Eine Arbeitsrechtlerin beantwortet die wichtigsten Fragen zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Was passiert, wenn der „gelbe Schein“ im neuen Jahr verschwindet?
Kranker Mitarbeiter
Gesetzlich Versicherte müssen ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht mehr selbst an den Chef übermitteln. (Symbolbild)
Bild: imago images/photothek
Düsseldorf Der gelbe Schein vom Arzt verschwindet: Gesetzlich Versicherte kriegen bei einer Krankschreibung in Zukunft keinen Durchschlag der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) für ihren Arbeitgeber mehr in die Hand gedrückt. Ab dem 1. Januar 2023 informiert stattdessen die Krankenkasse den Chef elektronisch über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit.
Jährlich werden laut dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen bundesweit rund 77 Millionen AU-Bescheinigungen ausgestellt. Jede besteht bisher aus vier Formularen – je eines für Arzt und Patient, die beiden weiteren musste bislang der erkrankte Angestellte an seine Versicherung beziehungsweise an seinen Arbeitgeber weiterleiten. Dieses Verfahren soll nun vereinfacht werden.
„Was im ersten Moment simpel klingt, hat in der Praxis durchaus Tücken“, sagt Janine Krupa-Soltane. Die Fachanwältin für Arbeitsrecht von der internationalen Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing beantwortet die wichtigsten Fragen zum neuen Verfahren der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU):
Ärzte und Kliniken erfassen Patientendaten bereits heute digital und übermitteln sie an die knapp 100 gesetzlichen Krankenkassen. Ab Januar sollen nun die Versicherungen diejenigen Arbeitgeber informieren, deren Mitarbeiter krankgeschrieben wurden.
Nein, nur teilweise. Die elektronische AU gibt es nur für gesetzlich, nicht aber für privat Versicherte und auch nur, wenn ein Angestellter sich von einem Vertragsarzt krankschreiben lässt. Zudem erhalten gesetzlich Versicherte auch weiter ihren Teil der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform. Darin ist die Diagnose enthalten, die der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber üblicherweise nicht mitteilt. Bis auch dieser Part digitalisiert ist, wird es noch dauern.
Es entfällt die Pflicht, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Personalabteilung postalisch oder digital zuzusenden. Stattdessen müssen künftig Arbeitgeber in jedem Einzelfall die eAU abrufen. Das neue Verfahren ändert nichts daran, sich beim Arbeitgeber krankmelden zu müssen. Sofern im Arbeitsvertrag nichts anderes vereinbart ist, sollen Arbeitnehmer spätestens am vierten Krankheitstag ihrem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Diese Pflicht besteht nach wie vor.
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Wer sich also am Montag beim Chef zum Beispiel telefonisch krankmeldet, müsste sich spätestens am Donnerstag vom Arzt krankschreiben lassen. Das ist wie gehabt rückwirkend bis zu drei Tage möglich. Bei wem ein längerer Klinikaufenthalt ansteht, derjenige informiert den Arbeitgeber über die voraussichtliche Dauer: „Ich bin die nächsten zwei Wochen krank.“ Wer vergisst, sich rechtzeitig beim Arbeitgeber abzumelden, kann dafür abgemahnt werden.
Ja, das müssen sie. Denn erst nachdem der Arbeitgeber vom Versicherten über die Krankschreibung informiert wurde, darf der Chef das System zum Abruf der eAU nutzen.
Für manchen Personalmanager wird das Prozedere umständlicher, manche empfinden es als Erleichterung. Bislang wartete der Arbeitgeber darauf, dass der Beschäftigte seine AU einreicht. Jetzt muss sich das Unternehmen selbst darum kümmern, die eAU rechtzeitig zu erhalten. Dafür braucht der Arbeitgeber aber nicht mehr hinter säumigen Angestellten herlaufen.
So ist der neue Ablauf: Der Arzt signiert die Krankschreibung elektronisch. Dieses Verfahren dauert einige Zeit, deswegen greifen die Mediziner zur Stapelsignatur: Der Arzt identifiziert sich nach Ende seiner Sprechstunde im System und signiert alle elektronischen AUs, die tagsüber aufgelaufen sind und leitet sie erst dann digital an die Krankenkassen weiter.
Das heißt, für den Arbeitgeber macht es Sinn, frühestens einen Tag nach dem Arztbesuch die eAU anzufordern. Der Arbeitgeber sollte dokumentieren, dass und wann ein Angestellter mitgeteilt hat, dass er krank ist.
Ein Arbeitgeber darf nicht pauschal oder prophylaktisch für alle Arbeitnehmer elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei den Krankenkassen abrufen. Sondern nur dann, wenn sein Mitarbeiter sich krankgemeldet hat und zudem noch weiter bei ihm beschäftigt ist.
Die Folgebescheinigung ist ein neuer Prozess – alles, von der Info an den Arbeitgeber, über dessen Abruf der eAU bei der Versicherung, beginnt von vorn.
Privatärzte und -kliniken sind nicht dazu verpflichtet, sich an das elektronische AU-System anzuschließen. Sie stellen weiterhin den klassischen gelben Schein aus, dessen Arbeitgeberteil vom Versicherten dann an die Personalabteilung übermittelt werden muss.
Ja, Privatpatienten sind nicht erfasst. Sie bleiben beim gewohnten Papier-Prozess. Lässt sich ein gesetzlich Versicherter von einem Privatarzt krankschreiben, kann der Arbeitgeber keine eAU abrufen.
Eine Ausnahme bilden Minijobber in privaten Haushalten: Ihre Arbeitgeber müssen sich nicht an das eAU-System anschließen.
Nein, die Gefahr besteht nicht. Gibt es eine technische Panne beim Arzt, sollten Versicherte den klassischen Ausdruck für den Arbeitgeber verlangen und ihn wie früher selbst an den Chef übermitteln.
Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung funktioniert nur in Deutschland. In diesem Fall sollten Arbeitnehmer eine Info zur Erkrankung wie bisher telefonisch, per E-Mail oder per Post durchgeben und eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform oder digitalisiert einreichen, damit erfüllen sie die Anforderungen des Chefs.
Erstpublikation am 19.12.2022, um 09:51 Uhr.
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