Inmitten der Krise ist der Bedarf an Fortbildungen groß. Eine inspirierende Alternative sind TED-Talks. Acht Vorträge, die besonders lehrreich sind.
TED-Logo
1984 ins Leben gerufen, avancierten die TED-Konferenzen schnell zu einer beliebten und interdisziplinären Austauschplattform von globalem Interesse.
Düsseldorf Der plötzliche Wechsel ins Homeoffice, harte Personalkürzungen und grassierende Unsicherheit: Das Jahr 2020 war gerade für Führungskräfte eine enorme Belastungsprobe. Von heute auf morgen mussten sie ihre Teams aus der Ferne führen, Kündigungen aussprechen, Geschäfte per Videokonferenz abschließen.
Die Corona-Pandemie hat auch einmal mehr die Frage aufgeworfen, was gute Führung überhaupt ausmacht. Management-Mentoren nutzen die Krisenzeit, um Führungskräften mit teuren Seminaren den Weg zum unternehmerischen Heil zu ebnen. Auch Karriere-Gurus mit ihren dicken Ratgeberbüchern wollen Impulse für einen reflektierten Führungsstil setzen.
Doch es gibt eine inspirierende Alternative, die viele Führungskräfte noch gar nicht als Fortbildungsprogramm im Blick haben dürften: die TED-Talks. Das sind Vorträge von Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft zu allen möglichen Themen, auch zu Fragen der Arbeitswelt. TED, das steht für Technology, Entertainment und Design und ist eine jährlich stattfindende Ideenkonferenz, die ihren Ursprung in Kalifornien hat.
1984 ins Leben gerufen, avancierten die TED-Konferenzen schnell zu einer beliebten und interdisziplinären Austauschplattform von globalem Interesse. Mittlerweile hat die Veranstaltung einen derartigen Rang erreicht, dass manch einer sie mit dem Weltwirtschaftsforum in Davos vergleicht. Die Teilnahme an der Konferenz kostet mehrere Tausend Dollar.
Dass die beste Idee nichts bringt, wenn sie niemand wahrnimmt, das haben die Initiatoren der TED-Konferenz von Anfang an begriffen. Deshalb sind die Ansprüche an die Referenten hoch: Wortgewandt und inspirierend müssen die Vorträge sein – und das bitte in 18 Minuten. Endlose Monologe, die einem Phrasenkatalog entspringen und wie Valium wirken?
Bei TED fehl am Platz. Die Vorträge müssen packend formuliert sein und zum Nachdenken anregen. Anders gesagt: Ein guter TED-Vortrag darf alles, nur nicht langweilen. Und damit dürfte er sich von vielen verstaubten Fortbildungsangeboten unterscheiden.
Auch TED leidet unter der Pandemie, die Live-Veranstaltungen mussten abgesagt werden. Die gute Nachricht: Die besten Vorträge sind online auf der TED-Talk-Webseite selbst oder auf der Videoplattform Youtube kostenlos abrufbar. Immer mehr davon werden auch auf Deutsch untertitelt.
Für den Lockdown-Winter 2020, in dem es zwischen den Jahren kaum Alternativen gibt, wäre ein Videomarathon doch eine nützliche Beschäftigung, um den eigenen Horizont zu erweitern. Die Rhetorikakrobaten der TED-Talks können Ihnen neue Blickwinkel eröffnen oder dazu animieren, eingefahrene Denkmuster aufzubrechen. Mit den TED-Talks werden Sie per Mausklick zum Mentee.
Das Handelsblatt hat für Sie acht Sehempfehlungen herausgesucht, die Ihnen Impulse zu Themen wie Sinnsuche, Organisation der Heimarbeit und Entscheidungsfindung geben können. Alle Beiträge sind in englischer Sprache und dauern zwischen fünf und 18 Minuten. Quasi als kleines Weiterbildungshäppchen zwischen Festtagsbraten und Weihnachtstorte. Frohes Fortbilden!
Darum geht es: Für den Unternehmensberater Simon Sinek sind jene Apple-Anhänger, die nächtelang vor den Geschäften des Tech-Giganten ausharren, um bloß als Erster das neue iPhone zu kaufen, der beste Beweis dafür, wie gute Führung funktioniert.
Die Produkte des iPhone-Herstellers überträfen zwar nicht unbedingt die Qualität der Konkurrenz. Doch Apple habe es verstanden, sich als Marke und Kult zu ikonisieren – und Millionen Käufer an sich zu binden. „Menschen kaufen nicht, was sie tun, sondern warum sie es tun“, wiederholt Sinek schon beinahe mantrahaft seine Kernbotschaft. Und stößt damit auf reges Interesse: Über 50 Millionen Menschen haben sich den Talk bereits angesehen.
Die Konsumhuldigung der Apple-Fans lässt sich laut Sinek auf die Arbeitswelt übertragen: Normalerweise definieren sich Menschen und Firmen nach dem, was sie tun – doch auf die Frage, warum sie es tun, hätten die meisten Chefs keine Antwort. Dabei sei es erst die Antwort auf die Sinnfrage, die Betrieb und Manager authentisch machten.
Das können Sie mitnehmen: Es geht um die Frage des Purpose, des Unternehmenszwecks also. Führungskräfte überzeugen ihre Mitarbeiter nur dann, wenn es ihnen gelingt, den tieferen Sinn des Handelns, den Zweck des Betriebs klarzumachen, ist Sinek überzeugt. Es reiche bei Weitem nicht aus, wenn man bloß den Sprint auf der Karriereleiter im Sinn habe. Wenn Firmen einen klaren Purpose haben, könnten sie sich von Konkurrenten abgrenzen, sagt Sinek. Auch falle es so leichter, Fachkräfte für sich zu gewinnen.
Darum geht es: Es ist Dan Pink ein Rätsel, warum Top-Manager großer Unternehmen Jahr für Jahr teure Boni ausgezahlt bekommen. Die Annahme, monetäre Anreize schärften das Denken und beschleunigten die Kreativität, sei völlig falsch, klagt der Schriftsteller. Diverse Studien, so auch eine der London School of Economics, seien zu dem Ergebnis gekommen, dass der Bonusscheck sogar negative Auswirkungen auf Innovation und Leistungsbereitschaft haben könne.
Pink moniert: „Für die Arbeit im 21. Jahrhundert funktioniert der Belohnung-Strafe-Ansatz nicht mehr.“ Schlimmer noch: „Er richtet häufig Schaden an.“ Lockt man seine Manager mit extrinsischen Belohnungen wie Geld, würden sie sich ausschließlich darauf fokussieren, das Ziel der Bonuszahlung zu erreichen. Manager nähmen dann einen Scheuklappenblick an – und die Kreativität falle der Gier zum Opfer. Dabei verlange die moderne Arbeitswelt doch, dass Menschen um die Ecke denken.
Das können Sie mitnehmen: Mit Geld lässt sich nicht alles kaufen. Statt mit Extra-Schecks zu wedeln, sollten Führungskräfte laut Pink eher dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter von innen heraus motiviert sind. Dafür rät der Unternehmensberater Managern dazu, ständige Kontrolle zu meiden und den Angestellten mehr Autonomie zuzugestehen. Mit diesem Zeichen der Wertschätzung steige auch das Engagement. Gerade in Krisenzeiten, in denen das Geld knapp ist, wäre das eine sinnvolle Möglichkeit, die Belegschaft langfristig zu motivieren. Der Bonus, so Pink, weiche dann einem stärkeren Unternehmensgeist.
Darum geht es: Matt Mullenweg sieht die meisten seiner rund 800 Angestellten bloß einmal im Jahr bei einer einwöchigen Konferenz. Die Belegschaft lebt und arbeitet nämlich an völlig unterschiedlichen Orten: Alabama, Australien, Indien. Mullenweg ist CEO des Technologieunternehmens Automatic, das dadurch bekannt ist, dass es das Blog-Portal WordPress betreibt.
Das Arbeiten aus dem Homeoffice wurde dort schon längst praktiziert, bevor die Büros durch die Corona-Pandemie auch hierzulande an Bedeutung verloren haben. Das verteilte Arbeiten, wie Mullenweg es nennt, forciert er nicht ohne Grund als wesentlichen Unternehmensbaustein: „Talent und Intelligenz sind global gleichmäßig verteilt – Chancen aber nicht,“ so der halb sozial, halb eigennützig motivierte Ansatz des Geschäftsführers.
Denn: Während das Silicon Valley in einem kleinen Teich nach Top-Fachkräften fische, könne er seine Angel im gesamten Ozean auswerfen. Probleme? Sieht Mullenweg nicht. Remote Working funktioniere gerade dann, wenn Informationen für alle Mitarbeiter zugänglich seien, frohlockt der Manager.
Das können Sie mitnehmen: Firmen haben in der Pandemie erkannt, dass Mitarbeiter auch zu Hause produktiv sind. Für Unternehmen eröffnen sich so völlig neue Möglichkeiten im Recruiting. Gerade Betriebe in abgelegenen Regionen können davon profitieren. Firmen, die nun nicht zumindest zeitweise die Arbeit im Homeoffice ermöglichen, werden es im Kampf um die besten Köpfe künftig schwer haben.
Darum geht es: Wenn Patty McCord mit Managern spricht, fragt sie sich allzu oft, wieso diese nebulöse Worthülsen wie OKRs (Objectives and Key Results) oder PIPS (Power in Procurement System) als Bestandteile ihres tägliches Vokabulars aufgenommen haben.
„Wir können Unternehmen auch führen, indem wir wie normale Menschen miteinander sprechen“, appelliert die Personalberaterin. Klar kommunizieren – das ist ein Teil ihrer achtstufigen Agenda, wie es Führungskräften gelingt, dass ihre Mitarbeiter gerne für das Unternehmen arbeiten.
Ein weiterer: Die meisten Firmen hätten ein zu enges Korsett aus Richtlinien und Vorschriften etabliert, das Angestellte verwirre, so die Personalberaterin, die unter anderem beim Streaming-Dienst Netflix tätig war.
Dort hat die Managerin maßgeblich dazu beigetragen, dass nur die besten Mitarbeiter im Unternehmen bleiben dürfen. Schlussendlich führe das sklavische Festklammern an solcherlei Regularien dazu, dass Mitarbeiter nicht wie mündige Erwachsene, sondern wie Kinder behandelt würden, so McCord.
Das können Sie mitnehmen: Ein guter Manager müsse klar kommunizieren: Kein Beschäftigter hört gerne beschönigendes oder verwirrendes Geschwurbel – gerade wenn es wie dieser Tage häufig um sensible Themen wie Kündigungen geht.
Mitarbeiter könnten sehr wohl die Wahrheit vertragen, egal wie hart sie ist, meint McCord. Einschneidende Veränderungen im Unternehmen oder auch negatives Feedback zur Arbeitsleistung eines Angestellten sollten Führungskräfte also direkt und klar ansprechen. Wichtiger Ratschlag: Kommunikation müsse auf Augenhöhe stattfinden.
Darum geht es: Wenn es nach Wirtschaftsprofessorin Linda Hill geht, sollten sich Führungskräfte an Edwin Catmull orientieren, dem Gründer des Animationsfilmstudios Pixar. Seine Devise: Statt sämtliche Entscheidungen in patriarchaler Eigenregie durchzuziehen, sollten Manager ihre Mitarbeiter aus den verschiedensten Abteilungen nach ihren Ideen fragen.
Jeder Beschäftigte hätte seine individuellen Talente und ganz eigene Visionen. Die könnten sich aber nicht durch hierarchischen Druck entfalten, so Hill, die an der Harvard Business School lehrt. Millionenschwere Kinohits wie „Toy Story“ wären nicht unter dem Diktat vorgeschriebener Ideen entstanden.
Das Geheimnis: „Innovationen entstehen durch kollektive Genialität“, sagt Hill – in der Filmwirtschaft wie in allen anderen Unternehmen.
Das können Sie mitnehmen: Führungskräfte sollten keinesfalls auf Dominanz pochen und alle spüren lassen, dass sie der Boss sind. Vielmehr sollten sie als „sozialer Architekt“ auftreten, der die Kreativität der Mitarbeiter entfesselt, Differenzen fördert und die Teams dementsprechend zusammensetzt.
Erst wenn Meinungsverschiedenheiten aufkommen, erweitere sich der Pool an Möglichkeiten, die es abzuwägen oder gar zu kombinieren gilt, meint die Expertin. Das gilt gerade für jene Berufe, deren Tätigkeiten keinem konstanten Ablaufschema folgen. Für den Vorgesetzten bedeutet solch ein Führungsstil natürlich auch, Kontrolle und Macht abzugeben. Doch auch Pixar-Gründer Catmull habe gerade das nicht geschadet.
Darum geht es: Die Journalistin Kathryn Schulz erinnert sich noch gut daran, wie sie sich während einer Autofahrt fragte, was denn dieses chinesische Schriftzeichen auf den Verkehrsschildern zu bedeuten habe. 2000 Meilen habe es gedauert, bis sie ihrer Begleitung diese Frage stellte – und erfuhr, dass das Schild das in den USA gängige Piktogramm für Rastplätze ist.
Ihr Verhalten zeige, wie überzeugt Menschen von sich selbst sind – und wie lange es dauert, bis sie Zweifel äußern. Während ihr Missverständnis höchstens eine Autofahrt ohne Pause bedeutet hätte, könne genau das in der Arbeitswelt teuer und gefährlich werden. Die Scheu, auch mal vom bewährten Muster abzuweichen und neue Wege auszutesten, ist für Autorin Schulz der Tod der Innovation.
„Wenn alle beim Blick auf dem Fenster das Gleiche sehen würden, wäre die Welt sehr langweilig“, sagt sie. Es gäbe keine Überraschungen mehr, würde jeder das Risiko meiden.
Das können Sie mitnehmen: Schon die Schule vermittle, dass Fehler grundsätzlich etwas Schlechtes sind – das führe dazu, dass viele Menschen immer den bekannten Weg wählen. Dabei ist es mitunter sinnvoll, auch einen Umweg in Kauf zu nehmen, um einen neuen, besseren Pfad zu entdecken.
Manager sollten daher starres Geradeaus-Denken aufbrechen und Fehler nicht dramatisieren. Viele große Errungenschaften in der Menschheitsgeschichte seien auf Pannen zurückzuführen, so Schulz. Bestes Beispiel: Viagra. Als die Arznei als Mittel gegen Bluthochdruck floppte, wurde sie erfolgreich als Potenzmittel eingesetzt.
Darum geht es: Rocío Lorenzo gehört zu jenen Frauen, die es in Führungspositionen geschafft haben. Sie ist Partnerin bei der Beratungsfirma Boston Consulting Group (BCG). Dort und anderswo sind die Top-Posten allerdings zumeist mit Männern besetzt.
Diese Ungleichbehandlungen seien nicht nur das individuelle Problem von Frauen, so Lorenzo. Auch die Unternehmen selbst litten am Ende unter dieser Einstellungspolitik: „Diverse Unternehmen sind deutlich innovativer“, sagt die BCG-Beraterin in ihrem TED-Talk und bezieht sich auf eine gemeinsame Studie der BCG und der Universität München, für die 1600 Unternehmen analysiert wurden. Ergebnis: Besteht die Chefetage zu mindestens 20 Prozent aus Frauen, komme es zu wesentlich mehr Veränderungen und Neuerungen.
Das können Sie mitnehmen: Unternehmen mit divers besetzten Führungsteams folgen nicht nur dem Ruf politischer Korrektheit, sondern handeln vor allem auch im eigenen Interesse. Je mehr Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund – ob Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Herkunft – dort tätig sind, desto mehr unterschiedliche Perspektiven fließen in die Arbeitsprozesse mit ein. Das beflügle das Denken und erweitere den Horizont, meint Lorenzo.
Führungskräfte sollten im Recruiting daher auf eine unterschiedliche Personalstruktur achten, denn von einem vielfältigen Mindset kann das Unternehmen nur profitieren. Die 30 größten Unternehmen Deutschlands haben jedenfalls Aufholbedarf: In den Vorständen liegt die Frauenquote derzeit nur bei etwa 13 Prozent.
Darum geht es: Wie ineffizient Menschen ihre Zeit nutzen, sieht man laut Patrick McGinnis bei jedem Filmabend: Die unendliche Auswahl in den Streamingdiensten verdamme die Menschen zu ständigem Abwägen. „Die Angst, eine bessere Option zu verpassen, lähmt unsere Entscheidungsfindung“, so der Autor und Wagniskapitalgeber – und zwar nicht nur vorm Fernseher.
Das können Sie mitnehmen: Das ständige Hin- und Herüberlegen kostet wertvolle Zeit. Und davon haben gerade Manager wenig. Um nicht so viel Arbeitszeit zu verplempern, hat McGinnis ein dreistufiges Schema entwickelt, mit dem sich Entscheidungen besser bewerten und treffen lassen.
Erstens: Bei unwichtigen Dingen, wie eben der Auswahl des TV-Programms, genüge ein Münzwurf.
Zweitens: Bei Entscheidungen, die zwar komplexer zu fällen, aber nicht weltbewegend sind – zum Beispiel die Wahl eines Bürostandorts –, helfe es, von unabhängigen Bekannten Ratschläge einzuholen.
Und drittens: Etwas mehr Reflexion erfordern laut McGinnis jene Entscheidungen, die das Leben längerfristig prägen – wie der Kauf eines Hauses oder die Wahl eines neues Job. Erst nachdem man sich über seine Lebensziele klar geworden ist und alle Fakten zusammengetragen hat, sollte die Entscheidungsfindung beginnen.
Alle Alternativen müssten dazu auf ein Blatt Papier geschrieben werden. Intuitiv entscheidet man dann, welche der Optionen die bessere ist – und eliminiert die restlichen nach und nach, bis die finale Entscheidung steht. Und zwar unabänderlich. Gerade für Manager mit engem Terminplan könnte diese Methode hilfreich sein und mehr Zeit für die wirklich wichtigen Entscheidungen freischaufeln.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×