Crowd-Plattformen ärgern sich über extrem lange Genehmigungsprozesse der Aufsichtsbehörde. Die Bafin sieht die Ursache für die längere Bearbeitung bei den Anbietern.
Aufsichtsbehörde
Die Genehmigung der Vermögensanlagen-Informationsblätter durch die Bafin zieht sich zum Leidwesen der Anbieter teilweise extrem in die Länge.
Quelle: Imago
Vermittler von Schwarmfinanzierungen sind frustriert. Seit Monaten bekommen sie von der Finanzaufsicht Bafin so gut wie keine neuen Immobilienprojekte genehmigt. Der Grund: Obwohl sich ihrer Ansicht nach an den Immobilienprojekten an sich nichts verändert hat, gibt es zunehmend Korrekturschleifen. Das kostet Zeit und Geld. „Das Verwaltungshandeln der Bafin ist für manche Plattformen schlecht zu planen“, sagt Karsten Wenzlaff, Geschäftsführer vom Bundesverband Crowdfunding.
Die Ursache für den Missstand sehen einige Marktteilnehmer in der personellen Unter- und Umbesetzung der Bafin. Andere erklären sich das vorsichtige Agieren der Aufseher mit den jüngeren Anlageskandalen zu Wirecard und P&R, bei denen die Bafin kein gutes Bild abgegeben habe. Auch der Vorwurf, Schwarmfinanzierungen bewusst zu behindern, damit sie der Bankenbranche nicht zu viel Konkurrenz macht, steht im Raum.
Wenzlaff vermutet dagegen, dass die Bafin derzeit noch überprüft, wie das im Juli 2021 angepasste Anlegerschutzgesetz auszulegen ist. Demnach gilt ein Blindpool-Verbot bei Sachwert-Investitionen, außerdem müssen die Emittenten in solchen Fällen einen Mittelverwendungskontrolleur einschalten. „Es gibt eine starke Unsicherheit, was ein Blindpool genau ist. Die Bafin hat bislang nicht eindeutig definiert, wann ein Blindpool konkret vorliegt und wie sich normale Schwarmfinanzierungen von Blindpools abgrenzen“, erklärt Wenzlaff. Einige Plattformen hingen dadurch bei der Erstellung der Dokumente, die von der Bafin auf Vollständigkeit geprüft werden, mehr oder weniger im luftleeren Raum.
In den meisten Fällen reichen die Plattformen ein Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) ein, den sogenannten Beipackzettel. Auf maximal drei DIN-A4-Seiten müssen sie beziehungsweise die Emittenten die Anleger über das zu finanzierende Projekt ausreichend informieren. Die Inhalte sind weitestgehend standardisiert. Welche Mindestangaben zu machen sind, ist gesetzlich geregelt. Innerhalb von zehn Arbeitstagen nach Eingang der Unterlagen muss die Bafin mitteilen, ob sie den VIB genehmigt oder Einwände hat. Stellt sie Fehler fest, beginnt die Frist von vorne zu laufen, sobald die korrigierten Unterlagen eingereicht wurden.
War früher die Gestattung der VIBs allenfalls eine Formsache, die in wenigen Tagen oder Wochen über die Bühne ging, zieht sich der Prozess seit Einführung der Gesetzesänderung in die Länge. Geschlagene vier Monate musste ein Anbieter zuletzt auf die Genehmigung warten. „Davor hatten wir Freigabezeiten, die auch mal nur eine Woche betragen hatten. Das Verhalten der Bafin ist für uns geschäftsschädigend“, beklagt der Geschäftsführer der Plattform. Namentlich möchte er nicht genannt werden. Auch andere Crowdportale, mit denen Handelsblatt Inside Real Estate gesprochen hat, wollen anonym bleiben. Schließlich sei man vom Wohlwollen der Bafin abhängig, betonen sie.
Einige Plattformen fühlen sich von der Finanzaufsicht mitunter an der Nase herumgeführt. So sei es häufiger vorgekommen, dass die Bafin zum Ende der zehntägigen Bearbeitungsfrist minimale Änderungswünsche mitgeteilt hat, die erst nach mehreren Schleifen zur Zufriedenheit angepasst werden konnten oder teilweise dann doch wieder zurückgenommen wurden. Einige Plattformen berichten von einer uneinheitlichen Vorgehensweise der Bafin-Mitarbeiter. VIBs, die bereits durchgewunken und für eine neue Emission als Vorlage verwendet wurden, seien nach einem Wechsel des Sachbearbeiters beanstandet worden.
Besonders frustrierend sei, dass es kaum mehr Möglichkeiten für die Plattformen gebe, mit der Bafin in den direkten Dialog zu treten. „Wenn wir da anrufen, haben wir einen Sachbearbeiter dran, der uns vertröstet, weil sein Teamleiter nicht verfügbar ist. Entscheidungskompetenz sieht anders aus“, beklagt ein Anbieter.
Manche Plattformen haben sich bereits juristischen Rat eingeholt, ob sie rechtliche Schritte gegen die Bafin wegen Untätigkeit einleiten sollten. Das ist jedoch nicht möglich, weil sie lediglich als Vermittler auftreten. Ergo müssten die Emittenten, die über ihre Plattform Geld einsammeln, juristische Maßnahmen ergreifen. „Das macht aber niemand. Ein Projektentwickler hat andere Sorgen. Sein Geld bekommt der im Zweifel auch von woanders“, erklärt ein Schwarmfinanzierer.
Die Plattformen weisen über den Bundesverband Crowdfunding auf die Probleme hin. Die Liste der Forderungen ist lang und enthält unter anderem: ein einheitliches Verwaltungshandeln der Bafin, keine widersprüchlichen Angaben in den Gestattungsverfahren, klare Kriterien für die Abgrenzung von Blindpools und wann ein Mittelverwendungskontrolleur einzuschalten ist sowie eine Dialogbereitschaft der Bafin und eine stärkere Auseinandersetzung mit den Besonderheiten der Fintech-Geschäftsmodelle. „Wir sprechen mit der Politik darüber, auch mit der Bafin – und hoffen, dass unsere Vorschläge zur Klarstellung der Sachverhalte aufgegriffen werden“, sagt Wenzlaff.
Die Behörde wehrt sich gegen die Kritik. Die Behauptung, die Genehmigungsverfahren von VIBs stockten sehr stark und beeinträchtigten den Crowdinvestingmarkt, sei nicht zutreffend, teilt die Bafin auf eine Anfrage von Handelsblatt Inside Real Estate mit. 2021 seien von 316 eingereichten VIBs mit Immobilien 241 gestattet worden. Das geplante Emissionsvolumen beziffert die Bafin auf 288,5 Millionen Euro. Im Vergleich zu 2020 sei das keine signifikante Abweichung. Damals wurden 313 VIBs eingereicht, von denen 261 mit einem Volumen von 312 Millionen Euro genehmigt wurden.
Die von den Plattformen monierte lange Bearbeitungszeit sei auf die Qualität der eingereichten Dokumente zurückzuführen. Diskussionen während der Gestattungsverfahren mit den Plattformen beziehungsweise Rechtsanwälten über das Erfordernis eines Mittelverwendungskontrolleurs oder ob ein Blindpool vorliege, zögen die Verfahren in die Länge.
Nach Ansicht der Behörde habe sie die Marktteilnehmer zeitnah über die gesetzlichen Neuerungen informiert. So wurden unter anderem Mitte August 2021 ein Merkblatt zum Blindpool sowie im Oktober Erläuterungen zum Mittelverwendungskontrolleur veröffentlicht. Das Merkblatt soll im ersten Quartal 2022 aktualisiert und um neue Kategorien von Anlageobjekten erweitert werden. „Ein abschließender Katalog ist jedoch aufgrund der Vielzahl von Anlageobjekten weder möglich noch sinnvoll.“
Die Bafin betont, dass sie jederzeit offen für einen Dialog sei. Die Verbände der Crowdinvestingbranche seien ausdrücklich eingeladen, von dieser Dialogbereitschaft Gebrauch zu machen. Das werden sich die Plattformen vermutlich kein zweites Mal sagen lassen.
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