Ralf Kantak, Vorstandsvorsitzender der Süddeutschen Krankenversicherung (SDK), traf die Zwölftklässler mit Wirtschaftsschwerpunkt vom Goethe-Gymnasium in Freiburg.
Ralf Kantak (r.) besucht das Goethe Gymnasium in Freiburg im Breisgau.
Bild: Stefan Pangritz für Handelsblatt
Die Handelsblatt-Aktion „Chef zu gewinnen“ bringt jedes Jahr Topmanager in deutsche Schulen, wo sie sich den Fragen der angehenden Abiturienten rund um Berufs- und Karrierechancen stellen, aber auch ihre ganz persönlichen Erfolgstipps verraten.
Der Chef-Besuch in der Schule ist aber längst nicht alles: Bei einem Gegenbesuch auf der Chefetage erfahren die Oberstufenschüler, wie der Alltag „ihres“ Managers aussieht, wie in seinem Unternehmen gearbeitet wird – und ob es vielleicht sogar ein künftiger Arbeitsplatz für sie selbst sein könnte.
Die „Chef zu gewinnen“-Aktion ist ein fester Bestandteil der Initiative „Handelsblatt macht Schule“, mit der die Tageszeitung Wirtschafts- und Managementthemen stärker im Unterricht deutscher Schulen verankern möchte. Mehrere Dutzend Topmanager haben auf diese Weise schon ihre Erfahrungen mit Tausenden von Schülern geteilt.
Lust mitzumachen und einen Chef zu gewinnen? Hier geht es zu den Teilnahmebedingungen.
Herr Kantak, welche Führungsqualitäten brauchen Chefs von morgen?
Die Tendenzen gehen in vielen Branchen hin zu Agilität und flachen Hierarchien. Das bedeutet aber nicht, dass die Chefs und Führungskräfte von morgen weniger Qualifikationen brauchen. Im Gegenteil. In einer sich ständig verändernden Welt suchen Mitarbeiter oft Orientierung. Die müssen die Führungskräfte geben. Dabei sollten Sie jedoch auf Augenhöhe agieren können, dazu braucht es entsprechende Kommunikationsstärke. Empathie ist dabei ein ganz wesentlicher Faktor, um die eigene Mannschaft bei Veränderungsprozessen mitnehmen und motivieren zu können. Daneben gehören aber die „klassischen“ Qualifikationen wie Zielstrebigkeit, Lösungsorientierung, eine gute Arbeitsstruktur und nicht zuletzt auch die nötige Portion Fleiß dazu.
Was tun Sie angesichts von Fach- und Führungskräftemangel, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten?
Über die Hälfte unserer neuen Mitarbeiter gewinnen wir erfreulicherweise über Empfehlungen aus der Belegschaft. Darüber hinaus sind uns Arbeitgeberbewertungsportale und gute Noten dort sehr wichtig, um für potenzielle Bewerber bekannt zu werden. Spezielle Funktionen wie etwa Programmierer oder Mathematiker – die finden Sie nicht immer auf dem freien Markt – suchen wir aktiv und sprechen Wunschkandidaten gezielt an.
Welche Themen beschäftigen Ihre Branche gerade?
Die Digitalisierung in all unseren Prozessen ist eines der Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Aber es gibt viele weitere, die unser Geschäft gerade bestimmen. Da wäre nach wie vor die Niedrigzinsphase. Früher hatte man bei der Kapitalanlage fünf bis sechs Prozent Puffer. Heute muss man sich viel genauer mit dem Risiko und den Kosten auseinandersetzen, weil es diesen Puffer nicht mehr gibt.
Und durch die Digitalisierung haben wir es auf einmal mit Startups zu tun, die in unserem Bereich unterwegs sind. Was tun die? Und was macht Amazon? Übernehmen die unsere Kundenschnittstelle und wir können nur noch Produkte zuliefern wie die Hersteller im Lebensmitteleinzelhandel? Spannende Zeiten, in denen man sehr aufmerksam sein muss.
Finden Sie es fair, dass Patienten, die mehr für ihre Gesundheit bezahlen können, besser behandelt werden?
Ich denke, das ist keine Frage von fair oder unfair. Es ist eine gesellschaftspolitische Entscheidung. Es gibt Systeme, in denen für alle die gleichen Leistungen festgelegt sind. Die Planwirtschaft. Wir haben uns aber hierzulande für ein System entschieden, dass von der Vielfalt lebt und Freiheiten lässt. In solch einem System müssen Sie dafür sorgen, dass alle in etwa die gleichen Startbedingungen – zum Beispiel eine gute Bildung – haben. Und der eine macht dann mehr aus seinen Chancen als der andere. Das macht den Anreiz aus für Entwicklung. Wenn alle einheitlich 500 Euro pro Monat verdienen könnten, wo soll dann eine Dynamik herkommen? Unsere Gesellschaft lebt davon, dass es für Menschen interessant ist sich anzustrengen. Das ist Marktwirtschaft. Mit dem Zusatz „sozial“, weil es für alle, die es brauchen, eine Sicherung gibt. Und unsere Grundabsicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung hat ein sehr gutes Niveau – nicht zuletzt wegen des Wettbewerbs mit der Privaten Krankenversicherung.
Es geht in Ordnung, wenn sich Menschen ein Vollkaskosystem wünschen. Aber man muss wissen, wie man das bezahlen will und kann. Denn wer Geld aus dem System herausnimmt, muss jemanden finden, der ins System einzahlt. Das macht der in der Regel nur, wenn es entsprechende Anreize gibt. Ich denke, es lässt sich gesellschaftspolitisch über vieles diskutieren. Man muss nur bereit sein, mit den jeweiligen Konsequenzen zu leben.
Was ist wichtiger für Bewerbungen, gute Noten oder Persönlichkeit?
Beides, aber die Noten lassen sich gut steuern. Ich habe damals zum Beispiel gezielt die Fächer gewählt, die ich gut konnte. Und Fleiß ist die andere Komponente. Mal eine Analogie aus der Autobranche: Euer Kopf ist der Hubraum, Fleiß ist die Drehzahl. Wenn ihr viel Hubraum, aber wenig Drehzahl habt, dann werdet ihr von denen mit kleinem Hubraum, aber größerer Drehzahl überholt. Qualität kommt von quälen.
Persönlichkeit ist bei Bewerbern aber mindestens genauso wichtig. Wenn mich jemand begeistert und ich eine gewisse Spannung fühle, kann ich auf das Fachliche eher mal verzichten, weil ich weiß, dass wir das hinbekommen. Ist jemand aber fachlich gut drauf, und ich muss ihn ständig anschieben, vergeht mir der Spaß.
Herr Kantak, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Mehr: Aktion „Chef zu gewinnen“ – hier finden Sie die Topmanager und Topmanagerinnen im Porträt.
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