Besuch in Münster
Andreas Kötter, Sprecher der Geschäftsführung von Westlotto, besuchte die Schülerinnen und Schüler des Wirtschaftskurses der Jahrgangsstufe 12 an seiner früheren Schule, dem Hansa Berufskolleg Münster.
Bild: Sven Vüllers
Andreas Kötter, Sprecher der Geschäftsführung von Westlotto, besuchte den Wirtschaftskurs der Jahrgangsstufe 12 an seiner früheren Schule, dem Hansa Berufskolleg Münster.
Herr Kötter, sind Sie jetzt gerade aufgeregt?
Vor Terminen bin ich immer etwas nervös, ganz gleich, was es ist. Wenn ich die ersten drei Sätze gesprochen habe, komme ich aber in eine Art Flow. Man kann so etwas auch trainieren, insbesondere den Umgang mit Medien und Kamera. Das musste ich auch erst lernen. Aber es gibt auch für mich Stresssituationen.
Sie haben kein Abitur, sondern haben direkt nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung als Bankkaufmann gemacht. Hat Ihnen das Abitur je gefehlt?
Zwischendurch ja, aber jetzt nicht mehr. Mit dem Abitur lernt man, komplexe Themen zu strukturieren und Zusammenhänge zu erkennen. Das habe ich mir erst erarbeiten müssen, zum Beispiel als ich nach der Sparkassenzeit ein Derivate-Team bei der WestLB aufgesetzt habe.
Heute ist das Abitur aber Einstiegsvoraussetzung für viele Berufe. Das hat sich deutlich verschoben. Beim Auswahlprozess geben wir den Bewerbern mit Abitur ein paar Punkte mehr. Aber bei uns zählt auch soziales Engagement, im Sportverein, bei den Pfadfindern, in der Gemeinde … Das führt ebenso zu einer deutlichen Höherstufung.
Im Bewerbungsprozess haben Sie also ein Punktesystem. Was für Menschen suchen Sie?
Wir suchen Leute, die sich mit unserem Geschäftsmodell identifizieren können. Schließlich gehen 40 Prozent des Gewinns von Westlotto über das Land NRW an soziale Projekte, Sport, Naturschutz, Kunst und ähnliches. Wir schauen genau hin, ob die Bewerber und Bewerberinnen sich dafür begeistern können. Dieses Hinschauen lohnt sich: Unsere Übernahmequote bei den Azubis liegt bei über 90 Prozent.
Aber auch unsere Bewerberinnen und Bewerber sollten sich überlegen, ob unsere Unternehmenskultur und das was wir machen zu ihnen passt. Denn als Arbeitnehmer werden Sie durch das Unternehmen geprägt – stärker als Sie glauben.
Welche Art von Fragen stellen Sie im Vorstellungsgespräch?
Wir fragen beispielsweise: Warum geht Ihr bester Freund mit Ihnen ein Bier trinken? Ihre Antwort gibt Auskunft darüber, wie Sie sich sehen und was andere an Ihnen schätzen. Oder: Was müsste bei einem Wochenendausflug passieren, bei dem Sie zu sechst in einem Schlafsaal übernachten, damit Sie Ihren Schlafsack nehmen und den Raum verlassen? Solche Fragen verraten uns, was für ein Mensch Sie sind und ob Sie zu uns passen.
Sind Sie direkt als Chef zu Westlotto gekommen sind?
Nein, ich hatte schon eine lange Karriere in anderen Unternehmen hinter mir. Westlotto hat 2013 die Geschäftsführung erweitert und suchte nach einem Kandidaten. Zu dieser Zeit habe ich bei der NRW.Bank gearbeitet und nach Lösungen gesucht, wie eine Bank das Land bei seinen Herausforderungen unterstützen kann. In dieser Zeit sahen die Gremien von WestLotto und der Eigentümer in mir den richtigen Kandidaten.
Ich denke man kann nicht von heute auf morgen direkt Chef in einem Unternehmen werden. So habe ich in meinen verschiedenen Positionen bei unterschiedlichen Unternehmen immer wieder erkannt, dass es Dinge gibt, die mir fehlen und das aus eigenem Antrieb heraus nachgeholt. Unter anderem mit Ausbildungen an mehreren internationalen Universitäten.
Sie kamen von außen. Haben die Westlotto-Mitarbeiter sie gleich akzeptiert?
Natürlich haben sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefragt, was diese Stellenbesetzung für sie persönlich bedeutet. Einige haben sich auch bei meinem früheren Arbeitgeber über mich erkundigt. Glücklicherweise hatte der bisherige Westlotto-Geschäftsführer mein Kommen sehr gut kommuniziert, das hat geholfen. Die Akzeptanz hängt aber auch davon ab, wie man sich selber vorstellt. Wer nur oberflächliche Ahnung hat, aber gleich sagt, wo es langgeht, kommt nicht weit. Das funktioniert eigentlich nur bei einem Unternehmen in der Krise.
Wenn man Sie googelt, erfährt man, dass Sie verheiratet und Vater von zwei Töchtern sind. Hatten Sie erwartet, dass Sie als Chef derart in der Öffentlichkeit stehen würden?
Das hatte ich so stark sicherlich nicht unbedingt erwartet. Wir leben weiterhin in Mettmann und sind nicht nach Münster gezogen, obwohl ich dort geboren bin. Mettmann ist die Heimat unserer Kinder und dort werde ich auch nicht als Unternehmenschef wahrgenommen.
Die andere Seite der Bekanntheit habe ich während der Flüchtlingskrise kennengelernt: Gemeinsam mit dem Leiter des Deutschen Roten Kreuzes für Westfalen haben wir eine Aktion gestartet, um ehrenamtliche Helfer zu finden. Auf Plakaten und den Monitoren der Lotto-Annahmestellen haben wir nach Freiwilligen gesucht und innerhalb von kürzester Zeit Tausende gefunden. Als Statement haben wir 2016 auch unser Gebäude verhüllt mit dem Bild eines Künstlers, auf dem Orient und Okzident im Mittelmeer aufeinandertreffen. In dieser Phase kamen Anfeindungen und Prügelandrohungen, das hat sogar auch Mitarbeiter verunsichert. In solchen Zeiten schlägt die positive Seite der Bekanntheit um, das ist kein schönes Gefühl, aber auch Haltung gehört zur Führung dazu
Haben Sie ausreichend Zeit für sich und die Familie?
Im Moment leider zu wenig. Die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Krisen besonders im vergangenen Jahr hat viel Zeit und Kraft gekostet. Statt eines langen Urlaubs gibt es jetzt nur phasenweise Auszeiten und nahezu ständige Erreichbarkeit. Mit unseren Kindern gab es immer ein gemeinsames Frühstück, das war unser Ritual. Im Moment reise ich allerdings so viel, dass dieses Ritual oftmals nur noch am Wochenende möglich ist. Gleichzeitig führen Videokonferenzen dazu, dass der Tag noch kompakter und intensiver wird.
Bei so vielen Sorgen könnte ich gar nicht richtig schlafen. Wie ist das bei Ihnen?
Unterschätzen Sie das bitte nicht. Sie haben als Abiturientin genauso viele offene Fragen wie ich. Man muss eine Struktur für das eigene Zeitmanagement finden und es lernen, einige Fragen zu priorisieren und auch beiseitezuschieben. Wenn Sie vor den Klausuren stehen, mit der Menge an Themen, Fragen und Lücken, die nur Sie kennen, dann ist das genauso schlimm wie bei mir. Heute habe ich viele Leute, die mir helfen. Meine Sekretärin macht beispielsweise meinen kompletten Terminplan.
Woher nehmen Sie die Motivation für Ihre Arbeit?
Ich bin neugierig und will sicherlich auch gestalten. Ich will verstehen, wie Dinge funktionieren. Jeder von Ihnen muss sich fragen: Was motiviert mich? Wenn Sie die Antwort darauf kennen, können Sie entscheiden, ob diese für eine Karriere reicht und welche Art von Karriere Sie machen wollen.
Sie verkaufen Träume. Wie läuft das ab, wenn diese wahr werden und ein Mensch viel Geld im Lotto gewinnt?
Die Gewinner kommen zu uns nach Münster, wir empfangen sie in einem nüchternen Raum. Es gibt Wasser, Schorle, Kaffee, Tee, aber keinen Alkohol. Gemeinsam gehen wir die verschiedenen Themen durch und geben Tipps. Da gibt es drei goldene Regeln: Stillschweigen bewahren, Rat einholen und nichts übereilen. Bei diesen Gesprächen bin ich normalerweise nicht dabei, dafür haben wir speziell ausgebildete Mitarbeiter.
Sie spielen selbst Lotto. Was würden Sie machen, wenn Sie gewinnen würden?
Einen Teil würde ich spenden, zum Beispiel für eine Sporthalle bei uns im Ort. Dann würde ich einen weiteren Teil nutzen, damit sich die Kinder mit ihren Familien eine sorgenfreie Existenz aufbauen können. Natürlich würde ich mir auch ein paar Wünsche erfüllen, aber sofort meinen Job aufgeben würde ich sicherlich nicht.
Vielen Dank für das Gespräch.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×