Die Bafin will den Finanzsektor widerstandsfähiger machen und den Preisauftrieb am Wohnungsmarkt eindämmen. Immobilienexperten rechnen jedoch nicht damit, dass die Dynamik nachlassen wird.
Einfamilienhäuser
Die Zinsen für Hauskredite werden infolge der Bafin-Beschlüsse nicht maßgeblich steigen, sind Immobilienexperten überzeugt.
Quelle: Handelsblatt/Katja Bühren
Die von der Bankenaufsicht Bafin jüngst beschlossenen höheren Kapitalanforderungen für Wohnungsfinanzierungen werden nach Einschätzung von Immobilienexperten allenfalls zu geringen Bremseffekten am Wohnungsmarkt führen. Ab Februar 2023 müssen alle Banken bei der Vergabe von Krediten, die mit Wohnimmobilien besichert sind, 2,75 Prozent zusätzliches Eigenkapital vorhalten. In der Folge dürften sich die Kreditkonditionen für Bankkunden verschlechtern.
„Vermutlich schadet es am ehesten den potenziellen Selbstnutzern, die ohnehin schon Finanzierungsprobleme und insbesondere zu wenig Eigenkapital haben“, sagt Reiner Braun, Vorstandsvorsitzender von Empirica. Deshalb vermutet er, dass – wenn überhaupt – nur die Nachfrage nach Einfamilienhäusern von diesen Regelungen betroffen sein könnte. Der Markt für Mehrfamilienhäuser, die hauptsächlich von eigenkapitalstarken Investoren erworben werden, wären kaum tangiert.
Ob sich auch was auf der Seite der Kapitalanleger tun wird, werde maßgeblich von der Entwicklung der Kreditkonditionen abhängen. „Solange die Zinswirkung gering bleibt, wird eher wenig passieren. Wenn die Wirkung zu groß ist oder zu schnell kommt, kann aber ein Kipppunkt überschritten werden“, erläutert Braun.
Mit einer deutlichen Veränderung der Kreditkonditionen ist laut Tobias Just, Geschäftsführer der Irebs Immobilienakademie, jedoch nicht zu rechnen. Dafür sei der Wettbewerbsdruck in der Wohnungsfinanzierung einfach zu groß. Just verweist auf die Frühphase der Pandemie, als die im Wohnungssegment gestiegenen Margen rasch wieder erodiert seien. Das spräche dafür, dass der Zinsdruck nach oben begrenzt bliebe. „Wahrscheinlich werden die Auswirkungen auf den Gesamtmarkt gar nicht so groß sein, wohl aber bei Einzelinstituten“, sagt Just.
In die gleiche Richtung argumentiert Louis Hagen, Vorstandschef der Münchener Hypothekenbank und Präsident des Verbands deutscher Pfandbriefbanken. Die meisten Banken seien ausreichend kapitalisiert, neues Kapital müssten sie nicht extra aufnehmen. Bei ihnen würden sich die höheren Kapitalanforderungen nicht maßgeblich auf die Konditionen auswirken. „Es kann aber natürlich sein, dass es das eine oder andere Institut geben wird, das zusätzliches Eigenkapital benötigt und die höheren Kostenanteile in die Kreditkonditionen einfließen lässt. Dass das wiederum wesentlich die Marktzinsen beeinflussen wird, glaube ich aber eher nicht“, sagt Hagen im Interview mit Handelsblatt Inside Real Estate (siehe unten).
Just geht deswegen auch nicht von einem abrupten Ende des Wohnungsbooms, sondern allenfalls von leichten Bremseffekten aus. Weil zurzeit eigenkapitalstarke Investoren dominant seien, rechnet er mit einer weiteren Verschiebung zugunsten dieser Akteure. Darunter leiden würden auf der anderen Seite eigenkapitalschwache private und institutionelle Investoren. Letzteres sei unproblematisch, Ersteres wäre „verteilungspolitisch bedenklich, da der Zugang zu Wohneigentum erschwert werden könnte“.
Außerdem könnten die erhöhten Kapitalanforderungen für Banken dafür sorgen, dass die Nachfrage nach alternativen Kreditgebern und Mezzanine-Finanzierungen steigt. „Dies ist aber angesichts der erreichten Preise und Wettbewerbsintensitäten für viele nicht einfach möglich, weil Mezzanine deutlich teurer ist als klassisches Fremdkapital. Der Effekt sollte also nicht zu groß sein“, meint Just.
Erzielen die Maßnahmen der Bafin nicht die gewünschte Wirkung in Form von einer sich abschwächenden Preisdynamik am Wohnungsmarkt, könnten noch schärfere Regeln folgen. Die Aufsicht werde in engem Austausch mit dem Finanzstabilitätsrat, in dem neben der Bafin auch Vertreter der Bundesbank und dem Finanzministerium sitzen, die Entwicklung der Kreditvergabestandards fortlaufend analysieren. „Sollte sich herausstellen, dass Kreditvergabestandards übermäßig gelockert werden, kann die Aufsicht verbindliche Maßnahmen zur Kreditvergabe erlassen“, heißt es in einer Mitteilung der Bafin. Als Beispiel nennt die Behörde die Einführung von Obergrenzen beim Verschuldungsgrad (LTV).
Für Empirica-Chef Braun ist die Sache klar: „Wenn die erste Maßnahme keine Wirkung zeigt, folgt die nächste.“ Mit der aktuellen Verschärfung werde ja zunächst nur das Risiko verkleinert, dass Banken im Ernstfall zu wenige Rücklagen haben. Just erwartet schärfere Maßnahmen für den Fall, dass die Preise weiterhin stärker steigen als die Mieten, „was angesichts des Anlagedrucks durchaus möglich ist“.
Von den Immobilienverbänden hagelt es Kritik am Vorgehen der Finanzaufseher. Jürgen Michael Schick, Präsident des IVD, hält den Vorstoß angesichts der geringen Gesamtverlustrate der Banken bei Wohnimmobilienkrediten für nicht nachvollziehbar und kontraproduktiv. Er rechnet damit, dass die Banken die höheren Eigenkapitalkosten auf das Neugeschäft umlegen werden. Durch die damit einhergehende sinkende Erschwinglichkeit würden viele private Bauherren von der Eigentumsbildung ausgeschlossen. „Damit fällt die Bafin der Bundesregierung in den Rücken, deren Ziel es ist, jährlich 400.000 Wohnungen zu schaffen. Dieses ambitionierte Ziel ist ohne private Investitionen in die Eigentumsbildung nicht erreichbar.“
Nach Ansicht des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) vergisst die Aufsicht bei der Einführung der Kapitalmaßnahmen, dass die Preisanstiege auf dem Wohnungsmarkt vielerorts vor allem die Folge von Wohnraummangel, Baulandknappheit, steigenden Bau- und Materialkosten sowie insbesondere seit Langem extrem niedriger Zinsen seien. Außerdem existierten in Form der Beleihungswertermittlungsverordnung und der Wohnimmobilienkreditrichtlinie bereits strenge Vorgaben für die Vergabe von Wohnimmobilienkrediten. Zusätzlich stehe die Umsetzung von Basel III mit ebenfalls strengeren Kapitalanforderungen noch aus. In der Summe werden diese Maßnahmen die Realwirtschaft und damit auch die Immobilienwirtschaft hart treffen, befürchtet der Branchenverband. „Ein maßvoller und evidenzbasierter Umgang mit Systemrisiken wäre daher das geeignetere Instrument bei der Einführung weiterer Kapitalmaßnahmen statt einer pauschalen Festsetzung von sektoralen Kapitalpuffern.“
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