollte man diese Methode wählen, weil sie kostengünstig ist und gut funktioniert“, sagt Metz.
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Albert Hartmann hat den Hohlraum im Mauerwerk seines Gebäudes mit Dämmmaterial füllen lassen. Seine Heizkosten haben sich dadurch deutlich reduziert.
(Foto: Ines Rutschmann)
Die Wärmeverluste eines Hauses verringern sich um rund 20 Prozent, wenn die Außenwände vollständig zweischalig sind. Trifft das nur auf eines von zwei Stockwerken zu, sind es rund zehn Prozent weniger. Mit einem Wärmedämmverbundsystem lassen sich größere Einsparungen erzielen. Denn: Je dicker die Dämmschicht, desto besser isoliert sie, aber desto teurer wird es auch. Werden 15 Zentimeter starke Dämmplatten an der Fassade angebracht, begrenzt das zudem den Lichteinfall durch die Fenster – es sei denn, sie werden im Zuge der Dämmung weiter nach außen gesetzt. Aber auch das erhöht die Kosten.
Rund 30 Prozent der Wohnhäuser in Deutschland haben nach Daten des Instituts für Wohnen und Umwelt ein zweischaliges Mauerwerk. Das sind mehr als fünf Millionen Gebäude. Sie wurden verstärkt nach dem Ersten Weltkrieg gebaut. Nach starkem Regen sollte die äußere Wand schnell trocknen können und die tragende, innere Wand nicht nass werden. Auch das Einsparen von Baumaterial war ein Grund, zweischalig zu bauen. Die meisten der entsprechenden Gebäude stehen in der nördlichen Hälfte von Deutschland. Aber auch in Baden-Württemberg und Bayern gibt es zahlreiche Häuser, die so errichtet wurden.
Obwohl die Kerndämmung seit den 1960er Jahren angewendet wird, sind die Hohlräume von vielen zweischaligen Gebäuden hierzulande noch nicht gedämmt. Rund 3,5 Millionen sind es laut einer Studie des Energieinstituts Hessen. Würden sie kerngedämmt, könnten rund 60 Terawattstunden Heizenergie pro Jahr eingespart werden, sagt Arnold Drewer, Geschäftsführer vom Fachverband Einblasdämmung, der die Studie in Auftrag gegeben hat. Das sind zehn Prozent des Heizenergieverbrauchs deutscher Haushalte. „Es gibt kein technisches oder ein anderes Argument, das nicht zu nutzen, sondern nur eines: Man kennt es nicht“, sagt Drewer.
Ob Außenwände zweischalig sind, ist nicht direkt zu erkennen. Allerdings sei in älteren Wohnhäusern so ein Mauerwerk häufig im Bauplan eingezeichnet, sagt Alexander Lichtenberg, Geschäftsführer der LIT Ausbau GmbH. Die Firma hat das Haus von Albert Hartmann gedämmt. Gibt es keinen Anhaltspunkt in den Unterlagen, werden die Außenwände im Bereich der Fenster gemessen. „Zwischen 30 und 38 Zentimetern sind sie meistens hohl, bei 38 bis 42 Zentimetern meist voll gemauert, ab 42 Zentimetern aufwärts können sie wieder hohl sein“, erklärt Lichtenberg.
Spricht alles für einen Hohlraum in der Außenwand, bohrt LIT ein kleines Loch hinein und prüft mit einem Endoskop, ob es im Hohlraum nur Luft oder auch Stein- oder Drahtbinder gibt. Je nachdem ist eher ein Granulat oder ein flockiger Dämmstoff geeignet. Alle Materialien für die Kerndämmung sind wasserabweisend. Es kommen mineralische Stoffe wie Glaswolle, Steinwolle oder Perlite und ummantelte Kunststoffe wie EPS infrage. Der Einsatz von Granulat ist allerdings nur sinnvoll, wenn die Fenster bereits erneuert wurden – andernfalls kann der Dämmstoff beim Fenstertausch herausrieseln. Ist das Mauerwerk nicht dicht, werden Öffnungen verschlossen, ehe gedämmt wird.
Interessieren sich Eigentümer für eine Einblasdämmung, kennen aber kein Unternehmen, können sie sich an die WDDH GmbH wenden. Die Abkürzung steht für Wir dämmen dein Haus. Mitarbeiter prüfen zunächst, ob es ein zweischaliges Mauerwerk gibt und beraten dann zu weiteren Möglichkeiten der Einblasdämmung. Je nach Preisvorstellung des Eigentümers und seinem Wunschzeitpunkt der Umsetzung leitet das Berliner Start-up einen Auftrag an eine kooperierende Handwerksfirma weiter – etwa LIT. „Das ist eine Prozessoptimierung für uns. Wir sind weniger im Außendienst tätig und können unseren Fokus auf die Baustellen legen“, sagt Lichtenberg.
Die Einblasdämmung funktioniert übrigens nicht nur bei zweischaligen Mauern. Sie lässt sich auch zwischen Dachsparren, in Dachschrägen, Holzbalkendecken und massive oberste Geschossdecken, die Kellerdecke und weitere Hohlräume wie Schächte und Drempel einfüllen. Allerdings kann dabei die Arbeit aufwendiger sein als bei einer Kerndämmung. Um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, wird in der Regel mehr Material benötigt als für das Dämmen von Außenmauern. Die Kosten amortisieren sich nach etwa zehn Jahren, wenn Fördermittel beansprucht werden.
Der Staat bezuschusst über die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) jede Dämmmaßnahme mit 15 Prozent. Wird diese in einem individuellen Sanierungsfahrplan (iSFP) empfohlen, erhöht sich der Zuschuss auf 20 Prozent. Ein Energieeffizienzexperte muss die Ausführung dann begleiten. Das ist nicht notwendig, wenn die steuerliche Förderung genutzt wird: Der Staat zieht dabei 20 Prozent der Kosten von der Steuerschuld ab, wenn der Eigentümer selbst im Haus wohnt.
Erstpublikation: 22.09.2023, 06:15 Uhr.
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