Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

07.12.2020

12:54

Neue Job-Perspektiven

So punkten Sie als Quereinsteiger bei Unternehmen

Von: Anne Koschik

Das größte Problem für Jobwechsler sind nicht die Personaler: Vielmehr gilt es, die Hürde der Fachabteilungen zu überwinden. Sechs Tipps, wie Quereinsteiger überzeugend auftreten.

Quereinsteiger haben es nicht leicht, mit ihren Qualifikationen in den Fachabteilungen zu überzeugen. Sebastian Garcia on Unsplash

Hürden überwinden

Quereinsteiger haben es nicht leicht, mit ihren Qualifikationen in den Fachabteilungen zu überzeugen.

Die Coronakrise hat den Arbeitsmarkt ordentlich durchgerüttelt: Kurzarbeit und Entlassungen auf der einen Seite steht ein wachsender Fachkräftemangel in gerade jetzt aufblühenden Branchen wie der IT, dem Ingenieurwesen oder der Pflege gegenüber. „Die Lücke ließe sich an vielen Stellen sehr gut mit Quereinsteigern schließen“, sagt Morten Babakhani, CEO der Mainzer Managementberatung Brandmonks. In den vergangenen 20 Jahren hat der Recruiting-Spezialist, der als studierter Informatiker selbst Quereinsteiger ist, viele interdisziplinäre Teams aufgebaut.

„Wir unterschätzen die Talente, die nach einer sinnstiftenden Tätigkeit suchen“, sagt HR-Experte Babakhani. 250.000 junge Nachwuchskräfte unter 25 Jahren seien derzeit ohne Anstellung. „Und knapp ein Drittel von 400.000 Absolventen sucht die ersten sechs bis zwölf Monate nach dem Abschluss verzweifelt einen Job.“

Gerade jetzt, wo die Digitalisierung zügig voranschreite, böten Quereinsteiger oftmals Potenziale und Kompetenzen, die für die vielen offenen Stellen geeignet seien. „Vor allem die Generationen Y und Z sind mehr mit der Projektarbeit vertraut als mit dem Gedanken der lebenslangen Loyalität. Das prädestiniert sie für den Quereinstieg.“

Ob „Best Ager“ oder „Millennials“ – branchenfremde Bewerber verfügten oft über Fähigkeiten wie hohe Motivation, Lernbereitschaft und Selbstreflexion, die für die ausgeschriebene Position besonders wertvoll, jedoch nicht offensichtlicher Teil ihres Lebenslaufs seien. Stattdessen seien Unternehmen immer auf der Suche nach einem ganz bestimmten Typus, „dessen Vita sich mit den Anforderungen des Jobprofils eins zu eins deckt“.

Branchen mit Vorlieben für Quereinsteiger

Akademiker haben auch grundsätzlich kein Problem damit, in fachfremde Berufe einzusteigen. Diesen Gedanken schließen sie sogar in ihre Karriereplanung mit ein, hat das Marktforschungsunternehmen Respondi im Auftrag des Recruiting-Unternehmens Viasto herausgefunden. Und tatsächlich gibt es einige Branchen, in denen Quereinsteiger häufig vertreten sind – allen voran in der IT. So haben zum Beispiel nur noch zehn Prozent der IT-Projektleiter Informatik oder Mathematik studiert, wie eine Studie des Onlineportals Gehalt.de zeigt.

Quereinsteiger dominieren laut der Respondi-Studie mit einem Anteil von 40 Prozent und mehr in Logistik, Medien und in der öffentlichen Verwaltung. Außerdem ist ihre Sicht aus einem anderen Fachgebiet oder Branchenumfeld bei Unternehmensberatungen und Finanzdienstleistern beziehungsweise Versicherungen gefragt. Höchst selten sind sie im Bereich Naturwissenschaften anzutreffen. Insgesamt arbeiten laut der Umfrage bereits 38 Prozent aller Beschäftigten in einem Umfeld, das nicht ihrer Ausbildung entspricht.

Für viele Wechselwillige bleiben die Türen großer Unternehmen dennoch verschlossen: „Oft funktioniert der Quereinstieg nur intern“, weiß Morten Babakhani. Das liege daran, dass Mitarbeiter den Personalern und Fachabteilungen persönlich bekannt seien, die ihnen den Job zutrauten. „Dieses Modell funktioniert seit Jahren schon so, ohne dass man es als Quereinstieg bezeichnet.“

Hingegen seien Bewerber von außen „mit einem bunten Background und ohne roten Faden in ihrem Lebenslauf“ für viele Unternehmen uninteressant.

Vorbehalte im Management

Gerade im Management gebe es noch Vorbehalte. Und das setze sich bis in die Fachabteilungen fort, erklärt HR-Spezialist Babakhani. „Dort herrscht große Angst vor Fehlentscheidungen, ob die Skills der Quereinsteiger für den Job reichen.“ Die Entscheider wüssten schlichtweg nicht, wie sie das Potenzial der Quereinsteiger erkennen sollen und diese an Bord holen können.

Morten Babakhani, CEO Brandmonks Brandmonks

Recruiting-Spezialist

Morten Babakhani, CEO und Gründer von Brandmonks, hat eine KI-gesteuerte Recruiting-Plattform namens Flynne entwickelt. Mit ihr können Quereinsteiger-Talente durch digitale und vollautomatisierte Prozesse gefunden werden.


Der Gewinn für die Unternehmen liegt dabei auf der Hand: Quereinsteiger helfen nicht nur, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sie haben eine starke Motivation, in ihrem Traumjob zu arbeiten, und bringen auch häufig innovative Problemlösungsansätze mit, die den Mitarbeitern mit fachspezifischer Ausbildung fehlen.

Dieses Wissen sollten Quereinsteiger als Basis nutzen, um sich bei ihrem Wunscharbeitgeber Zutritt in ihre neue Welt zu verschaffen. Wie sie die Hürde zu den Fachabteilungen überwinden können, zeigt Recruiting-Experte Babakhani mit diesen sechs Tipps:

1. Bewerben Sie sich auf eine konkrete Stelle

Denken Sie daran: Recruiter sind meist keine Jobberater, die die Zeit und Muße haben herauszufinden, auf welche Rolle Ihr Profil passen könnte. Deswegen ist eine Initiativbewerbung für Quereinsteiger nicht zu empfehlen.

Eine konkrete Stellenausschreibug hat den Vorteil, dass Sie genau sehen können, an welche Anforderungen Sie mit Ihrer Qualifikation und Erfahrung andocken könnten. Haben Sie zum Beispiel Erfahrungen im Vertrieb eines Maschinenbauunternehmens und wollen in den Vertrieb einer Versicherung wechseln, können Ihnen Erfolge von Vertriebskonzepten genauso weiterhelfen wie Ihr Methodenverständnis – vorausgesetzt, das neue Unternehmen sucht für diesen Bereich.

Konkret geht es darum, Parallelen zum eigenen Werdegang zu suchen und vergleichbare Aktivitäten aufzuzeigen, die Personaler und Fachabteilungen von Ihrer Persönlichkeit überzeugen.

2. Stellen Sie sich vor, wie Ihr künftiger Chef Ihre Bewerbung liest

Nehmen Sie den anvisierten neuen Job sehr ernst, und beschäftigen Sie sich ausführlich mit dem Unternehmen. Setzen Sie sich auch mit der Unternehmenskultur auseinander. Die Webseite und die entsprechenden Social-Media-Kanäle bieten dazu viele Möglichkeiten. Machen Sie sich mit den dort herrschenden Umgangsformen vertraut, und verknüpfen Sie diese mit Ihrer individuellen Motivation. So fällt es Ihnen leichter, die richtige Ansprache zu finden.

Überlegen Sie dabei genau, welchen Mehrwert Sie dem Unternehmen bieten können. Dazu gehört eine ordentliche Portion Selbstreflexion. Viele Bewerber denken in ihren Motivationsschreiben zu einseitig und beschreiben nur, was sie für sich selbst erreichen wollen. Das deckt sich aber nicht mit dem Ziel desjenigen, der Sie einstellt. Nehmen Sie seine Perspektive ein. Schließlich wollen Sie zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden.

3. Beweisen Sie, dass Sie auf die Stelle passen

Zeigen Sie einen roten Faden in Ihrem Karriereweg auf, der die Stellenanforderung berücksichtigt. Dieser rote Faden ist in Deutschland noch sehr wichtig, denn Unternehmen rekrutieren hier vor allem Skill-basiert. Das unterscheidet die hiesige Einstellungspraxis von anderen Ländern, wie zum Beispiel den USA: Da ist es selbstverständlich, dass man bereits in anderen Branchen tätig war oder karrieretechnisch auch mal eine Fehlentscheidung getroffen hat.

Stellen Sie Ihren Mehrwert für die Rolle und das Unternehmen heraus. Seien Sie konkret, und kopieren Sie keine langweiligen 08/15-Sätze aus Ratgebern oder Bewerbungsvorlagen. Ihren Motivationswechsel können Sie auch dadurch untermauern, dass Sie wichtiges Know-how für den neuen Job durch persönliche Weiterbildung und Zusatzqualifikationen, etwa im IT-Bereich oder als Data Scientist, erworben haben – auch wenn es zunächst nur theoretisches Wissen ist.

Wie eine Untersuchung des Online-Stellenportals Monster unter 400 Personalverantwortlichen zu Quereinsteigern zeigt, überzeugt eine solche Anstrengung: Für 53 Prozent der Befragten war dies ein entscheidender Punkt, um ihr Interesse zu wecken.

4. Erkennen Sie Ihre besten Soft Skills

Durchhaltevermögen, Selbstreflexion, Motivation, Offenheit und Lernbereitschaft sind entscheidende Faktoren für den Erfolg eines neuen Mitarbeiters in seiner Rolle und Umgebung. Versuchen Sie solche Qualitäten an Beispielen aus Ihrem Arbeitsleben festzumachen, um glaubwürdig zu sein. Wenn jemand eine gute Auffassungsgabe und die Fähigkeit zur Selbstreflexion hat, sollte ein Unternehmen in der Lage sein, dieser Person alles beizubringen, was sie benötigt, um erfolgreich zu werden. Wenn manche Unternehmen das in ihrer Kandidatenauswahl noch nicht an die erste Stelle setzen, hilft es im Bewerbungsgespräch, die individuelle Persönlichkeit zu pushen.

5. Nutzen Sie Ihre Kontakte, oder bauen Sie sich diese auf

Kennen Sie jemanden, der jemanden kennt, der im Unternehmen arbeitet? Nutzen Sie Ihre Kontakte. Sprechen Sie mit der Person, und fragen Sie sie, ob sie Ihre Unterlagen direkt beim Personaler oder direkt in der Fachabteilung abgeben kann – und dabei einen bis zwei Sätze zu Ihren Fähigkeiten erwähnt.

Hilfreich ist auch eine gezielte Vernetzung über LinkedIn oder Xing. Finden Sie heraus, in welcher Abteilung die Wunschposition offen ist, und vernetzen Sie sich mit dem/der potenziellen zukünftigen Vorgesetzten. So sorgen Sie für Wiedererkennungswert.

Quereinsteigern empfiehlt Babakhani darüber hinaus, vor der Bewerbung im Recruiting anzurufen. Das ist zwar eigentlich ziemlich „oldschool“. Allerdings würde der HR-Experte in diesem Fall sogar dazu raten, denn auf dem Weg kommen Sie mit Entscheidern ins Gespräch. Sie können über die Stelle sprechen und den Recruiter von Ihren Qualitäten überzeugen. Damit legen Sie sich selbst einen roten Teppich für die anschließende Bewerbung aus.

6. Zeigen Sie beim Gehalt Entgegenkommen

Erwarten Sie nicht, dass Sie von Beginn an das gleiche Gehalt bekommen wie ein Kollege mit ausgewiesener fachlicher Expertise.

Stellen Sie sich also darauf ein, dass das Unternehmen einen Invest in Ihre Einarbeitung leisten muss und Ihre bisherigen Erfahrungen nicht eins zu eins auf die Wunschrolle passen. Das Unternehmen wird Sie in den ersten drei bis sechs Monaten wie einen Einsteiger sehen. Ein Arbeitgeber ist meist nicht in der Lage, Sie für Ihre Lebenserfahrung zu bezahlen, sondern er muss die Rolle und die dafür mitgebrachten Kenntnisse vergüten. Beachten Sie das bei der Gehaltsangabe.

Ihr Verständnis dafür sollten Sie direkt kommunizieren. Sie müssen damit rechnen, anfangs auf circa 15 bis 30 Prozent des erwarteten Gehalts zu verzichten. Allerdings sollten Sie auch festschreiben lassen, dass diese anfängliche Eingruppierung nach der Einarbeitungsphase aufgehoben wird.

Für Quereinsteiger ist das gelebte Praxis, bestätigt auch die Monster-Studie: Immerhin 24 Prozent der im vergangenen Jahr Befragten erklärten damals, als Quereinsteiger im Unternehmen nicht so viel wie ihre „konventionellen“ Kollegen mit der gleichen Stelle zu verdienen. Die ersten Jahre seien „finanziell nicht das Highlight“. Was zunächst zähle, sei die „tiefe Überzeugung“ für diesen neuen Job.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×