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05.10.2020

18:28

Handelsblatt Digital Edition – Zukunftsstrategien: Entscheidende Faktoren für die neue Normalität

Vonovia-Chef Buch: „Ich finde es richtig die Klimaziele zu verschärfen“

Von: Roman Tyborski

Coronakrise, Klimawandel und geopolitische Konflikte belasten die Weltwirtschaft. Beim Handelsblatt-Livestreaming-Event diskutieren der Bankenverbandspräsident und die Dax-CEOs von Henkel und Vonovia über die „neue Normalität“.

Düsseldorf Im April stand die Weltwirtschaft wochenlang still. Fabriken produzierten nicht, Restaurants und Geschäfte mussten schließen, die Menschen blieben zu Hause. Und als Mitte Mai die Corona-Beschränkungen zum Teil wieder aufgehoben wurden, war ziemlich schnell klar, dass nichts mehr so ist wie vorher.

Die Coronakrise ist eine Zäsur für die Weltwirtschaft. Unternehmen bewegen sich seitdem in einem Spannungsfeld zwischen den Folgen der Pandemie, Nachhaltigkeitszielen und geopolitischen Herausforderungen. Konzernlenker wie Henkel-Chef Carsten Knobel müssen ihre Unternehmen durch die Krise manövrieren und an die „neue Normalität“ anpassen. Im Handelsblatt-Livestream erklärten Knobel und Hans-Walter Peters, Chef der Berenberg Bank und Bankenverbandspräsident, sowie Vonovia-CEO Rolf Buch, wie sie diese Zeit erleben und welche Strategien sie nun verfolgen.

Alle drei Manager, die im Handelsblatt-Studio anwesend waren, sind unter anderem zu der wichtigen Erkenntnis gelangt, dass der plötzliche Zwang zum Homeoffice kaum negative Auswirkungen auf die Geschäfte hatte. „Am Anfang des Lockdowns konnte ich mir nicht vorstellen, dass ein Unternehmen mit 50.000 Mitarbeitern komplett aus dem Homeoffice gesteuert werden kann“, sagte Henkel-Chef Knobel. „Es hat aber besser funktioniert als gedacht.“

Für Rolf Buch sind die Folgen der Pandemie auf die Arbeitswelt sogar eine Bestätigung der eigenen Strategie. „Wäre die Krise fünf Jahre früher ausgebrochen, hätte sie uns stärker getroffen“, gibt der Vonovia-Chef zu. Damals hatten der Immobilienkonzern damit begonnen die eigenen Geschäftsprozesse zu digitalisieren. „In Zeiten der Kontaktbeschränkungen und Lockdowns hat uns das sehr geholfen. Wir mussten unser Geschäft daher nicht grundlegend an die neue Normalität anpassen.“

Auch bei der Berenberg Bank arbeiten seit Corona viele Mitarbeiter von zu Hause aus. Für Hans-Walter Peters, Chef der Privatbank, entstehen dadurch neue Vorteile: „Wir sind bei der Berenberg Bank dazu übergegangen, Investorenkonferenzen rein digital stattfinden zu lassen. Außerdem machen wir keine Roadshows mehr“, sagte Peters. „Viele Reisen fallen deswegen aus, was für eine bessere CO2-Bilanz sorgt.“

Damit verwies Peters auf ein zentrales Themen des Abends: Die verschärften Klimaschutzziele in der Europäischen Union. In ihrer ersten Rede zur Lage der EU hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgeschlagen, die Emissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 statt um 40 Prozent zu senken.

Eine Umfrage während des Livestreams ergab, dass mit 69 Prozent eine große Mehrheit der Zuschauer die geplante Verschärfung der Klimaschutzziele für richtig hält. Auch Knobel, Peters und Buch bekannten sich klar zu den Nachhaltigkeitszielen.

„Für uns ist Nachhaltigkeit zentraler Bestandteil unserer Geschäftsstrategie“, sagte Knobel. Wir haben vor einigen Monaten den sogenannten ‚Plastic-Waste-Reduction-Bond‘ mit einem Volumen von etwa 100 Millionen Euro ausgegeben. Mit dem aufgenommen Kapital wollen wir unser Ziel erreichen, bis 2025 alle unsere Verpackungen recyclingfähig zu machen.“

Vonovia-Chef Buch sieht in den Klimaschutzzielen zwar eine große Herausforderung, da allein für die Sanierung von Gebäuden in Deutschland schätzungsweise 800 Milliarden Euro benötigt würden. „Dennoch finde ich es als erzieherisches Mittel richtig die Klimaziele zu verschärfen“, sagte Buch. Denn es sei unstrittig, dass die Auswirkungen des Klimawandels eine noch größere Krise auslösen könnte als die Corona-Pandemie.

Für Berenberg-Chef Peters ist die große Zustimmung der Menschen von Bedeutung. „Es ist wichtig, dass wir uns diese Klimaziele setzen und so die Chancen haben mit größeren Schritten in diese Richtung zu gehen“, sagte Peters.

Trends in der Industrie beschleunigen sich

Leichte Sorgen bereitet dem Banker hingegen die möglicherweise bevorstehende zweite Corona-Welle. Es stelle sich die Frage, wie sie sich auf die Konjunktur auswirken werde. „Wir müssen auf jeden Fall mit einer Zunahme der Insolvenzen rechnen“, erklärte Peters. Nicht absehbar sei, welche konjunkturellen Auswirkungen das haben werde.

Das Finanzsystem sieht Peters für eine mögliche Insolvenzwelle hingegen gewappnet. „Die Banken haben in den vergangenen Monaten ihre Eigenkapitalausstattung gestärkt. Das Finanzsystem dürfte einer Zunahme der Insolvenzen standhalten können“.

Auch der deutsche Mittelstand schlage sich Peters zufolge besser als gedacht. Das liege unter anderem an der besseren Eigenkapitalausstattung. Lag diese bei den Mittelständlern im Jahre 2002 im Schnitt bei 18 Prozent, liegt die Quote derzeit bei rund 31 Prozent. Aus diesem Grund gebe es auch keinen Run auf Hilfen der KfW-Förderbank.

Bei Henkel, wo seit dem 1. Januar dieses Jahres Knobel die Geschäfte führt, sind nicht alle Geschäftsteile gleichermaßen von der Pandemie betroffen. „Das Unternehmen wurde unterschiedlich stark von der Krise getroffen“, sagte der Henkel-Chef. „Die Hälfte unseres Umsatzes erwirtschaften wir mit der Klebstoffsparte und hier hat uns der Einbruch der Autoindustrie belastet.“ Dagegen erfahren die Themen Reinigung und Hygiene seit der Krise starken Zuwachs.

Insgesamt beobachtet Knobel in der Industrie keine tiefgreifende Veränderung. „Stattdessen beschleunigen sich bereits bestehende Trends wie die Konnektivität und Digitalisierung“, so Knobel. Auch der Trend zum E-Commerce habe sich durch Corona verstärkt. „Auf diese Themen müssen wir reagieren, um weiter wachsen zu können“, so Knobel.

Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, gab im Livestream einen Einblick in die geopolitischen Herausforderungen, mit denen sich das Parlament derzeit beschäftigt. Vor allem der drohende harte Brexit ist derzeit Thema Nummer Eins in Brüssel. „Ich bin Tochter eines britischen Staatsangehörigen. Mich treffen die Entwicklung in Großbritannien auch persönlich“, sagte Barley. „Boris Johnson ist unberechenbar bis zum letzten Tag. Er macht die verrücktesten Sachen.“ Deswegen sei die weitere Entwicklung der Verhandlungen nicht vorhersehbar. „Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir eine Einigung finden. Wir lassen uns die EU nicht kaputt machen“, sagte Barley.

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