Ein IT-Bereichsleiter kämpft mit Erschöpfung und der Sorge, in der Krise keine gute Führungskraft mehr zu sein. Was tun? Karrierecoach Michael Alznauer weiß Rat.
Erschöpfung
Viele Manager und Mitarbeiter leiden unter der nicht enden wollenden Krise. Was tun? Ein Karrierecoach weiß Rat.
Düsseldorf Regelmäßig präsentieren wir Ihnen an dieser Stelle eine Frage zu Job, Gehalt oder Karriere – mit einer Antwort eines unserer renommierten Experten. Wenn Sie auch eine Frage an den Handelsblatt Karrierecoach haben, schicken Sie uns eine Mail an [email protected] – wir leiten Ihre Frage anonymisiert an unsere Experten weiter.
Wenn Karsten H. von seinem Alltag spricht, merkt man ihm seine Belastung an: Zwischen Homeschooling und Videokonferenzen bleibt ihm kaum noch Zeit für sein Privatleben. Das belastet. „Meine Batterie ist leer, und das Team spürt das.“
Den IT-Bereichsleiter, der 80 Mitarbeitern vorsteht, quält vor allem die Frage, ob er der Verantwortung seiner Führungsaufgabe in dieser Verfassung überhaupt noch gerecht werden kann. Er fragt sich, wie er mit seiner wachsenden Verunsicherung umgehen soll, ohne seine Mitarbeiter und das Unternehmen in dieser schwierigen Zeit zu enttäuschen.
Das hört sich nach einer psychologischen Zwickmühle an, lieber Herr H.: Auf der einen Seite Ihr spürbares Verantwortungsbewusstsein, all die Probleme der Pandemie lösen und niemanden enttäuschen zu wollen.
Und auf der anderen die Erkenntnis, dass Sie nicht in der Lage sind, dafür noch mehr Energie zu investieren. Tragischerweise wird Ihnen diese Zwickmühle – gerade wenn Sie schon längere Zeit darin feststecken − zusätzliche Kraft rauben.
Sie könnten versucht sein, jetzt über Ihre Belastbarkeit nachzudenken, also über Ihre Resilienz und Widerstandsfähigkeit. Lassen Sie das! Ich bin sicher, Sie gehören wie sehr viele Führungskräfte zu den Menschen, die ihre Stressfähigkeit schon oft bewiesen haben.
Der eigentliche Punkt liegt vermutlich an einer anderen Stelle: Die nicht enden wollende Pandemie stellt für uns alle vieles infrage, was früher gut funktioniert hat.
Handelsblatt Karrierecoach
In dieser Rubrik können Leser ihre Fragen zu Job und Karriere stellen – die Antwort hat diesmal Führungscoach Michael Alznauer geliefert.
Ihre bisherige berufliche Entwicklung hat auch viel mit Ihrem hohen Maß an Verantwortungsbewusstsein zu tun. Wenn es Schwierigkeiten gibt, kümmern Sie sich engagiert um eine Lösung. Das ist zwar anstrengend, aber Sie werden durch den Erfolg und die Anerkennung für Ihren Einsatz belohnt.
Mit dieser Art von Belastung − nennen wir sie „Lösungsstress“ – haben die Probleme der Pandemie nicht mehr viel gemein. Während im ersten Lockdown vor einem Jahr noch viel umzustellen, zu organisieren und zu lösen war, geht es jetzt vor allem um ein gemeinsames Aushalten.
Wir können hier von „Durchhaltestress“ sprechen, weil wir mit all unserer Einsatzbereitschaft an dieser Stelle nicht viel ausrichten können. Hier sind neue Wege gefragt.
Ich schlage Ihnen folgende Denk- und Arbeitsweise vor:
Wenn Ihre Batterie leer ist, haben Sie tatsächlich ein grundlegendes Problem. Deshalb hat Selbst-Fürsorge für Sie gerade höchste Priorität! Das Wichtigste zuerst: Hören Sie auf, sich unter Erfolgs- und Verantwortungsdruck zu setzen. Sie vergeuden sonst Ihre letzten Reserven. Mit Druck und Kampf können Sie gerade nichts gewinnen.
Nutzen Sie die dadurch eingesparte Kraft, um sich und Ihrer Familie ein paar schöne Momente zu gönnen. Mit der auf diese Weise gewonnenen Energie können Sie den nächsten Schritt angehen.
Sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeiter den Unterschied zwischen Lösungs- und Durchhaltestress verstehen. Es geht gerade nicht darum, die maximal verfügbaren Kräfte der Beteiligten zu mobilisieren. Vielmehr müssen alle mit den vorhandenen Reserven achtsam haushalten.
In der Praxis sieht das so aus: Im Durchhaltemodus gilt es daher noch konsequenter als zuvor, alle Aktivitäten auf ihre Notwendigkeit hin zu überprüfen. Was ist in Ihrem Verantwortungsbereich derzeit wirklich unumgänglich oder strategisch außerordentlich wertvoll?
Meine Tipps: Kürzen Sie Videokonferenzen und gehen Sie nicht von einem Meeting in das nächste. Bringen Sie stets nur wenige Punkte auf die Agenda. Stimmen Sie im Team regelmäßig ab, was gerade das Wichtigste ist. Wechseln Sie sich untereinander mit „störungsfreien Tagen“ ab, an denen Mitarbeiter nur in Notfällen angerufen werden sollten – und respektieren Sie diese Freiräume unbedingt.
Offenbar zermürben Sie sich zusätzlich mit der Sorge, Ihrer Führungsverantwortung nicht mehr gerecht werden zu können. Schluss mit solchen pauschalen Selbstzweifeln. Fragen Sie sich vielmehr pragmatisch, worin Ihre Führungsaufgabe in dieser Phase besteht. Und machen Sie es sich dabei nicht unnötig schwer.
Die Kernfrage der Führung lautet für Sie gerade: Funktioniert das Tagesgeschäft? Hören Sie dazu einfach Ihren Mitarbeitern zu, und unterstützen Sie deren Hilfe untereinander. Wenn es Probleme gibt, um die Sie sich tatsächlich selbst kümmern müssen, tun Sie das möglichst an Ihrem „störungsfreien Tag“. So werden Sie bei dieser offenbar wichtigen Sache nicht abgelenkt.
Den Kontakt mit Ihrem Team sollten Sie in kleine Zeiteinheiten aufteilen. Lieber ein paar Zehn-Minuten-Gespräche mit einzelnen Mitarbeitern als eine lange Videokonferenz mit allen. Übrigens: Auch in der Pandemie können Sie auch zum Telefonhörer greifen – das geht oftmals schneller.
Sie werden feststellen, dass dieser Dreipunkteplan nicht nur Ihre Kräfte schont, sondern Sie auch handlungsfähiger und sogar selbstbewusster macht. Sie werden zudem auch ein breiteres Repertoire an persönlichen Lösungen und Führungsansätzen entwickeln. Und das merkt dann auch Ihr Team. Versprochen!
Michael Alznauer aus Bonn ist Führungsspezialist, Managementberater und Evolutionspsychologe. Der Gesellschafter der Karriereberatung LEAD2gether ist Autor des Ratgebers „Das evolutionäre Führungsmodell. Sieben Kernaufgaben für eine erfolgreiche und effiziente Führungskraft“.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×