André Lichner verantwortet als Vorstandsmitglied der Interhyp in München das Partnergeschäft und das Produktmanagement. In Nürnberg stellte er sich den Fragen der Q11 des Dürer-Gymnasiums.
„Chef zu gewinnen“
André Lichner (r.) zu Besuch bei den Schülerinnen und Schülern des Dürer-Gymnasiums in Nürnberg
Bild: Bernd Telle für Handelsblatt
Die Handelsblatt-Aktion „Chef zu gewinnen“ bringt jedes Jahr Topmanager in deutsche Schulen, wo sie sich den Fragen der angehenden Abiturienten rund um Berufs- und Karrierechancen stellen, aber auch ihre ganz persönlichen Erfolgstipps verraten.
Der Chef-Besuch in der Schule ist aber längst nicht alles: Bei einem Gegenbesuch auf der Chefetage erfahren die Oberstufenschüler, wie der Alltag „ihres“ Managers aussieht, wie in seinem Unternehmen gearbeitet wird – und ob es vielleicht sogar ein künftiger Arbeitsplatz für sie selbst sein könnte.
Die „Chef zu gewinnen“-Aktion ist ein fester Bestandteil der Initiative „Handelsblatt macht Schule“, mit der die Tageszeitung Wirtschafts- und Managementthemen stärker im Unterricht deutscher Schulen verankern möchte. Mehrere Dutzend Topmanager haben auf diese Weise schon ihre Erfahrungen mit Tausenden von Schülern geteilt.
Lust mitzumachen und einen Chef zu gewinnen? Hier geht es zu den Teilnahmebedingungen.
Herr Lichner, Sie waren Geschäftsführer, Vorstand und haben nebenbei gegründet. Haben Sie auf Ihre Führungsposition hingearbeitet oder hat sich Ihre Karriere einfach so ergeben?
Ich habe viel Glück gehabt und die richtigen Schritte zur richtigen Zeit gemacht. 2017 habe ich noch überlegt, ob ich die mir angebotene Geschäftsführerrolle der Prohyp übernehmen soll. Damals hatte die Prohyp ein Finanzierungsvolumen von etwa sieben Milliarden Euro. Als ich sie in diesem Jahr abgegeben habe, hat sich das Volumen mehr als verdoppelt. Dieses unglaubliche Wachstum hat mir geholfen. Glücklicherweise bin ich damals Geschäftsführer geworden! 2016 habe ich mit meiner Frau den Münchener Co-Working-Space Mates gegründet. Dadurch habe ich angefangen, wie ein Gründer zu denken. Das ist irgendwie alles Zufall, im Nachhinein merkt man aber, dass alles aufeinander aufbaut.
Was schätzen Sie an der Arbeit mit anderen?
Ich konnte schon immer gut mit Menschen, aber im Investmentbanking ist mir das quasi abtrainiert worden, da dieses fürsorgliche Miteinander keine Rolle gespielt hat. Da ging es nur um Profit, ich war ein Fach-Nerd. Die Fachlichkeit ist sehr wichtig – so macht man sich einen Namen. Wenn man darüber hinaus noch mit Menschen arbeiten und sie ins Wachstum bringen kann, entsteht eine Art Magie. Deshalb habe ich mich zum Businesscoach ausbilden lassen. Zurzeit mache ich eine dreijährige Ausbildung zum Transaktionsanalytiker, was auch das Training mit Pferden beinhaltet. So lerne ich zu verstehen, wie Energie wirkt und wie ich auf andere reagiere. Dieses breite Portfolio hat mir sicher geholfen, den Job als Vorstand zu bekommen.
Sie sprechen zwar von Glück – aber Sie haben auch hart trainiert und bilden sich kontinuierlich weiter. Gibt es ein Schema oder einen Trick, den wir von Ihnen lernen können?
Man kann das Glück schon ein Stückweit erzwingen. Ich habe viel Arbeit investiert, war die meiste Zeit unterwegs und musste auf viel Privates verzichten. Trotzdem habe ich immer das gemacht, was mir Spaß macht und Ideen verfolgt, die mich interessieren. Als ich zum ersten Mal Chef war, habe ich gemerkt, dass Führen mir liegt.
Es ist wichtig, Kontakte zu knüpfen und ein Netzwerk aufzubauen, auf das man sich verlassen kann. In jungen Jahren baut man alles auf: Expertise, Erfahrungen, Netzwerk.
Welche Tipps zum erfolgreichen Netzwerken können Sie uns verraten?
Zu Beginn einer Karriere sind Netzwerk-Events besonders wichtig, um erste Kontakte zu knüpfen. Danach muss man seinen eigenen Weg finden. Ich bevorzuge beispielsweise Abendessen mit meinen Kontakten und deren Geschäftspartnern, ich mag längere Gespräche und bin nicht so der Smalltalker. Ich glaube, es ist erstmal wichtig, viel zu geben, ohne etwas direkt zurückzuerwarten. Irgendwann kommt dann alles zurück, das merke ich mit zunehmendem Alter.
Auf was sollte man bei der Planung der eigenen Karriere achten?
Hört gut in Euch hinein und macht das, was Euch interessiert und Spaß macht. Überlegt, was für Euch im Leben wichtig ist. Ich habe mit einer Ausbildung zum Versicherungskaufmann angefangen, weil meine Eltern mich dazu überredet hatten. Im Job habe ich gemerkt, dass ich mehr will. Das hat mich zum Studium und in diese Laufbahn gebracht.
Was sticht bei Bewerbungen heraus?
Das gibt es einiges, man kann das nicht pauschal sagen. Für manche Jobs ist gutes Englisch wichtig – in Konzernen, aber auch bei kleinen Mittelständlern, die international agieren. Ein breites interkulturelles Verständnis hilft, nachgewiesen über ein Au-pair-Jahr oder Praktika. Wer dann noch etwas breiter aufgestellt ist und zum Beispiel eine Programmiersprache beherrscht und mit der Technik etwas anfangen kann, sticht aus der Masse heraus.
Aber am Ende zählt für mich nur eins: Wie reagieren Bewerber auf meine Fragen im Bewerbungsgespräch. Kann ich da etwas sehen, was mich glauben lässt, dass dieser Mensch der Richtige ist. Da geht es gar nicht mehr um den Lebenslauf oder das Fachliche. Denn das ist bereits bewiesen durch Schulabschluss oder Studium.
Für mich ist es wichtig, dass Bewerber authentisch sind und mir zeigen, für was sie brennen. Ich will dieses Funkeln in den Augen sehen. Dann weiß ich, dass ich mit diesem Menschen arbeiten kann. Den Rest kann man lernen.
Bei der Interhyp haben Bewerber meist drei Gespräche und sehen mindestens sechs Leute – Fachkräfte und Personaler. Für Führungspositionen prüfen wir die Bewerber fünf, sechs Mal ab. Denn nichts ist schlimmer als im Recruiting Fehler zu machen, das ist ineffizient und kostet viel Geld.
Wie sieht es mit Ihrer Work-Life-Balance aus?
Unter der Woche arbeite ich viel, da verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben. Mein Tag fängt morgens um 7.30 Uhr an, um 8.45 Uhr ist das Vorstands-Daily. Dann gehe ich durch meine Termine. Meistens bin ich so durchgetaktet, dass ich erst nach 18 Uhr Mails beantworten kann. Wenn ich abends mit dem Hund rausgehe, führe ich oft noch Telefonate.
Die Wochenenden versuche ich freizuhalten, um in die Berge oder an einen See zu fahren. Ab und zu braucht mein Geist auch etwas Langeweile. Wenn mein Gehirn permanent befeuert wird, bin ich nicht mehr kreativ und nehme nichts mehr auf.
In meiner Position bei der Bank habe ich wenig geschlafen, das war schlimm und ab einem bestimmten Punkt dann auch sicher nicht mehr produktiv. Bei der Interhyp bekomme ich meine sieben Stunden Schlaf.
Während der Pandemie haben Sie von zu Hause aus gearbeitet. Wie sehen Sie die Zukunft des Arbeitens?
Durch das Arbeiten im Home-Office kann man viel Zeit sparen, die Menschen machen keine Kompromisse mehr bei der eigenen Wohnsituation und wollen nicht länger alle zur selben Zeit im Stau stehen. Wer nur zwei Mal in der Woche ins Büro muss, kann in den Speckgürtel rund um die Städte ziehen. Das sieht man auch auf manchen Immobilienplattformen: Schon jetzt haben die Inserate für innerstädtische Wohnungen um 20 Prozent abgenommen.
Für Unternehmen ist es eine Herausforderung, diese Flexibilität und die menschlichen Begegnungen unter einen Hut zu bekommen. Kultur entsteht im menschlichen Interagieren, das ist nicht immer in Videokonferenzen möglich. Die Besprechungsräume der Zukunft müssen gut ausgestattet sein, damit diejenigen, die zu Hause am PC sitzen, alles mitbekommen. Wir brauchen verschiedene Perspektiven für die Kameras, so dass man sich ein Bild von der Stimmung im Raum machen kann. Das ist momentan ein großes Experiment für viele Arbeitgeber.
Die Interhyp ist zwar kein virtuelles Unternehmen, aber unsere Teams sollen selbst entscheiden, wo sie arbeiten. Wir gehen davon aus, dass wir auf Dauer zirka 50 Prozent unserer Kolleginnen und Kollegen in unseren Räumlichkeiten begrüßen dürfen. Die restliche Fläche werden wir aber nicht wegstreichen, sondern besondere Arbeitsbereiche schaffen, mit großen Whiteboards und Ecken, in denen vier bis acht Leute zusammensitzen können.
Mehr: Aktion „Chef zu gewinnen“ – hier finden Sie die Topmanager und Topmanagerinnen im Porträt.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×