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27.01.2023

06:15

Mobilitätskonzepte von Immobilien

So unterstützen Immobilien beim Umstieg vom Auto auf umweltfreundlichere Alternativen

Von: Katja Bühren

Damit Menschen vom Auto auf Rad, Bus oder Bahn umsteigen, braucht es attraktive Mobilitätskonzepte von Immobilien. Bestenfalls lässt sich damit Geld sparen.

Begrünte Stellplätze für Autos und Räder: Beim Projekt Lion sollen Bäume auf der Parkebene wachsen.(Foto: Filippo Bolognese Images)

Parkebene

Begrünte Stellplätze für Autos und Räder: Beim Projekt Lion sollen Bäume auf der Parkebene wachsen.

(Foto: Filippo Bolognese Images)

Verstopfte Straßen, Parkplatzmangel, hohe Benzinpreise oder auch der CO2-Ausstoß bringen immer mehr Menschen dazu, über Alternativen zum Auto nachzudenken. Das hat auch Auswirkungen auf die Mobilitätskonzepte für Immobilien. Um den Umstieg vom Pkw auf Rad, Bus, Bahn oder die Füße bei den Nutzern zu erleichtern, sollten die Alternativen möglichst komfortabel zur Verfügung stehen. Kommunen, Immobilieneigentümer und Projektentwickler benötigen deshalb attraktive Mobilitätskonzepte für Städte, Quartiere und Immobilien.

Wie wichtig ist ein Mobilitätskonzept für ein Immobilienprojekt?

Denn: Es sei wissenschaftlich belegt, dass Nutzer dem Angebot folgten, sagt Stefan Höglmaier, Geschäftsführer des Projektentwicklers Euroboden. Damit meint er: „Wenn ein attraktives Angebot für Fuß- und Radwege sowie die Öffentlichen da ist, dann wird das auch genutzt.“

Entsprechend passe Euroboden das Mobilitätskonzept an die Anforderungen der jeweiligen Projekte an, sagt Höglmaier. Auf dem Land könne zum Beispiel ein gutes Car-Sharing-Angebot dazu führen, dass Familien auf den Zweit- oder Drittwagen verzichten. In Innenstädten sei es leichter, mehrere alternative Angebote miteinander zu vernetzen, sodass Familien zum Teil ganz auf das Auto verzichten würden.

Wie verändern sich Immobilienprojekte durch die Mobilitätswende?

Das gelingt zum Beispiel beim Projekt Lion in Berlin-Kaulsdorf. Dort baut Euroboden nur für die Hälfte der 124 Wohnungen einen Pkw-Parkplatz. Das Erdgeschoss des Komplexes dient als Mobilitätsebene. Dort ist bei Tageslicht und in einem begrünten Umfeld nicht nur für (Elektro-)Autos, sondern auch für Fahrräder und Car-Sharing-Angebote Platz. Zudem ist das Projekt gut an den ÖPNV angebunden.

Das Konzept „deutlich weniger Pkw, dafür mehr Alternativen“ verfolgt auch HB Reavis. Der Fokus liegt dabei allerdings auf Büros. Beim Projekt DSTRCT.Berlin entfällt ein Großteil der Mietfläche von insgesamt 49.000 Quadratmetern auf einen Neubau. Der sei ursprünglich eher konservativ geplant worden, erzählt Oliver Fuchs, Country Development Director bei HB Reavis.

Mit der Übernahme des Projekts 2019 hat HB Reavis das Mobilitätskonzept laut Fuchs umgestrickt: Anstatt der ursprünglich geplanten zwei Untergeschosse mit 346 Parkplätzen für Pkw gibt es nur noch 146, ein Drittel ist mit E-Ladesäulen für Elektromobilität ausgestattet. Für Autos stehen jetzt nur noch zwei Drittel einer Parkebene zur Verfügung.

So ist Platz für alternative Angebote entstanden: Für 800 Fahrradstellplätze zum Beispiel, die über eine eigene Rampe zu erreichen sind. Auch Duschen und Umkleideräume gehören zum Angebot. Einer der Mieter nutzt einen aufgrund des geringeren Platzbedarfs entstandenen Hof mit Tageslicht als Veranstaltungsfläche.

Damit das Gebäude möglichst schnell und komfortabel mit dem ÖPNV zu erreichen ist, wurden über den Campus kurze und attraktive Fußwege zur nächsten Haltestelle angelegt. In Arbeit sei derzeit eine Jelbi-Mobilitätsstation. Darüber und mit Hilfe einer App des Anbieters würden verschiedene Sharing-Angebote in Berlin miteinander verknüpft, berichtet Fuchs.

Dort und auch bei anderen Projekten schaffe der Verzicht auf Pkw-Stellplätze zusätzlichen Platz, „den wir dringend brauchen“, sagt Fuchs. Sei es für ein attraktives und begrüntes Umfeld, für alternative Mobilitätsangebote oder für eine höherwertige Nutzung. Bestenfalls seien dadurch höhere Einnahmen zu generieren als durch die Vermietung von Pkw-Stellplätzen.

Wie viele Stellplätze sind nötig?

Auf der anderen Seite müssten aber auch die Mieter die Kombination aus verschiedenen Mobilitätsangeboten wertschätzen, ist er überzeugt. Die Angestellten zweier Mieter im DSTRCT.Berlin hätten zum Beispiel bei der gleichen angemieteten Größe der Büros ein sehr unterschiedliches Mobilitätsverhalten.

Anstatt der Stellplätze ist auf einem Teil der Parkebene im Projekt DSTRCT.Berlin eine Veranstaltungsfläche entstanden.(Foto: HB Reavis Germany)

Mehr Platz für eine attraktivere Nutzung:

Anstatt der Stellplätze ist auf einem Teil der Parkebene im Projekt DSTRCT.Berlin eine Veranstaltungsfläche entstanden.

(Foto: HB Reavis Germany)

Wie viele Stellplätze letztlich für die verschiedenen Mobilitätsangebote benötigt werden, hängt neben den Ansprüchen der Nutzer vor allem von der jeweiligen Stellplatzverordnung in den Städten und zum Teil auch den Bundesländern ab. Vielerorts ist genau festgelegt, wie viele Parkplätze für eine Wohnung oder ein Bürogebäude gebaut werden müssen. Und das kann teuer werden. Vor allem dann, wenn die Grundstücke in den Städten so klein sind, dass eine Tiefgarage gebaut werden muss, um die Anforderungen zu erfüllen.

In einem klassischen Mietshaus in einem Ballungsgebiet koste der Bau eines Tiefgaragenstellplatzes zwischen 22.000 und 26.000 Euro, im teuren München je nach Lage sogar bis zu 50.000 Euro, so Fuchs. Rein rechnerisch mache das einen Anteil an den Gesamtkosten von durchschnittlich mehr als neun Prozent aus, die letztlich auf die Kaufpreise und Mieten aufgeschlagen würden, heißt es in einer vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr herausgegebenen Broschüre „Mobilitätskonzepte in neuen Wohnquartieren“. Die bezieht sich bei den Kosten auf Berechnungen aus dem Jahr 2015. Aufgrund der seitdem deutlich gestiegenen Baukosten dürfte der Bau deshalb heute noch teurer sein.

Lassen sich mit einem guten Mobilitätskonzept Kosten und CO2 sparen?

Eine geringere Anzahl an Stellplätzen kann Kosten sparen und erleichtert zudem die Nachverdichtung auf Grundstücken. „Manches Projekt wird erst möglich, wenn man komplett auf die teure Tiefgarage verzichten kann“, weiß Höglmaier. Berlin ist hier aus Sicht der beiden Projektentwickler als positives Beispiel zu nennen. Denn dort gebe es keine Vorgaben für die Anzahl der Pkw-Stellplätze.

Und in Zeiten, in denen alternative Fortbewegungsmittel ohnehin attraktiver werden, stellt sich für Fuchs und Höglmaier ohnehin die Frage, ob die Vorgaben zur Anzahl der Stellplätze nicht längst überholt sind. Auch mit Blick auf die CO2-Emissionen. Denn jeder abgeschaffte private Pkw spare im Durchschnitt 2,5 Tonnen CO2 pro Jahr, heißt es in der Analyse des Bayerischen Staatsministeriums. Hinzu kommen die Emissionen beim Bau: Wird auf die Tiefgarage verzichtet, reduziert sich der Bedarf an der CO2-Schleuder Beton erheblich.

Zumal die Stellplätze unter der Erde künftig vielleicht gar nicht mehr benötigt werden, weil Pkw-Fahrer zunehmend auf alternative Fortbewegungsmittel umsteigen. „Wir können das Risiko nicht eingehen, eine Tiefgarage zu bauen, die wir nur noch fünf bis zehn Jahre vermieten können“, sagt Fuchs. So schätzt es auch Höglmaier ein, der zudem keine sinnvolle Umnutzungsmöglichkeit sieht.

Worauf es beim Umsetzen der Mobilitätskonzepte laut Fuchs aber auch ankommt, ist die Zusammenarbeit mit der Verwaltung. Da bei der Planung viele Ämter einbezogen werden müssen, „braucht es viel Abstimmung mit unglaublich vielen Beteiligten“, sagt er. Und manchmal scheitere ein Mobilitätskonzept für eine Immobilie auch daran, dass es zum Beispiel keine passende Anbindung an den ÖPNV oder Radwege gebe. Deshalb ist es aus seiner Sicht „extrem notwendig, dass die Politik die Rahmenbedingungen anpasst. Es braucht eine gleichwertige Behandlung aller Mobilitätsangebote.“

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