Kater- oder Aufbruchstimmung? Mit diesen Erwartungen fahren Experten zur Immobilienmesse Expo Real, die am Mittwoch in München beginnt.
Branche mit großem Gesprächsbedarf
Ab dem kommenden Mittwoch treffen sich Zehntausende Immobilienprofis auf der Immobilienmesse Expo Real. (Foto: Messe München)
Die jüngsten Insolvenzen von Projektentwicklern zeigen deutlich, wie sehr die Bau- und Immobilienbranche derzeit in der Krise steckt. Die Bauträger und viele andere Firmen belastet der Mix aus stark gestiegenen Finanzierungs- und Baukosten, ungewisser Förderung, Fachkräftemangel und hohen Anforderungen des Klimaschutzes.
Hält die Katerstimmung in der Branche an, oder kommt bald der Aufschwung? Eine Antwort auf diese und viele weitere Fragen dürften Immobilienprofis suchen, wenn sie am kommenden Mittwoch durch die Drehkreuze auf das Gelände der internationalen Immobilienmesse Expo Real in München strömen. Immerhin zeige die stabile Anzahl von rund 1850 Ausstellern aus 36 Ländern, wie wichtig das internationale Treffen für die Branche ist, betont Stefan Rummel, Chef der Messe München. Die Messe könne zu keinem besseren Zeitpunkt stattfinden, glaubt Rummel. Sie sei „nicht nur in wirtschaftlich guten, sondern auch in schwierigen Zeiten die Plattform, Lösungen zu diskutieren und zu erarbeiten“.
Wie sehr die vielen Herausforderungen die Branche derzeit beschäftigen, zeigt auch die Umfrage von Handelsblatt Inside Energie & Immobilien. Immobilienprofis berichten, mit welchen Erwartungen sie zur Expo Real kommen, welche Themen die Gespräche dort aus ihrer Sicht bestimmen und welche Entwicklungen sie in der Immobilienbranche erwarten.
Die meisten Teilnehmer und Teilnehmerinnen betreten in der kommenden Woche wohl mit gemischten Gefühlen das Messegelände: besorgt angesichts der schwierigen Situation in der Branche und gleichzeitig hoffnungsvoll, dass die Gespräche vor Ort Klarheit bringen.
Als nervös bis vorsichtig beschreibt zum Beispiel Andreas Schulten vom Analyseunternehmen Bulwiengesa seine Stimmung vor dem Start der Expo Real. „Wir erwarten, dass sich die Branche in den Segmenten Investment, Bestandstransformation, Asset- und Property-Management durchaus weiter leicht erholen kann“, sagt er. Eine längere Krise werde es dagegen voraussichtlich im Bau und in der Stadtentwicklung geben.
Patrick Walcher, Bereichsvorstand Immobilienfinanzierung der LBBW, freut sich einerseits, Kontakte zu pflegen und neue aufzubauen. Aber er sagt auch, dass die Stimmung schon mal besser gewesen sei. „Das Jahr war bisher für viele Marktteilnehmer sehr herausfordernd und der Transaktionsmarkt deutlich schwächer als in den letzten Jahren“, so Walcher. Gedämpfte Erwartungen hat auch Victor Stoltenburg, Geschäftsführer der Deka Immobilien, an die Expo Real. „Allgemein dachten viele, dass der Markt zum Jahresende wieder anspringt. Diese Hoffnung hat sich aber in das Jahr 2024 verschoben“, erklärt er.
Wenn Thomas Beyerle sich auf den Weg nach München macht, hat der Research-Chef von Catella eine große Portion Realismus im Gepäck. Er erwartet, dass auf der Messe Lösungen aufgezeigt werden, wie die Branche in einen Wachstumszyklus kommt. „Damit meine ich weniger das Herbeibeten von Zinssenkungen, sondern echte, strukturverändernde Weichenstellungen wie zum Beispiel Bauen im Bestand, Einpreisung von Homeoffice-Wirkungen oder Rückbau von Shopping-Centern.“
Einen sehr hohen Gesprächsbedarf sieht auch Steffen Szeidl, Vorstandssprecher des Beratungsunternehmens Drees & Sommer. Es stehe mehr als je zuvor der Austausch im Mittelpunkt, um gemeinsam und im Schulterschluss schnelle und pragmatische Lösungen zu finden.
Gerade die Projektentwickler spüren die Krise am Immobilienmarkt. Trotzdem fährt Reiner Nittka, CEO des auf den Bau von geförderten und bezahlbaren Wohnungen spezialisierten Projektentwicklers GBI Group, zuversichtlich nach München: „Wir haben mit Henderson Park als neuem Gesellschafter zahlreiche Handlungsoptionen, auch in dieser wirtschaftlich schwierigen Marktlage.“ Nittka rechnet damit, dass sich in den kommenden Monaten zahlreiche Opportunitäten ergeben. Bereits Anfang des Jahres hatte er angekündigt, dass sein Unternehmen trotz der Krise weiter baue.
Das eine bestimmende Thema gab es auf der Expo Real noch nie, dafür würden wohl kaum 40.000 Menschen aus ganz Europa zusammenkommen, ist Bulwiengesa-Experte Andreas Schulten überzeugt. „Es ist ja in erster Linie ein soziales Happening.“ Auch die übrigen Experten nennen mehrere Aspekte, die für Diskussionsstoff sorgen.
Auf der „Klatsch-und-Tratsch-Ebene“ dürften laut Schulten weitere erwartete Insolvenzen von Projektentwicklern besprochen werden. Da auf der Expo Real viele Städte vertreten sind, könnten zudem die „schmerzhaften Lücken im Neubau und die gestresste Immobiliennachfrage“ wichtige Themen sein, so Schulten. Immerhin sei bereits von bis zu einer Million fehlenden Wohnungen bis Anfang 2026 die Rede – „ein Alarmsignal“, ergänzt GBI-Chef Reiner Nittka.
Ist von der lahmenden Bauwirtschaft die Rede, ist der Verweis auf die gestiegenen Zinsen nicht weit. Deshalb dürften die Finanzierung von Projekten – sei es nun Neubau oder Bestand – und die Bedeutung für die Immobilienmärkte Thema in vielen Gesprächen sein, so die Experten von LBBW und Berlin Hyp, Patrick Walcher und Sascha Klaus. So sieht es auch Victor Stoltenburg von Deka Immobilien: Es werde mit Blick auf Zinsen und Krise viel darüber gesprochen, „wie schlimm es noch werden wird – also zum Beispiel wer alles noch in Schwierigkeiten kommen könnte“.
Innovation Tours
Innovationen und digitale Lösungen gewinnen in der Immobilienbranche an Bedeutung. (Foto: Messe München)
Aber: „Abwarten, auf andere zeigen und über die schwere Marktsituation zu lamentieren oder über die fehlenden politischen Anreize wird uns sicher nicht weiterbringen“, sagt Drees-&-Sommer-Vorstand Steffen Szeidl. Deshalb gehe es auf der Messe auch darum, „Innovationen voranzutreiben, neue Wege zu gehen und einfach zu machen – die Klimakrise wartet nicht!“
Ähnlich sieht es Catella-Experte Thomas Beyerle: Es werde viel über die grüne Transformation im Bestand gesprochen – unter anderem über die Reduktion des Energieverbrauchs und des CO2-Ausstoßes, zirkuläre Ökonomie, Assetmanagement und bezahlbares Wohnen. Spektakuläre Projekte seien aktuell eher Ausstellungsstücke am Stand statt Türöffner für Investoren.
Ist die Expo Real der Auftakt für eine Erholungsphase in der Branche?
Er sei eigentlich ein sehr optimistischer Mensch, sagt Steffen Szeidl. Aber die Branche müsse sich wohl eher auf zwei bis drei härtere Jahre einstellen. Im Industriebereich sei die Auftragslage für die Bau- und Immobilienbranche zwar stabil – aber in den Segmenten Wohnen, Einzelhandel und Büros „sieht es weniger gut aus“. Und auch die Mitte September von der Europäischen Zentralbank (EZB) beschlossene Zinserhöhung werde eher nicht zu einer Entspannung der Lage beitragen.
Neben den rezessiven Tendenzen der deutschen und globalen Volkswirtschaft verunsicherten die Branche auch die Unberechenbarkeiten bei künftigen Förderungen, erklärt Andreas Schulten von Bulwiengesa. Patrick Walcher von der LBBW rechnet damit, dass es wohl noch bis 2025 dauert, bis die Branche wieder einen Aufschwung erlebt. Aber er sieht schon jetzt Positives: In vielen Segmenten passten sich die Preise bereits an die neue Realität an.
Das Ende dieser Phase sei dann die Grundlage dafür, dass die Transaktionsmärkte und auch der Neubau wieder anspringen. Immerhin habe die EZB auch deutlich gemacht, dass zumindest mittelfristig von ihr keine weiteren Zinsschritte zu erwarten seien, betont Deka-Geschäftsführer Victor Stoltenburg. „Deshalb besteht die Hoffnung, dass sich mittelfristig auch Angebot und Nachfrage wieder treffen.“
Catella-Research-Chef Thomas Beyerle erwartet, „dass es mit einer Markterholung deutlich schneller gehen wird als nach Lehman“. Allerdings sei die gute alte Marktphase der Nullzinsen definitiv vorbei. „Deshalb werden die Transaktionsvolumina in den kommenden 24 Monaten sicher wieder steigen, aber von Werten wie 2021 sind wir deutlich entfernt.“
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