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Die Auswahl der teilnehmenden Unternehmen obliegt Solutions by HMG.
Chef zu gewinnen

11.11.2020

08:30

Helmut Link, geschäftsführender Gesellschafter bei Interstuhl

Chef von Interstuhl: „Wir müssen unser Verhältnis zum Sitzen verändern“

Von: Ulrike Heitze

Helmut Link ist geschäftsführender Gesellschafter beim familieneigenen Büromöbelhersteller Interstuhl in Meßstetten-Tieringen. Er stellte sich am Simpert-Kraemer-Gymnasium im bayerischen Krumbach den Fragen der Elftklässler aus dem Witschafts- und Recht-Kurs.

Helmut Link (vorne Mitte) ist geschäftsführender Gesellschafter beim familieneigenen Büromöbelhersteller Interstuhl in Meßstetten-Tieringen. Er stellte sich am Simpert-Kraemer-Gymnasium im bayerischen Krumbach den Fragen der Elftklässler aus dem Witschafts- und Recht-Kurs. Juergen Altmann für Handelsblatt

„Chef zu gewinnen“

Helmut Link (vorne Mitte) ist geschäftsführender Gesellschafter beim familieneigenen Büromöbelhersteller Interstuhl in Meßstetten-Tieringen. Er stellte sich am Simpert-Kraemer-Gymnasium im bayerischen Krumbach den Fragen der Elftklässler aus dem Witschafts- und Recht-Kurs.

Alle Chef-Besuche fanden vor Ausbruch der Corona-Pandemie statt.

Die Handelsblatt-Aktion „Chef zu gewinnen“ bringt jedes Jahr Topmanager in deutsche Schulen, wo sie sich den Fragen der angehenden Abiturienten rund um Berufs- und Karrierechancen stellen, aber auch ihre ganz persönlichen Erfolgstipps verraten.

Der Chef-Besuch in der Schule ist aber längst nicht alles: Bei einem Gegenbesuch auf der Chefetage erfahren die Oberstufenschüler, wie der Alltag „ihres“ Managers aussieht, wie in seinem Unternehmen gearbeitet wird – und ob es vielleicht sogar ein künftiger Arbeitsplatz für sie selbst sein könnte.

Die „Chef zu gewinnen“-Aktion ist ein fester Bestandteil der Initiative „Handelsblatt macht Schule“, mit der die Tageszeitung Wirtschafts- und Managementthemen stärker im Unterricht deutscher Schulen verankern möchte. Mehrere Dutzend Topmanager haben auf diese Weise schon ihre Erfahrungen mit Tausenden von Schülern geteilt.

Lust mitzumachen und einen Chef zu gewinnen? Hier geht es zu den Teilnahmebedingungen.

Herr Link, Sie haben das Unternehmen von Ihrem Vater übernommen. Hat er sich lange eingemischt?

Unser Vater hat sich langsam aus dem Geschäft zurückgezogen – und uns früh schon viel zugetraut. Mit 28 hatte ich die Verantwortung für den Hauptvertrieb. Und da musste ich dann auch entsprechend abliefern.

Schließlich haben wir das Unternehmen geführt und er hat sich hin und wieder noch eingemischt. Die typischen Diskussionen zwischen Vater und Söhnen. Aber solange es kein autoritäres Reinregieren ist – und das hat er nie getan –, kann man sich mit so etwas arrangieren.

Am Schluss wurde es ein bisschen schwieriger, weil er an sich aufhören wollte, es aber nie getan hat. Bis einen Tag vor seinem Tod ist er immer noch im Büro gewesen. Der typische Unternehmer eben.

Sie sind zu zweit an der Spitze. Wie treffen Sie da Entscheidungen? Sind Sie immer einig?

Nein, nicht immer gleich. Wir diskutieren schon mal länger – was ja auch gut ist, wenn man einer wichtigen Entscheidung genügend Raum gibt.

Für den Fall, dass wir uns partout nicht einigen können, haben wir einen Beirat installiert. Der ist gut besetzt mit Menschen, die das Unternehmen und unsere Themen kennen. Der entscheidet dann. Denn eine Nichteinigung kann sich ein Unternehmen nicht leisten.

Das muss man als Eigentümer dann auch aushalten, dass einem die Firma gehört und trotzdem jemand anderes entscheidet. – Diese Vorstellung  ist dann meist genug Druck für uns zwei, so dass wir uns untereinander einigen.

Haben Sie schon eine Idee, was nach Ihnen und Ihrem Bruder aus dem Unternehmen wird?

Es wäre natürlich schön, wenn es an die nächste Generation gehen würde. Mein Bruder hat zwei Kinder, genau wie ich. Seine sind noch klein. Mein Sohn macht bald Abi und meine Tochter studiert schon, Ingenieurwissenschaften. Unterm Strich ist da noch alles Fluss. Es bleibt also spannend.

Aber wir haben für die Firma schon vor längerem einen Generationenvertrag vereinbart. Das Unternehmen soll in Familienhand bleiben. Wir wollen keinen Börsengang, keine Teilhaber, keinen Verkauf. Wir wollen unabhängig bleiben. Klar, wir müssen Geld verdienen, aber wir müssen es so tun, dass es langfristig die Firma sichert. Und dafür haben wir einen Familienkontrakt geschlossen.

Und was steht in so einem Generationenvertrag drin?

In unserer Familien-Charta ist festgelegt, wie jemand die Nachfolge antreten kann. Was muss er tun? Wie muss er sich verhalten? Was ist an Ausbildung und Erfahrung nötig? – Wir haben mit dem Unternehmen ja eine große Verantwortung, für unsere Mitarbeiter, für ihre Familien, für die Region… Es wäre schon schön, wenn die Kinder das mal fortführen würden. Aber sie müssen es wollen. Allein auf elterlichen Druck hin wird das nichts.

Und wenn keines Ihrer Kinder weitermachen will?

Dann müssen wir schauen, dass wir ein gutes Fremdmanagement finden. Die Kinder blieben ja dann trotzdem Gesellschafter.  Aber mit so etwas muss man Jahrzehnte vorher anfangen. Das war bei uns und unserem Vater auch so.

Interstuhl

Branche

Büromöbel

Mitarbeiter

Knapp 1.000 Mitarbeiter in Europa, den USA und Mexiko, der Großteil in der Zentrale in Meßstetten-Tieringen auf der Schwäbischen Alb

Berufseinstieg

Für Schüler: Praktika, Ausbildungen in 17 technischen und kaufmännischen Fachrichtungen, fünf duale Studiengänge in Technik,  Wirtschaft und IT sowie Kombistudiengänge mit integrierter Ausbildung in IT und Maschinenbau. Für Studenten: Praxissemester, Abschlussarbeiten, Werkstudententätigkeit nach Bedarf

Mitarbeiter

Wird auf Familienfesten viel übers Unternehmen gesprochen?

Nicht viel. Eine ungeschriebene Regel in unserer Familie. Denn man muss irgendwann abschalten und sein Privatleben haben. Und wenn auf Festen doch mal das Thema aufkommt, dann halten wir es kurz. Im Normalfall sind Familienfeiern firmenfreie Zone.

Sie sind als junger Familienvater Geschäftsführer geworden. Wie bekommt man das unter einen Hut?

Das funktioniert, so ehrlich muss man sein, nur mit einer guten Partnerin. Wenn ich sie nicht an meiner Seite gewusst hätte und wüsste, würde ich die Firma so nicht führen können. Inzwischen sind unsere Frauen beide im Unternehmen tätig. Die eine managt die Finanzen, die andere das Big Data-Geschäft.

Ich bin schon ein aktiver Vater, mit Radausflügen und Tennisplatz und so… Aber der Job als Geschäftsführer verlangt einen gewissen zeitlichen Tribut. So etwas funktioniert nicht gut in Teilzeit. Ich kann nicht weniger arbeiten als meine besten Führungskräfte. Da verlange ich mir schon eine Vorbildfunktion ab.

Wenn man sich jahrelang nur mit Sitzen beschäftigt, wie kommt man da überhaupt noch auf frische Ideen?

Innovationsfreude ist eine Geisteshaltung. Ich bin vom Typ her jemand, der von der Suche nach neuen Impulsen getrieben ist. Der wissen will, wie die Welt funktioniert.

Aber Innovation kann man auch lernen. Im vergangenen Jahr dachte ich, ich müsste das noch mal auffrischen und bin für sechs Wochen an die Stanford Universität im Silicon Valley zur Fortbildung gegangen. Dort habe ich Spirit für die nächsten Jahre getankt.

Da ging es zum Beispiel wiederholt darum, lernen wieder zu lernen. Mit den Jahren verkrustet man und will immer weniger lernen. Dieses Muster muss man bei sich immer wieder aufbrechen, wenn man weiterkommen will.

Was gibt es rund ums Sitzen noch zu erfinden?

Ein großes Thema der Zukunft ist Sensorik. Wie können wir Menschen noch besser beim Sitzen unterstützen? Wie messen wir das und wie geben wir die Erkenntnisse weiter? – Darin sehe ich großes Potenzial.

Das zweite Thema ist Bewegung. Es geht nicht mehr ums Stillsitzen, es geht ums bewegt Sitzen. Und dabei müssen wir nicht nur den Stuhl betrachten, sondern die gesamte Arbeitsumgebung. Nehmen Sie als Beispiel Under-Desk-Pedals, Pedale unterm Schreibtisch. Oder Stehpulte mit Laufbändern drunter. – Wie beeinflusst man schon über das Layout der Arbeitsplätze bestimmte Bewegungsmuster? Das sind spannende Fragen. Wir müssen unser Verhältnis zum Sitzen verändern.

Ist Sitzen heute etwas anderes als früher?

Ja, unser Wissen rund ums Sitzen hat sich enorm verändert. Vor 20, 30 Jahren haben wir den Stuhl immer bequemer gemacht. Damit man länger sitzen kann. Inzwischen sitzen wir so lange, bis wir krank sind. So viele junge Menschen wie nie haben Bandscheibenvorfälle. Burnoutsyndrome, Stoffwechselprobleme und Übergewicht. Nicht nur, aber auch durch zu vieles Sitzen.

Helmut Link

Alter

51

Job

Geschäftsführender Gesellschafter

Karriere

Nach dem BWL-Studium in Reutlingen und Madrid startet Helmut Link 1995 beim Auto-, Flugzeug- und Kindersitzproduzenten Keiper Recaro als Vorstandsassistent in den Beruf. Jahre später wechselt er ins familieneigene Unternehmen Interstuhl, in dem auch schon sein älterer Bruder Joachim arbeitet. Ab dem Jahr 2000 leiten die beiden Brüder gemeinsam mit dem Vater das Unternehmen, ab 2016 dann als Duo. Joachim Link ist in der Geschäftsführung für Forschung/Entwicklung, Fertigung/Produktion, Logistik, Controlling/Finanzen sowie Einkauf und Kundendienst zuständig, sein Bruder Helmut für Marketing, Vertrieb, Personal, Organisation und IT.

Unsere Aufgabe ist, den Unternehmen, den Arbeitgebern – das sind unsere Kunden – Lösungen anzubieten. Das sind die Forschungsfelder der Zukunft.

Und wie soll Arbeiten ohne Sitzen funktionieren?

Ohne Sitzen wird es nicht gehen, denn im Sitzen ist der Kopfarbeiter am Produktivsten. Aber es gibt interessante Ansätze, Bewegung ins Sitzen zu bekommen. Mal ein Beispiel: Ihr sitzt jetzt ganz ruhig da. Ein paar von euch wippen mit dem Fuß oder mit dem Stuhl – an sich gewöhnt man euch das in der Schule oder zu Hause als nervig ab.  Aber eine Studie hat jetzt herausgefunden, dass 80 Prozent der indischen Männer das auch machen. Und mit diesem Wippen verbrennen sie 800 Kalorien am Tag. So viel wie mit einer Stunde intensivstes Joggen. Jetzt müssen wir nur noch schauen, was man aus dieser Erkenntnis macht. Eine spannende Aufgabe.

Sie produzieren auch Gaming-Stühle für eSports. Wie kommt man denn dazu?

Wir haben überlegt, wer unsere Sitzkompetenz noch gebrauchen kann. Wir können Ergonomie, wir wissen wie Sitzen funktioniert. Und es gibt wenig Menschen, die länger sitzen als die Gamer. Ich war dazu auch mal auf einem Counterstrike-Turnier. 15.000 Menschen schauen Profigamern beim Spielen zu. Mir erschließt sich der Sinn nicht so ganz – aber ich muss ja auch nicht alles verstehen. Jedenfalls ist eSports eine Riesengemeinde.

Seit Mitte 2019 haben wir eine Gamer-Produktlinie unter eigener Marke am Start. Die vermarkten wir auch selbst. Wir sind in Foren unterwegs, bei Youtubern und Influencern und sponsern Profi-Teams. Für uns als bisher klassischen Büromöbelhersteller eine ganz steile Lernkurve. Sehr spannend.

Wenn es Stühle mit Sensoren für Mobilitätserkennung gibt, werden Sekretärinnen dann bald sehen können, ob der Chef noch auf seinem Stuhl sitzt oder schon weg ist?

Rein technisch ist eine Belegungserkennung auf jeden Fall über die Sensoren möglich, aber ob es auch erlaubt ist? Da geht es um wichtige Themen wie Datenschutz und Mitarbeiterüberwachung. Sie müssen unbedingt klären, was mit den Daten passiert. Wer darf die sehen? Bei unseren Lösungen werden die Daten zurzeit nur auf dem persönlichen Device gespeichert. Das ist datenschutzrechtlich in Ordnung. Sobald man aber Informationen in eine Cloud gibt, muss das Unternehmen mit seinen Mitarbeitern besprechen, was damit passiert. – Und so stecken Sie als Büromöbelhersteller plötzlich auch tief in Fragen des Datenschutzes.

Herr Link, ich danke Ihnen für das Gespräch.

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