MenüZurück
Wird geladen.

30.06.2022

21:00

Immobilienmarkt

Büro-Immobilien: Wie groß ist das Risiko?

Von: Thorsten Firlus

Bis 2022 sind überdurchschnittlich viele Büroflächen geplant. Doch das Umfeld wird rauer. Die veränderte Arbeitswelt zwingt Entwickler zum Umdenken.

Das Gebäude ist ein Jahr vor Fertigstellung voll vermietet.Quelle: Interboden HPP Bloomimages PR

Holz-Hybridbau „The Cradle“

Das Gebäude ist ein Jahr vor Fertigstellung voll vermietet.
Quelle: Interboden HPP Bloomimages

Es ist ein Leuchtturm-Projekt der besonderen Art. 97,7 Prozent sämtlicher verbauter Materialien können später einmal in den Material-Kreislauf zurückgeführt werden, wirbt der Ratinger Immobilienentwickler Interboden für sein nachhaltiges Bürogebäude „The Cradle“ in Düsseldorfs Medienhafen. Das Argument scheint zu wirken. Ende Juni unterschrieb das Beratungsunternehmen FSG Global einen Mietvertrag für das Holz-Hybridgebäude – das damit ein Jahr vor der Fertigstellung voll vermietet ist.

Doch so gut wie bei „The Cradle“ läuft es längst nicht mehr überall in Deutschland. „Nach wie vor zeigt sich der Büromarkt stabil“, betont zwar Marcel Crommen, Geschäftsführer von NAI apollo. „Doch wir spüren an vielen Stellen bereits Verunsicherung.“ Der Ukrainekrieg, schwer zu kalkulierende Bau- und Investitionsaktivitäten und die pessimistischeren Konjunkturprognosen führten dazu, dass sowohl Kauf- als auch Anmietungsentscheidungen verzögert getroffen würden. „Wir rechnen insgesamt mit einem eher verhaltenen Jahr auf den Büromärkten.“

„Eine Lage wie heute war seit Jahren nicht mehr da, so viele Variablen befinden sich im Limbo“, sagt Oliver Schweizer, Leiter des Immobiliensektors bei EY. „Die letzte Variable war der Zinsentscheid der EZB, das verändert nochmal Investmentscheidungen und betrifft alle kommerziell entwickelten Immobilien“, sagt Schweizer.

Die Branche trifft das auf dem falschen Fuß. Über 5,7 Millionen Quadratmeter neuer Büroflächen werden nach Angaben des Immobilien-Investment-Managers Savills bis zum Ende des Jahres 2022 in Europa entstehen. Für das Folgejahr seien weitere 5,1 Millionen Quadratmeter Büroflächen geplant. Das seien jeweils rund 40 Prozent mehr als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre, betonen die Experten. Für die Anbieter kann das zum Dilemma werden: Während dieses Jahr bereits 49 Prozent der zur Fertigstellung geplanten Flächen vermietet seien, läge die Quote für das kommende Jahr erst bei 23 Prozent.

Wie wackelig ist der Markt derzeit also? Savills kommt in einem aktuellen Marktbericht zu dem Schluss, dass der Druck auf die globalen Büroinvestmentmärkte aufgrund des aktuellen makroökonomischen Umfeldes weiter zunehmen wird. Solide Fundamentaldaten dürften jedoch die Renditen in vielen Schlüsselmärkten weitgehend stabil halten. Dennoch warnen die Experten, dass in einigen Städten die Renditen aufgrund spezifischer lokaler Bedingungen auch eher sinken könnten.

„Die steigende Inflation hat den Fokus vieler Investoren auf Immobilien gelenkt“, sagt Oliver Salmon, Director of Capital Markets Research bei Savills. Außerhalb einiger europäischer Städte, in denen die Büromieten häufig indexgebunden sind, funktioniere diese Risikoabsicherung jedoch nur, wenn die Inflation mit einem robusten Wirtschaftswachstum einhergehe. „Die Preissetzungsmacht der Eigentümer hängt dabei von der Nachfrage der Nutzer ab, die in einigen Märkten ihren Flächenbedarf derzeit neu bewerten.“ Salmon sagt voraus: „Der Mangel an erstklassigen Büros – insbesondere in Europa und einigen asiatischen Märkten – könnte allerdings dazu beitragen, diese Trends auszugleichen und das Mietwachstum an einigen Standorten anzutreiben, sodass die Renditen auf dem derzeitigen Niveau bleiben.“

Dass man heute noch nicht so viele unmittelbare Auswirkungen sähe, habe auch etwas mit dem langen Nachlauf in der Branche zu tun, sagt Stephan Leimbach, Head of Office Leasing Deutschland bei JLL. „Das, was wir heute erleben an Abschlüssen ist vor einem Jahr passiert.“ Leimbach rechnet in einzelnen Segmenten des Markts mit einem Rückgang an Vermietungen, in anderen Lagen unter Umständen sogar mit einem Anstieg der Spitzenmieten, der mit der Verdichtung in den Stadtzentren zu tun hat, dort bleibe Fläche begehrt.

Auch Tobias Just setzt auf bestenfalls verhaltenen Optimismus. Der Geschäftsführer und wissenschaftliche Leiter der International Real Estate Business School (IREBS) an der Universität Regensburg hat für die Berenberg Bank Anfang des Jahres einen Ausblick auf den Markt nach Corona in sieben Szenarien geworfen. Damals reichte die Spannbreite noch von „günstig bis weniger günstig“. Nun haben sich mit Krieg, Zinserhöhungen und Baukosten jene Stressfaktoren entfaltet, die die negativen Szenarien wahrscheinlicher werden lassen. „Wer kann, wird momentan seine Neubauprojekte verschieben“, sagt Just. „Das sind aber alles keine Horrorszenarien für mich, aber eine Rezession würde auch die Büroimmobilienmärkte belasten.“

Langfristig sei für die Planung sowohl neuer Objekte als auch von Bestandsimmobilien wichtiger als die exakte Höhe der Kosten und Finanzierung, dass sich die Arbeitswelt weitreichend wandelt. Denn mit der Art, wie die Menschen arbeiteten, änderten sich auch die Ansprüche und der Bedarf an Büros. „Es ist möglich, aber nicht zwingend, dass weniger Fläche benötigt wird“, sagt Just. „Aber weil sich Nutzungen ändern, müssen sich auch Flächen anpassen; dies betrifft Design, Organisation und Betrieb der Flächen.“

Auch Stephan Leimbach sieht vor allem den veränderten Arbeitsmarkt als wichtiges Element für den Erfolg einer Büroimmobilie. „ESG-Kriterien werden viel nachgefragt. Aber auch der Wettbewerb um Mitarbeitende ist zentral“, sagt der Fachmann. Und dessen Wünsche nach guter Anbindung oder hybriden Formen des Arbeitens müssten Unternehmen kennen und entsprechend in Grundrisse und Ausstattung übersetzen.

„Das ist keine Raketenwissenschaft für Projektentwickler“, sagt Schweizer von EY. Die Firmen müssten nur verschiedene Typologien entwickeln. „Diejenigen, die das nicht können, werden Probleme bekommen am Markt.“

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×