Holger Witzemann, Geschäftsführer der AOK Systems besuchte die Schülerinnen und Schüler der Abschlussklasse 10a der Otto-Lilienthal-Schule in Köln.
„Chef zu gewinnen“
Holger Witzemann (vorne M.) besuchte die Schülerinnen und Schüler der Abschlussklasse 10a der Otto-Lilienthal-Schule in Köln.
Bild: Uta Wagner
Die Handelsblatt-Aktion „Chef zu gewinnen“ bringt jedes Jahr Topmanager in deutsche Schulen, wo sie sich den Fragen der angehenden Abiturienten rund um Berufs- und Karrierechancen stellen, aber auch ihre ganz persönlichen Erfolgstipps verraten.
Der Chef-Besuch in der Schule ist aber längst nicht alles: Bei einem Gegenbesuch auf der Chefetage erfahren die Oberstufenschüler, wie der Alltag „ihres“ Managers aussieht, wie in seinem Unternehmen gearbeitet wird – und ob es vielleicht sogar ein künftiger Arbeitsplatz für sie selbst sein könnte.
Die „Chef zu gewinnen“-Aktion ist ein fester Bestandteil der Initiative „Handelsblatt macht Schule“, mit der die Tageszeitung Wirtschafts- und Managementthemen stärker im Unterricht deutscher Schulen verankern möchte. Mehrere Dutzend Topmanager haben auf diese Weise schon ihre Erfahrungen mit Tausenden von Schülern geteilt.
Lust mitzumachen und einen Chef zu gewinnen? Hier geht es zu den Teilnahmebedingungen.
Herr Witzemann, hatten Sie schon früh den Wunsch, Chef zu werden oder hat sich Ihre Karriere einfach so ergeben?
Mein Informatik-Studium habe ich mit einem Nebenjob finanziert: Mein Handball-Verein wurde von einer Krankenkasse gesponsert, für die habe ich Internetseiten programmiert. Nach dem Studium lag es nahe, in die Gesundheitsbranche einzusteigen. Die für mich größte Herausforderung war von Anfang an, Prozesse zu digitalisieren und zu beschleunigen, das hat sich bis heute nicht geändert. In das Berufsleben bin ich als Administrator und Produktverantwortlicher bei einer Krankenversicherung gestartet und habe bereits nach kurzer Zeit Führungsaufgaben übernommen. Chef einer Abteilung oder eines Unternehmens zu sein bedeutet auch, Mitarbeiter zu führen. Und Führung bedeutet, Verantwortung für Mitarbeiter zu übernehmen. Das hat mich fasziniert und daher bin ich gerne Chef. Für eine solche Karriere benötigt man auch Glück und Menschen, die einen fördern und einem etwas zutrauen. Es funktioniert nicht, zu planen, dass man irgendwann Geschäftsführer wird.
Würden Sie mit Ihrem jetzigen Wissen noch einmal eine Geschäftsführer-Position anstreben?
Wegen der vielen positiven und interessanten Erfahrungen, die ich rund um Führungsthemen gesammelt habe: Ja, ich würde den Weg auf jeden Fall wieder einschlagen. Es gibt aber auch Einschränkungen: Ich wünsche mir mehr Zeit für meine Familie und natürlich auch für meine Hobbies. Denn selbst am Wochenende holt mich oft die Arbeit ein – Software und Digitalisierungsprojekte kennen keine Feiertage. Entscheidungen müssen da auch einmal spontan am Wochenende getroffen werden.
Welche Eigenschaften benötigt man als Chef?
Man braucht gesunden Menschenverstand und gute Menschenkenntnis. Und man muss zwei Schritte zurücktreten, durchatmen und sich aufs Wesentliche besinnen können. Das ist oft schwieriger, als man denkt.
Was war die schwierigste Zeit in Ihrem Berufsleben?
Herausfordernd war bisher jeder Wechsel in eine neue Führungsposition. Man hat gewisse Vorstellungen und viele neue und gute Ideen, die man gerne umsetzen möchte. Oftmals trifft man auf gewachsene Strukturen, die sich nur nach und nach aufbrechen lassen.
Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?
Ich bin morgens sehr früh im Büro – meistens vor meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Ich verbringe viel Zeit mit Meetings und Besprechungen sowohl mit meinen Mitarbeitern, Kunden und Partnern, oft bis in die späten Abendstunden. Und ich bin viel unterwegs. Vor der Pandemie war ich pro Woche zwei, drei Tage bei unserer politischen Vertretung in Berlin und bei Kunden. Die Pandemie hat auch zahlreiche positive Erkenntnisse gebracht. Gerade die virtuelle Durchführung von Meetings ist nachhaltig, spart Zeit und Ressourcen. Ich hoffe sehr, dass wir diese Erkenntnisse in die neue Arbeitswelt mit übernehmen.
Wie hat sich Ihr Leben verändert als Sie Chef wurden?
Jede Rolle beinhaltet Herausforderungen fachlicher und organisatorischer Art. Die größte Herausforderung als Chef ist, selbst mit unterschiedlichsten Menschen und Charakteren einen Weg zu finden, gemeinsam – somit im Team - auf Ziele hinzuarbeiten. Das ist mir bisher gut geglückt, denke ich. Einige Entscheidungen muss man als Chef jedoch allein treffen. Da ist es dann wichtig, diese verständlich, transparent und nachvollziehbar zu erklären.
Fällt es Ihnen schwer, Mitarbeiter zu entlassen?
Es fällt mir nicht leicht, aber manchmal muss es sein. Ich habe eine hohe soziale Verantwortung. Hinter jedem Mitarbeiter steht ein Schicksal. Das ist wie in einer Handball-Mannschaft, in der zwei immer mitspielen wollen, jedoch nie zum Training kommen. Von denen muss man sich trennen, damit die Mannschaft erfolgreich ist. Ich bin für alle Menschen im Unternehmen verantwortlich. Daher muss ich wirtschaftliche und Personal-Entscheidungen treffen, um das Ganze zu erhalten und voranzubringen.
Worauf achten Sie in Bewerbungsgesprächen?
Bei Interviews will ich stets ein Bauchgefühl bekommen, welche Charaktereigenschaften eine Person hat. Ist sie an der neuen Rolle interessiert, passt sie ins Team? Das Gegenüber muss greifbar und verständlich sein. Heute führe ich keine Bewerbungsgespräche mehr. Manchmal setze mich noch dazu, um herauszufinden, was den Bewerbern der Generation Y und Z wichtig ist: Sozialleistungen, Altersvorsorge oder freie Wahl der Arbeitsmittel.
Was raten Sie jungen Menschen beim Start ins Berufsleben?
Erfolg darf man nicht festmachen an Position oder Gehalt. Ziele ändern sich fortwährend. Man muss erkennen, was man braucht, um glücklich zu sein und was einem Spaß macht! Wer sich selbst motivieren kann und zufrieden ist, hat die besten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Weg. Man sollte viele Dinge ausprobieren. Nicht für jeden ist ein Studium richtig. Erfolgreich ist für mich derjenige, der sein Leben insgesamt in Balance hat und den Fokus nicht nur auf den Beruf legt.
Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist eine spannende Herausforderung. Die Kernaufgabe unseres Unternehmens ist es, Krankenkassen und deren Kunden, also den Versicherten, noch mehr echte digitale Mehrwerte zu dem für uns alle so wichtigen Thema Gesundheit zu bieten. Die Digitalisierung wird den technologischen Wandel auch in dieser Branche weiter beschleunigen. Dazu ist unser Unternehmen bereit und gut aufgestellt. Es gibt hier so viel Potenzial, da weiß ich gar nicht, ob mir die nächsten fünf Jahre ausreichen.
Mehr: Aktion „Chef zu gewinnen“ – hier finden Sie die Topmanager und Topmanagerinnen im Porträt.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×