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10.09.2021

06:15

Wohnungsmärkte

Corona befeuert das Ende des deutschen Hauspreiszyklus

Von: Christoph Scherbaum

Die Angebotsknappheit auf den deutschen Wohnungsmärkten könnte bald spürbar zurückgehen. Die künftige Wohnungspolitik in Deutschland dürfte die Dauer des Hauspreiszyklus beeinflussen.

Die Nachfrage nach Wohnungen übertrifft in den deutschen Metropolen seit vielen Jahren das Angebot. Doch das könnte sich bald ändern. dpa

Wohnimmobilien

Die Nachfrage nach Wohnungen übertrifft in den deutschen Metropolen seit vielen Jahren das Angebot. Doch das könnte sich bald ändern.

Auf Wohnimmobilien fokussierte Investoren sollten sich auf neue Zeiten einstellen, ist Jochen Möbert, Volkswirt aus dem Research-Bereich der Deutschen Bank, überzeugt. Bestimmte über Jahre die Angebotsknappheit das Geschäft, könnte diese ab 2023 erheblich zurückgehen, sagte Möbert bei seinem Ausblick auf den deutschen Wohnungsmarkt auf dem Norddeutschen Immobilientag 2021.

Der boomende Arbeitsmarkt, das hohe Einkommensgefälle im Vergleich zu den Herkunftsländern und der grundsätzlich hohe Lebensstandard seien vor der Coronakrise ein Garant für die Zuwanderung und die Wohnungsnachfrage gewesen, erklärte Möbert. Doch das hat sich mittlerweile geändert. Erreichte in den Jahren von 2016 bis 2019 die jährliche Nettozuwanderung noch ein Plus von rund 400.000, ist sie im Corona-Jahr 2020 dagegen kräftig eingebrochen und lag nach Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) bei 220.000 Menschen. Das ist der niedrigste Wert seit 2010.

Entsprechend deute der Trend darauf hin, dass sich aufgrund der geringeren Nachfrage nach Wohnungen in den kommenden Jahren die Angebotsknappheit verringern wird. Damit dürfte die noch bestehende Unterbewertung auf dem Wohnungsmarkt aufgrund des Niedrigzinsumfelds bei einer anhaltend hohen Preisdynamik zunehmend beseitigt werden, so Möbert weiter.

Das heißt, es könnte zu einem Preisverfall kommen und der seit Jahren anhaltende Preisanstieg für Wohnimmobilien würde zu Ende gehen. Zudem steige laut DB Research das Risiko, dass auch Zinserhöhungen eine Verkaufswelle auslösen könnten. „Aber auch ohne Zinsschock verlieren deutsche Wohnimmobilien zumindest im Vergleich zu anderen Wohnimmobilienmärkten an Attraktivität.“ Das hat zur Folge, dass der seit mehr als einem Jahrzehnt anhaltende Hauspreiszyklus in dieser Dekade zu Ende gehen dürfte, erläutert Möbert.

Ein Barwertmodell von Deutsche Bank Research mit Daten aus mehr als 120 deutschen Städten zeigt nur noch für wenige Jahre eine Unterbewertung. „Auch wenn die Leerstände in den Metropolen und einwohnerstarken Städten unseren Berechnungen nach bis ins Jahr 2025 und 2027 weiterhin eher rückläufig sind, dürften höhere Leerstände in den Metropolregionen eine Signalwirkung für den Gesamtmarkt haben.“ Demnach enden nach dem Modell der Deutschen Bank die Unterbewertungen in den A-Städten im Jahr 2023, während sie aggregiert in allen anderen Städten, also B-, C- und D- Städten, bis ins Jahr 2027 laufen.

Interessant ist hierbei auch der Blick auf die elf deutschen Metropolen, bei denen das Ende der Zyklen unterschiedlich eingeschätzt wird. Den Berechnungen nach endet der Zyklus in Hamburg schon in diesem, in Berlin und Frankfurt im nächsten Jahr. Dagegen dürfte der Zyklus in Bremen erst 2026 zu Ende gehen.

In den Metropolregionen exklusive der jeweiligen Metropole endet der Zyklus in der Regel etwas später. Das könnte damit zusammenhängen, dass infolge der Coronakrise die Stadtbewohner mehr Lust aufs Land bekommen. Einer aktuellen Untersuchung von ImmoScout24 zufolge ist zwischen dem Beginn der Pandemie in Deutschland im Februar 2020 und Juni 2021 die Nachfrage nach Einfamilienhäusern zum Kauf in den Speckgürteln der Metropolen deutlich gestiegen. So erhielten inserierte Einfamilienhäuser in den Speckgürteln der fünf größten Metropolen rund 58 Prozent mehr Kontaktanfragen als im Februar vor dem ersten Lockdown.

Wird die Prognose der Deutschen Bank tatsächlich Realität, endet sowohl in den Metropolen als auch in ihrem Umfeld bald eine jahrelange Preisspirale auf dem deutschen Wohnungsmarkt: Seit 2010 haben die Preise in 39 Quartalen kräftig zugelegt.

Allerdings relativiert sich das im internationalen Vergleich: In der OECD-Historie mit besonders langen Hauspreiszyklen und inflationsbereinigten Daten kommt Deutschland nur auf Platz 15. Der längste Zyklus wurde nach Daten der Deutschen Bank einst in den Niederlanden gemessen, mit 69 Quartalen zwischen den Jahren 1992 und 2008. Die aktuell moderate Bewertung des deutschen Wohnungsmarkts im internationalen Vergleich spiegelt sich auch in anderen Daten wie den Kaufpreisen von Wohnungen wider: Unter den 75 teuersten Städten weltweit finden sich nur wenige deutsche – und bis auf eine Ausnahme sind sie auf den hinteren Plätzen zu finden.

München, teuerste deutsche Stadt, liegt beim Vergleich der Wohnungspreise außerhalb der jeweiligen Innenstädte hinter Hongkong, Paris und Genf auf dem vierten Platz. Erst auf Platz 38 kommt mit der Bankenmetropole Frankfurt die nächste deutsche Stadt. Hamburg, Stuttgart und Köln sind schon nicht mehr unter den Top 50 vertreten. Deshalb falle die „Erschwinglichkeit deutscher Städte auf europäischer Ebene nicht aus dem Rahmen“, betont Möbert.

Das generelle Ende des Hauspreiszyklus dürfte nach Einschätzung von Möbert auch mit neuen gesetzlichen Veränderungen zusammenhängen. „Regulatorisch könnte das Jahr 2023 weitere Verschärfungen mit sich bringen“, sagt Möbert. Er verweist in diesem Zusammenhang auf das Gebäudeenergiegesetz und die damit verbundenen Überprüfungen energetischer Anforderungen, die möglicherweise im Jahr 2024 wirksam werden und deutlich mehr Investitionen in die energetische Gebäudesanierung erfordern, als es in den vergangenen Jahren bereits der Fall war.

Die künftige Wohnungspolitik in Deutschland dürfte ein weiterer Punkt sein, der den Hauspreiszyklus beeinflussen könnte. „In weiten Teilen ähneln die aktuellen Wahlprogramme denen aus dem Jahr 2017. So schlagen FDP, AfD und Union weiterhin eine eher angebots-, Linke, Grüne und SPD eine eher nachfrageorientierte Wohnungspolitik vor“, analysiert Möbert. Union und FDP würden versprechen, den Preis- und Mietdruck über zusätzliches Angebot zu beseitigen und Anreize für Renovierungen zu bieten.

„Insbesondere die Programme von Grünen und Linken sind so investitionsfeindlich, dass künftige Instandhaltungsinvestitionen mager ausfallen dürften, falls sie überhaupt getätigt würden.“ Insgesamt seien die Programme mit Blick auf die Wohnungspolitik das übliche „Wünsch Dir was“, sagt Möbert. „Keine Partei bietet ein Gesamtkonzept. Keine Partei schätzt die Folgen ihrer Forderungen im Hinblick auf benötigte Arbeitskräfte, Finanzmittel, Flächen et cetera ein.“

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