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16.12.2022

06:15

Strukturwandel

Warum die Hotel-Branche der Retter der Innenstädte sein könnte

Von: Christoph Scherbaum

Innenstädte verwandeln ihr Gesicht derzeit in hohem Tempo. Neue Hotelkonzepte können Lücken füllen, die Kaufhäuser und andere Handelskonzepte hinterlassen.

In einem Obergeschoss des Stuttgarter Stadtkaufhauses Gerber eröffnet voraussichtlich im Frühjahr 2023 Ruby Hotels.(Foto: IPH Handelsimmobilien)

Attraktive Ergänzung:

In einem Obergeschoss des Stuttgarter Stadtkaufhauses Gerber eröffnet voraussichtlich im Frühjahr 2023 Ruby Hotels.

(Foto: IPH Handelsimmobilien)

In den deutschen Innenstädten waren über viele Jahrzehnte große Kaufhäuser eine dominante Konstante, um die sich andere Nutzer gern gruppierten. Heute kommen Konsumtempel, wie Karstadt oder Kaufhof sie einst waren, kaum noch in Frage – Grund ist der dramatische Strukturwandel im Handel. Er trägt immer weniger zu zukunftsgerichteten und stabilen City-Entwicklungen bei.

Viele Städte sind daher gezwungen, mit neuen Immobilienkonzepten den Leerstand von Flächen zu verhindern – oder auch, dass ganze Quartiere brach fallen. Das ruft immer öfter die Hotel-Immobilienbranche auf den Plan.

„Gute Hotelkonzepte sind eine attraktive Ergänzung für Quartiere oder Multi-Use-Immobilien: Es profitieren nicht nur die unmittelbaren Nachbarn, sondern auch die Städte insgesamt“, sagt Dirk Schuldes vom Vermögensverwalter Commerz Real. „Hotels können die Innenstädte beleben, vor allem zu Tageszeiten, an denen sonst eher weniger los ist.“

Wie Hotelkonzepte die vorhandene Stadtstruktur retten können, zeigen diverse Beispiele. Eines davon ist das Projekt Fürst in Berlin – der nach dem Kurfürstendamm benannte Nachfolger des Ku’damm-Karrees und eines der größten und teuersten Bauvorhaben in der City West. Das gemischt genutzte Areal am Kurfürstendamm/Ecke Uhlandstraße verbindet die Nutzungsarten Büro, Hotel, Gastronomie, Coworking, Einzelhandel, Kultur, Unterhaltung, Fitness und Kinderbetreuung. Später werden dort rund 3500 Menschen arbeiten können.

Ein weiteres Beispiel entsteht in Schwaben, im Stadtkaufhaus Gerber in Stuttgart. Voraussichtlich im Frühjahr 2023 eröffnet Ruby Hotels im Gerber. Der internationale Betreiber von Lean Luxury Hotels will dann in der obersten Einzelhandelsebene des Kaufhauses rund 150 Hotelzimmer und circa 1700 Quadratmeter Co-Working-Fläche anbieten.

„In hochverdichteten urbanen Lagen verstärkt sich der Trend zur Nutzungsdurchmischung, da die Mieter untereinander von starken Synergieeffekten profitieren können“, sagt Lars Jähnichen, Geschäftsführer bei IPH Centermanagement. „Auch beim Gerber sehen wir darin einen enormen Attraktivitätsgewinn für das Quartier und seine Anrainer, Besucher sowie die Mieterschaft.“ Quartiere wie das Gerber seien die Zukunft der Städte, erläutert Jähnichen, dessen Unternehmen das Stadtkaufhaus managt. Es umfasst rund 40.000 Quadratmeter Mietfläche für Wohnen, Handel, Nahversorgung, Gastronomie und Büros.

„Gerade Mixed-Use-Projekte wie dieses Stuttgarter Beispiel, bei denen Hotelentwicklungen mit anderen Nutzungen kombiniert werden, können für die Entwicklungen der Zentrumslagen ein Schlüssel sein“, ergänzt Reiner Nittka vom Bauentwickler GBI Holding. „Wir machen solche Quartiersentwicklungen, auch im Kleinen, seit zehn Jahren und sehen, wie gut Mixed-Use funktioniert.“

Norman Schaaf vom Investor Cells Group ist der Ansicht, dass gerade Hotelmarken Zukunft haben, die sich an Kulturbegeisterte und Kosmopoliten richten und vom Städtetourismus profitieren. „Ein hochwertiges Design und natürlich die Lagequalität können die Marktpositionierung zusätzlich schärfen“, sagt er. Es komme außerdem darauf an, dass Hotels ihre Umgebung miteinbeziehen und sich durch „Nachbarschaftsqualität“ auszeichnen. „Das bedeutet, dass umfassende Hotelkonzepte durch hochwertige Gastronomie, öffentlich zugängliche Hotelbars und Rooftops auch für Kunden aus der Nachbarschaft ihre Attraktivität steigern“, erklärt er.

Auch Olivia Kaussen vom Immobiliendienstleister CBRE Deutschland glaubt, dass gut überlegte Hotelkonzepte Innenstädten und Anwohnern Mehrwerte bieten können. So könnten beispielsweise Hotels mit einer guten Bar nachts etwas Leben in jene Innenstadtregionen bringen, die sonst eher verwaist sind. „Dadurch kann auch das Sicherheitsgefühl verbessert werden“, sagt Kaussen.

Reiner Nittka von der GBI Holding ist sich zudem sicher, dass Hotels in Innenstädten die Rolle als Anker-Immobilie übernehmen können: „Das gelingt mit den modernen Hotelkonzepten immer besser“, sagt Nittka. „Denn viele dieser Hotels öffnen das Erdgeschoss für die Öffentlichkeit und beziehen auf diese Weise intelligent die Nachbarschaft und Flaneure mit ein.“

Auch Chris-Norman Sauer, Acquisitions Director bei der Hotelkette Premier Inn Deutschland, will durch die Kooperationen bestehende Innenstadtstrukturen retten und zukunftsfest machen. „Wir werden uns etwa über bestehenden Einzelhandelsgeschäften ansiedeln. Diese funktionieren inzwischen nur noch im Erdgeschoss oder maximal im ersten Stock gut“, sagt er. Deshalb könnten die Händler ohne Unterstützung nicht weiter in Innenstädten bestehen. Eine Alternative sei dann häufig ein Hotel in den oberen Geschossen. „Das kann das Innenstadt-Retter-Modell der Zukunft sein.“

Michael Hartung, als Development Director Premier Inn Deutschland quasi der „Immobilien-Chef“ des Unternehmens hierzulande, ergänzt: „Wir geben ein noch stärkeres Bekenntnis zu einem Standort ab, wenn wir selbst in die Immobilie investieren, anstatt über 20 oder 25 Jahre zu pachten.“ In einer solchen „Owner-Operator“-Konstellation bekämen die Städte langfristige Sicherheit.

Weiter steigende Anfangsrenditen an attraktiven Standorten beobachtet Maximilian Ludwig vom Assetmanager Real I.S. schon jetzt: Die Risiken seien durch die Erholung der Umsatzzahlen grundsätzlich gesunken, auch wenn die Kostensteigerungen in Bereichen wie Personal, Energie und Wareneinsatz das positive Bild trüben. „Investitionsgelegenheiten im Hotelsektor sehen wir uns bei einem optimalen Mix aus Lage, Betreiber und Konzept dennoch genauer an“, schränkt er ein. Das gelte auch und gerade bei Innenstadtlagen, weil dort ein Zusammenspiel mit anliegenden attraktiven Büro- und Einkaufsflächen einerseits und die Nähe zu touristischen Attraktionen andererseits von großer Bedeutung sei.

Am Ende ist eines aber auch klar, sagt Olivia Kaussen: „Ein Hotel kann noch so gut sein – allein rettet es keine sterbende Innenstadt.“

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