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31.03.2023

12:39

Frugalismus

Die fünf besten Tipps von Frugalist Florian Wagner

Von: Anja Reumschüssel

Aus dem Handelsblatt-Archiv: Für Florian Wagner ist Frugalismus Selbstverwirklichung. Denn mit 40 will der Frugalist in Rente gehen. Seine besten Tipps für die finanzielle Freiheit.

Frugalist Florian Wagner geldschnurrbart.de

Frugalist Florian Wagner

„Frugalisten schränken sich nicht komplett ein, die haben auch heute schon Spaß – nur eben effizient.“

Hamburg Florian Wagner hatte es satt. Jeden Morgen früh aufstehen, ins Büro fahren, stundenlang in sinnlosen Meetings sitzen, zu viele Besprechungen, viel Zeitverschwendung. Auch die netten Kollegen und die 75.000 Euro Jahreseinkommen motivierten ihn nicht. „Zum Schluss fand ich es nicht mehr sinnvoll, was ich da den ganzen Tag machte“, erzählt er. Also kündigte er. Das war vor drei Jahren.

Wagner hatte damals bereits ein Depot im Wert von 140.000 Euro. Im Jahr 2021 war er 34 und stand bei 430.000 Euro. Mit 40 will er in Rente gehen. Profisparer wie Wagner heißen Frugalisten. Der Trend stammt aus den USA, das Ziel: finanzielle Freiheit. Doch wie kommt man dahin?

Florian Wagner erklärt Ihnen seine Finanzstrategie, Entscheidungen zu Gehalt und Karriere und Wege für passives Einkommen.

Frugalismus: 1. Tipp – Viel und diversifiziert Geld investieren

Ohne Sparen geht im Frugalisten-Leben nichts. Doch es braucht einen konkreten Plan. Bei Wagner sah dieser so aus: In gerade einmal vier Berufsjahren als Ingenieur bei einem Automobilzulieferer hat es Wagner geschafft, jedes Jahr im Schnitt 30.000 Euro zur Seite zu legen und zu investieren.

Wagner steckte all sein Geld in langfristige und risikoarme Finanzprodukte, bei ihm waren es breit gestreute ETFs: 70 Prozent gingen in einen Indexfonds mit Aktien aus Industrieländern, 30 Prozent in einen Fonds mit Aktien aus Schwellenländern. Damaliger Wert: 140.000 Euro. „Das hat mir als Beamtensohn die Sicherheit gegeben, in Ruhe zu kündigen.“

Frugalismus: 2. Tipp – Effizient leben und Spaß haben

Sieben Jahre hätte Wagner damals von seinem Depot leben können, so rechnete er es sich aus. 20.000 Euro im Jahr reichten ihm. Klar sei diese Summe sehr individuell, sagt Wagner, doch er weiß: Er ist damit noch ein gemäßigter Frugalist. Einigen Alleinstehenden reichen schon durchschnittlich 850 Euro im Monat für Miete, Essen, Freizeit und den Jahresurlaub. Eine vierköpfige Familie könne mit 2500 Euro im Monat auskommen, sagt er.

Wie hoch die Ausgaben sind, kommt vor allem auf die Miete an – die ist in Stuttgart, wo Wagner wohnt, natürlich höher als in einem Dorf in Brandenburg. Für finanzielle Unabhängigkeit ist das 25-Fache der eigenen Jahresausgaben nötig, besagt die Frugalisten-Faustformel.

„Frugalismus hat nichts mit Geiz und Knausrigkeit zu tun“, betont Wagner, „es geht darum, das beste Leben für sich zu gestalten.“ Soll heißen: Weniger Fleisch, dafür aber das gute vom Biometzger. Weniger auswärts essen, lieber mit Freunden kochen. Abends ein Bier auf dem Balkon genießen, statt nach Feierabend in der Bar zu versacken. „Frugalisten schränken sich nicht komplett ein, die haben auch heute schon Spaß – nur eben effizient.“

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Wagner lebt in einer Zweizimmerwohnung, fährt Rad statt Auto, reist nach Bayern statt zum Ballermann, weil Wandern ihm sowieso mehr Spaß macht, als sich am Strand zu betrinken. Und wenn er mal Kinder hat, will er die Grundausstattung gebraucht kaufen und ihnen „eher Zeit als Zeug“ schenken.

Frugalismus: 3. Tipp – Nebeneinkommen aufbauen

Fakt ist: Nicht jeder hat so viel Geld auf der hohen Kante, dass er wie Wagner unbesorgt kündigen kann. Manch einer mag seinen Job vielleicht sogar gern, auch wenn der Verdienst mickrig ist. Nur liegt dann die finanzielle Freiheit weit hinter der eigenen Lebenserwartung.

„Frugalismus ist für jeden anwendbar, auch mit kleinem Gehalt. Er besagt ja nur, dass ich mein Geld bewusst ausgebe und lerne, wie ich investiere“, erklärt Wagner. „Und wenn ich wenig habe, muss ich erst recht bewusst mit meinem Geld umgehen.“

Gerade bei geringem Einkommen gehe es darum, weitere Einkommensquellen aufzutun, um sich finanziell freier zu fühlen: „Man kann mit jedem Hobby, von Nähen bis Baumschnitt, online aktiv werden und zum Beispiel über einen Blog zusätzlich Geld verdienen“, rät Wagner. „Da ist nicht die Rente das Ziel, sondern eher finanzielle Sorglosigkeit, mehr Flexibilität.“ Das könne Freiraum schaffen, um mal ein Sabbatical einzuschieben oder in Teilzeit zu gehen und mehr Zeit für die Kinder oder ein Hobby zu haben.

Frugalismus: 4. Tipp – Mehr Mut bei der Gehaltsverhandlung

Das Gehalt zu verhandeln ist wohl der direkteste Hebel, um die eigenen monatlichen Einnahmen zu erhöhen.

„Viele wechseln den Arbeitsplatz, damit sind größere Gehaltssprünge möglich“, weiß Wagner. Auch in der Gehaltsverhandlung hilft es natürlich, wenn das Konto oder – besser noch – das Depot schon gut gepolstert ist. Und die Fixkosten möglichst gering sind.

Wer erst einmal 10.000 Euro im Monat ausgeben muss, um den eigenen Lebensstandard zu halten, ist natürlich abhängiger von einem Job, traut sich im Verhandlungspoker weniger zu und wechselt nicht so schnell den Job wie Wagner mit seinen monatlichen Fixkosten von unter 2000 Euro.

In der Verhandlung selbst, rät er, sich immer wieder eine Sache bewusst zu machen: Was will ich wirklich? Da komme es nicht unbedingt darauf an, dass am Monatsende ein paar Hunderter mehr aufs Konto fließen. Ziel der Gehaltsverhandlung könne neben mehr Geld auch ein spannenderes Arbeitsumfeld sein – oder ein paar Homeoffice-Tage im Monat, an denen man wenigstens nicht pendeln muss. Auch das sei Freiheit, so Wagner. Nur fürs Geld in einem Job zu bleiben, der einen auslaugt, das sei nun wirklich nicht gesund.

Frugalismus: 5. Tipp – Mehr Mut bei der Kündigung

Wagner war mit seinen Finanzen auf einem guten Weg zur finanziellen Freiheit, als ihn der Frust im Job überkam. Dann tat er, was das oberste Gebot der Frugalisten ist, wichtiger noch als Sparen und Investieren: Er entschied sich für das bessere Leben. Und kündigte. „Ohne zu wissen, was ich dann mache“, erzählt er.

Ein Jahr nach seiner Kündigung hatte er bereits höhere Einnahmen als zuvor in seinem sicheren Job. Wagner berät jetzt Unternehmen in Webseitenoptimierung und verdient Geld mit seinem Blog „Geldschnurrbart“. Und er hat ein Buch geschrieben, das so heißt wie sein Ziel: „Rente mit 40“.

Florian Wagner: Rente mit 40 – Finanzielle Freiheit und Glück durch Frugalismus
Econ, 2019
304 Seiten
14,99 Euro

„Die Kündigung war die beste Entscheidung überhaupt, Lebenszeit ist so wichtig“, sagt er. Als Schulabgänger dachte der gebürtige Schwabe noch: Ein Ingenieurstudium, richtig reinhängen, Auslandspraktika, das bringt dann ordentlich Geld. Heute sagt er: „Ich würde mich direkt selbstständig machen, Fähigkeiten lernen, die ich im Internet einsetzen kann.“

Denn finanzielle Freiheit ist vor allem das: die Freiheit zu tun, worauf man Lust hat. Wer einen Job mache, der einem gefalle, müsse nach Feierabend auch weniger kompensieren, sagt Wagner. Weniger Feierabendbierchen, weniger Hobbys als Ausgleich, weniger Urlaub zur Erholung. Und weniger ist immer auch mehr auf dem Konto – nicht nur bei Frugalisten.

Dieser Artikel erschien bereits am 14.10.2021. Der Artikel wurde erneut geprüft und mit leichten Anpassungen aktualisiert.

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