Die EU wird die Regeln für faire Vergütung verschärfen. Die Zeit drängt. Arbeitgeber können es sich nicht länger leisten, den Ruf nach Gehaltstransparenz zu ignorieren.
Nachdenkliche Angestellte
Mitarbeiterinnen wollen nicht länger akzeptieren, dass sie weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen.
Bild: Maskot/Getty Images
Düsseldorf Noch beruhen Tatsachen wie diese auf Freiwilligkeit: Der Sportartikelhersteller Puma hat eine Strategie entwickelt, um die faire Bezahlung von Frauen im eigenen Unternehmen zu garantieren. Damit kommt das Unternehmen einem zukünftigen EU-Recht zuvor. Für jeden neuen Mitarbeiter bei Puma wird eine genaue Eingruppierung vorgenommen, für Gehaltserhöhungen und Boni gibt es strikte Regeln – sodass Frauen, die den gleichen Job wie Männer ausüben, nicht benachteiligt werden.
Dennoch zeigt sich bei der freiwilligen Entgeltanalyse durch das Fair Pay Innovation Lab (FPI) eine Lohnlücke von 24 Prozent zum Nachteil weiblicher Angestellter bei dem Sportartikelhersteller. „Wird allgemein der Durchschnittsverdienst aller Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen miteinander verglichen, entsteht der Eindruck, dass Männer bei uns mehr verdienen“, sagt Puma-Personalchef Dietmar Knoess. Das sei allerdings ein Trugschluss, wie der „bereinigte“ Gender Pay Gap zeigt.
Der „bereinigte“ Gender Pay Gap misst den Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen mit jeweils vergleichbaren Tätigkeiten, Qualifikationen und Erfahrungen. Wichtig ist, dass dieser bereinigte Gender Pay Gap beim Gehaltsvergleich jeweils gegen null geht. „Unser bereinigter Gender Pay Gap liegt in Deutschland bei unter einem Prozent“, sagt Knoess.
Wie aber erklärt sich dann die entdeckte Lohnlücke?
Der Hauptgrund offenbart sich nach noch tieferen FPI-Analysen: Er liegt darin, dass es derzeit speziell auf einer Hierarchiestufe noch deutlich mehr Männer als Frauen gibt: Die vergleichsweise hochbezahlte Bereichsleiterebene ist, anders als zum Beispiel der Puma-Vorstand, noch nicht zur Hälfte männlich und weiblich besetzt. Das schnellstens zu beheben ist jetzt das Ziel von Personalchef Knoess.
So detailliert wie das deutsche Unternehmen Puma sollen nach Willen der EU künftig alle Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden hinschauen, wie es bei ihnen um das Thema faire Vergütung bestellt ist. Und wie gezielt nachgebessert werden muss, falls eine bereinigte Lohnlücke in einer Jobkategorie von mehr als fünf Prozent auftaucht, die sich nicht durch Leistung, Berufserfahrung oder Führungsverantwortung erklären lässt.
Für diese neue Directive hat die EU-Kommission vom EU-Parlament inzwischen grünes Licht signalisiert bekommen. Die EU-Richtlinie wird anders als das deutsche Entgelttransparenzgesetz die Beweislast umkehren und Unternehmen mit Strafen belegen, die Mitarbeiter beim Gehalt benachteiligen. Darüber hinaus sollen Benachteiligte sogar Anspruch auf Entschädigung haben.
Um solche drastischen Folgen zu vermeiden, beschäftigen sich schon heute Unternehmen wie Puma, aber auch der Autohersteller BMW oder der Versicherer Allianz aktiv damit, wie sie unfaire Löhne und Gehälter ausmerzen können.
Nach letzten Erhebungen des Statistischen Bundesamts liegt der unbereinigte Gender Pay Gap in Deutschland bei 18 Prozent. Auch „bereinigt“ um den Fakt, dass Frauen öfter in Teilzeit und schlechter bezahlten Jobs arbeiten, bleiben noch immer sechs Prozent weniger Verdienst. Gegen diese geschlechtsspezifische Diskriminierung werden am Equal Pay Day am Dienstag bundesweit berufstätige Frauen demonstrieren.
Experten wie Florian Frank, Leiter des Bereichs Work & Rewards bei der Vergütungsberatung Willis Towers Watson, gehen davon aus, dass die neue Richtlinie Ende des ersten Quartals das EU-Parlament passiert. Ab dann hat Deutschland drei Jahre Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen.
„Auf dieser Frist sollten sich Arbeitgeber keineswegs ausruhen“, sagt Berater Frank. „Drei Jahre sind nicht viel Zeit, um Gehaltsdiskriminierung aufzuspüren und mit einem passenden Maßnahmenmix gegenzusteuern.“ Vor allem dann nicht, wenn Unternehmen erst sehr wenige oder womöglich gar keine Frauen auf den obersten Führungs- und Gehaltsebenen beschäftigten.
Puma dagegen hat in den letzten Jahren schon viel geschafft, um die einstige Männerdominanz zu beseitigen, die die unbereinigte geschlechtsspezifische Lohnlücke noch heute prägt. So sind bereits 44 Prozent aller Führungskräfte weiblich. Ein großer Schritt hin zu Lohngerechtigkeit.
„Puma ist auf dem bestem Wege“, bestätigt FPI-Chefin Henrike von Platen. Die externe Prüfinstanz bescheinigt dem Sportartikelproduzenten jetzt den Aufstieg vom „Fair Pay Analyst“ zum „Fair Pay Developer“-Status. Mit gezielter Nachfolgeplanung von Frauen auf der Bereichsleiterebene sieht sich Puma für die kommende EU-Richtlinie gewappnet.
Bislang haben aber gerade mal rund zehn Unternehmen das Verfahren der FPI-Entgeltanalyse auf sich genommen. Neben Puma und BMW wollen es noch ein paar Mittelständler genau wissen.
Ausgangspunkt des strengen FPI-Zertifizierungsverfahrens „Universal Fair Pay Check“ ist eine isländische Analysesoftware, die den hohen gesetzlichen Transparenzpflichten der Skandinavier, aber auch Großbritanniens, Spaniens und der Schweiz entspricht. In diesen Ländern müssen Arbeitgeber faire Bezahlung schon regelmäßig nachweisen – ansonsten drohen ihnen Bußgelder.
Ein Umstand, auf den sich deutsche Unternehmen besser gefasst machen – und nicht nur aus rein gesetzgeberischen Gründen. Vergütungsberater Florian Frank sagt: „Wer auf dem Arbeitsmarkt die seltener werdenden Talente für sich gewinnen will, muss ihrer Erwartung von fairer Bezahlung und Transparenz gerecht werden.“
Auch BMW-Personalvorständin Ilka Horstmeier weiß, wie komplex und aufwendig es ist, ein faires Vergütungssystem zu etablieren. Mehr als 40 Mitarbeiter sind in der Münchener Zentrale allein damit beschäftigt, neue Kollegen und Kolleginnen, die tariflich gebundene Jobs machen, oder Mitarbeitende, die außertarifliche Positionen bekleiden, gehaltstechnisch korrekt in das Vergütungsgefüge der insgesamt 80.000 Beschäftigten in Deutschland einzusortieren.
Der Münchener Automobilhersteller hat dafür als erstes deutsches Unternehmen überhaupt den höchsten Rang der dreistufigen FPI-Zertifizierung der gemeinnützigen Berliner Institution erreicht. Diese Zertifizierung als „Fair Pay Leader“ ist für Horstmeier „das Ergebnis sehr konsequenten Handelns der vergangenen Jahre“.
Beschäftigte, von der Produktion bis zum Vorstand, fair zu bezahlen, sei nicht nur selbstverständlich, sondern auch Ausdruck der Unternehmenskultur, in der Chancengleichheit bei der Karriereentwicklung von Männern und Frauen zähle. Hierauf fokussiert sich Personalchefin Horstmeiers Strategie.
Üblicherweise verlieren Arbeitgeber weibliche Talente an zwei Stellen: jüngere Frauen, wenn sie erstmals Führungsverantwortung übernehmen sollen. Und später dann, wenn es vom mittleren ins obere Management gehen soll. Horstmeier: „Kandidatinnen muss man fördern, ihnen individuelle Lösungen anbieten und sie manchmal zum nächsten Schritt ermutigen, sonst springen sie ab.“
Um also gezielt Frauen für höhere Führungspositionen zu gewinnen, hat die Personalchefin zum Beispiel bereits vor drei Jahren das Programm „Joint Leadership“ eingeführt. Inzwischen teilen sich rund 100 Führungskräfte eine Führungsposition – von der Team- bis zur Abteilungsleitung. Diese Option nutzen hauptsächlich Frauen.
Dank des individuell ausgehandelten Teilzeitmodells bleiben diese Mitarbeiterinnen im Talentpool des bayerischen Autoproduzenten und können einen Karrieresprung machen, wenn sie wieder Vollzeit arbeiten. Mit solchen flexiblen Angeboten konnte Horstmeier den Anteil von Frauen in Führungspositionen über alle Hierarchieebenen hinweg deutlich steigern.
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