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24.02.2023

16:03

Interview Julia Klier

„Inviduelle Lösungen genügen nicht bei der Weiterbildung.“

Die Professorin für Wirtschaftsinformatik fordert ein nationales Portal zum beruflichen Weiterbildungsbedarf.

Klier ist Partnerin bei der Strategieberatung McKinsey & Company in München und Juniorprofessorin für Wirtschaftsinformatik an der Universität Regensburg. dpa picture alliance

Julia Klier

Klier ist Partnerin bei der Strategieberatung McKinsey & Company in München und Juniorprofessorin für Wirtschaftsinformatik an der Universität Regensburg.

Julia Klier ist Partnerin bei der Strategieberatung McKinsey & Company in München und Juniorprofessorin für Wirtschaftsinformatik an der Universität Regensburg. In den vergangenen Jahren war sie an zahlreichen Studien zum Thema Kompetenzen der Zukunft beteiligt, darunter die Studie Future Skills des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft. Sie plädiert für einen stärkeren Schulterschluss von Wirtschaft und Politik bei der Mission zur Zukunft der Arbeit.


Frau Klier, Weiterbildung gilt als Zukunftsthema, doch es gibt kaum belastbare Zahlen. Wie groß ist die Qualifizierungslücke in Deutschland Ihrer Erfahrung nach?

Zunächst einmal muss man unterscheiden zwischen Reskilling und Upskilling. Beim Reskilling, also der Requalifizierung oder Umschulung, geht es darum, neue berufliche Kompetenzen zu erwerben, um anschließend in einen anderen, oft besser bezahlten und gefragteren Job zu wechseln. Wir schätzen, dass bis 2030 rund sechs Millionen Deutsche ein Reskilling benötigen, um weiterhin beschäftigt zu bleiben. Darüber hinaus muss heute jeder von uns bereits vorhandene Kompetenzen regelmäßig updaten – auch ich. Dieses Upskilling erfolgt aber in der Regel kontinuierlich im Job.

Die Transformation der Wirtschaft findet in den Unternehmen statt, die Ausbildung von Fach- und Führungskräften zu einem großen Teil an Schulen und Hochschulen. Wer ist verantwortlich für ein funktionierendes Weiterbildungssystem?

Im Idealfall alle zusammen. In wenigen Jahren Millionen von Erwachsenen mit überholten Qualifikationen zu dringend benötigten Fachkräften umzuschulen ist eine komplexe Aufgabe. Individuelle Lösungen werden nicht genügen, um den Bedarf zu bewältigen. Initiativen wie „Allianz der Chancen“ oder „Reskilling 4 Employment“ sind erste Beispiele, wie Unternehmen und öffentliche Stellen die Mission im Schulterschluss bewältigen können.

Was müsste konkret passieren, um eine Qualifizierungsoffensive zu starten?

Wäre Deutschland ein Unternehmen, müsste der CEO jetzt sagen: „Ich möchte wissen, welche Skills in diesem Land aufgrund der Transformation in den kommenden Jahren benötigt werden, damit ich meinen Arbeitsmarkt, mein Bildungssystem und meine Unternehmen schon heute darauf vorbereiten kann.“ Bis beispielsweise die ersten Absolventen neuer Berufsausbildungen oder Studiengänge auf den Markt kommen, vergehen oft Jahre.

Woher sollen die dafür nötigen Informationen kommen?

Vieles ist bereits vorhanden, man müsste es nur zusammentragen. Die „Allianz der Chancen“ schlägt zum Beispiel einen Transformationsmonitor vor, der alle relevanten Datenpunkte für zukünftig notwendige Qualifikationen verbindet und zentral zugänglich macht. Arbeitsmarktdaten hat die Bundesagentur, Informationen zum Studienangebot gibt es beim Stifterverband, Stellenanzeigen oder Umfragen bei Unternehmen liefern Daten zur Nachfrage nach Kompetenzen oder Qualifikationen.

Was würde ein Portal konkret bringen?

Der größte Vorteil liegt in der Transparenz und in der Möglichkeit, weitsichtig zu planen. Es wäre dann einfacher, Bildungswege zielorientiert zu planen oder zukunftsfähige Weiterbildung gezielt zu fördern. Der Transformationsmonitor kann dann eine Grundlage sein für Initiativen: Zum Beispiel können einzelne Unternehmen die Ergebnisse des Monitors als Grundlage nehmen, um sich zu orientieren, welche Kompetenzen sie künftig brauchen und wo vielleicht Lücken bestehen. Auch Orientierungsangebote für Beschäftigte könnten daraus entstehen, um zu verstehen, welche Future Skills relevant sein werden, und bei Bedarf maßgeschneiderte Trainingsangebote zu finden, um fit für den Arbeitsmarkt zu bleiben.

Welche in Zukunft gefragten Qualifikationen sind heute schon abzusehen?

Zum einen insbesondere technologische Kompetenzen, beispielsweise im Bereich KI, Robotik oder Quantencomputing. Um digital und in virtuellen Teams zusammenzuarbeiten, online zu lernen oder sicher mit sensiblen Daten umzugehen, benötigen Beschäftigte zudem digitale Schlüsselkompetenzen. Der Future Skills Monitor zeigt aber auch, dass es ein hohes Wachstum in Berufsbereichen geben wird, in den sozio-emotionale Fähigkeiten wie Verhandlungsführung, Einflussnahme und Entscheidungsfindung erforderlich sind.

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