Business-Schools sind bekannt für praxisnahe Managerausbildung, doch immer mehr engagieren sich auch in der wissenschaftlichen Forschung. Das hat handfeste wirtschaftliche Gründe.
Lehre
Forschung gehört zur Lehre – das gilt auch für Business-Schools.
Bild: ddp images
Texas gilt als modernes Wirtschaftsparadies. Mit niedrigen Steuern, moderaten Lebenshaltungskosten und geringer staatlicher Regulierung hat sich das Land der Rinderherden und Ölfördertürme zum Technologiestandort gemausert. Tesla, Oracle, Dell und Hewlett Packard Enterprise verlegten sogar ihre Firmenzentralen dorthin. Als Forschungsstandort und Taktgeber der Weltwirtschaft ist der US-Bundesstaat bisher eher kein Begriff.
Hasan Pirkul will das ändern. Seit 1996 leitet der Wirtschaftsingenieur die Naveen Jindal School of Management an der University of Texas in Dallas (UTD) und hat die Business-School in dieser Zeit zu einer der forschungsstärksten der Welt gemacht. „Von Wirtschaftsforschern veröffentlichte Artikel haben direkte Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, weil sie Unternehmen dabei helfen, effizienter und effektiver zu sein,“ sagt der Professor für Informationssysteme.
Damit auch jeder merkt, wie viel Forschungsaufwand die UTD betreibt, hat Pirkul die passende Rangliste gleich dazuerfunden. Im selbst entwickelten Research Ranking liegt die in Europa eher unbekannte Managementschmiede heute weltweit auf Platz zwei. Zwar hinter der renommierten Wharton School – aber vor Elite-Universitäten wie Harvard, Stanford oder Oxford. Dass es ihm dabei auch um Marketing geht, gibt Pirkul offen zu: „Die Verbesserung unseres Ansehens erleichtert das Rekrutieren von Lehrkräften, Studenten und Unternehmen von außerhalb der Region erheblich.“
Private Wirtschaftshochschulen stehen für eine praxisnahe Managementausbildung, wer hier studiert, will die in der Regel seine Karrierechancen und Verdienstmöglichkeiten verbessern. Ob die Professoren fleißig forschen und publizieren, ist dafür zweitrangig. Gerade in Deutschland gilt akademische Forschung als Domäne der staatlichen Universitäten. Doch dieses Klischee stimmt so nicht mehr. Forschung gewinnt für Business-Schools immer mehr an Bedeutung.
„Alle Topadressen sind heute sehr forschungsintensiv“, sagt Christian Terwiesch. Der deutsche Wirtschaftsinformatiker muss es wissen, denn er kennt einige der weltbesten Kaderschmieden von innen. Nach dem Studium in Mannheim, promovierte er an der französischen INSEAD, seit 1998 ist er Professor in Wharton, der Business-School der University of Pennsylvania, die den ersten Rang im UTD-Ranking belegt und auch in anderen MBA-Ranglisten ausnahmslos Spitzenplätze erreicht.
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Für den Wissenschaftler gehören Forschung und Lehre auch im Managementbereich zwingend zusammen. Wer ein guter Lehrer sein wolle, müsse auch ein Spitzenforscher sein. An knapp 400 Veröffentlichungen waren Wissenschaftler aus Wharton in den vergangenen fünf Jahren beteiligt – und das nur in den vom UTD-Ranking erfassten 24 Publikationen.
„Ohne Exzellenz in der Forschung kann es keine Exzellenz in der Lehre geben“, findet auch Martin Jacob von der WHU Otto Beisheim School of Management in Vallendar bei Koblenz. Nur wer selbst auf internationalem Spitzenniveau forsche, könne die eigene Lehre an den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ausrichten, so der Professor für Finanzen, Rechnungswesen und Steuerlehre.
Der 38-Jährige erforscht unter anderem den Einfluss der Steuerpolitik auf Investitionsentscheidungen von Unternehmen und berät als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats das Bundesfinanzministerium.
Gute Forschungsbedingungen sind zunehmend auch ein wichtiges Argument, um wissenschaftliche Talente anzulocken. Junge, aufstrebende Professoren verlangen danach – auch weil in Sachen Managementwissen noch so manche Leerstelle zu füllen ist. „Gerade bei sogenannten weichen Themen wie Organisationsentwicklung fällt man leicht auf selbst ernannte Experten herein, die auf der Grundlage ihres Bauchgefühls einfache Lösungen für komplexe Probleme anbieten“, sagt Gianluca Carnabuci, Forschungsdirektor an der ESMT.
Die Berliner Business-School habe den Ehrgeiz, stets die neuesten Forschungsergebnisse aus Analytik, Innovation und Führung in die Lehre einzubringen. Als Beispiel führt Carnabuci den Professional Network Report an, ein webbasiertes Tool, das auf eigener Forschung basiert und Führungskräften hilft, ihr persönliches Netzwerk zu optimieren.
Mit praxisnahen Forschungsprojekten bemühen sich die zumindest in Deutschland deutlich kleineren Privathochschulen, sich von den öffentlich finanzierten Universitäten abzuheben. „Unser Vorteil liegt darin, dass wir in engem Kontakt mit der Unternehmenswelt stehen“, sagt Carnabuci. Nicht nur, weil sich so das Lehrangebot passgenau an den Wünschen der Unternehmen ausrichten lasse, sondern auch, weil Unternehmen „ein wunderbarer empirischer Ort für Spitzenforschung“ seien.
Ein Pluspunkt, den auch Hilke Plassmann schätzt, Professorin für Marketing und Inhaberin des Octapharma Lehrstuhls für Decision Neuroscience an der französischen INSEAD. Die deutsche Wissenschaftlerin forscht an der Schnittstelle von Psychologie, Marketing und kognitiver Neurowissenschaft zu Themen wie Entscheidungsfindung und Konsumentenverhalten, stets mit hohem Anwendungsbezug: „Mir gefällt, wie hier aktuelle Forschungsergebnisse unmittelbar in Unternehmen umgesetzt werden und sich aus aktuellen unternehmerischen Fragestellungen spannende Forschungsprojekte ergeben.“
INSEAD ist laut UTD-Ranking die forschungsstärkste Business-School Europas, Privathochschulen aus dem deutschsprachigen Raum hingegen sucht man auf der Liste vergeblich, obwohl die BWL-Fakultäten der WHU, der ESMT oder der Frankfurt School of Finance and Management in Wissenschaftskreisen einen guten Ruf als Forschungsstandorte haben. Europaweit schaffen es nur 16 Hochschulen auf die Rangliste (siehe Tabelle), während die Top Ten ausschließlich von amerikanischen Business-Schools belegt sind.
Haben die USA einfach die besseren Wirtschaftsforscher? So einfach ist es nicht, denn die Methodik der Rangliste ist so konstruiert, dass die im internationalen Vergleich viel größeren US-Hochschulen im Vorteil sind. Maßgeblich für die Platzierung ist die Zahl der veröffentlichten wissenschaftlichen Artikel, die in ein Punktesystem umgerechnet werden. US-Business-Schools stehen demnach für 80 Prozent aller wirtschaftswissenschaftlichen Publikationen, was ihre Dominanz erklärt. Setzt man die Zahl der Artikel ins Verhältnis zur Größe einer Hochschule, wie es etwa die „Financial Times“ tut, schmilzt der Vorsprung.
Ob die schiere Menge an Publikationen tatsächlich das passende Maß für Forschungsqualität sein kann, wird in der akademischen Welt kontrovers diskutiert. Kritiker monieren, dass System verleite die Professoren dazu, sich lieber karrierefördernden Fleißarbeiten zu widmen, statt sich arbeitsintensiven, aber dafür gesellschaftlich relevanten Fragen zuzuwenden.
Ein Verdacht, den Johannes Stroebel zurückweist. Der gebürtige Deutsche ist Professor für Finanzen an der New Yorker Stern School of Business, auf seiner Forschungsagenda stehen Themen wie die finanziellen Auswirkungen des Klimawandels oder die Auswirkungen von Sozialkapital auf die wirtschaftliche Mobilität.
Zwar hätten wissenschaftliche Publikationen bei Beförderungsentscheidungen erhebliches Gewicht, das bedeute aber nicht, dass man bei der Themenwahl eingeschränkt sei: „Meine Kollegen und ich werden ermutigt, an relevanten Themen zu arbeiten, die für die breitere Gesellschaft von Interesse sind“, sagt Stroebel. Die Hochschule stelle dafür viel Zeit und Ressourcen zur Verfügung. „Forschung muss objektive Erkenntnisse liefern, die die gesellschaftliche Debatte voranbringen können.“
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