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20.10.2020

09:23

Pandemie

Coronavirus und Arbeitsrecht: Das müssen Angestellte jetzt wissen

Von: Michael Scheppe

Wegen der steigenden Infektionszahlen wechseln viele Angestellte wieder ins Homeoffice. Antworten auf die acht drängendsten arbeitsrechtlichen Fragen.

Wegen steigender Infektionszahlen einfach im Homeoffice arbeiten? Das geht nicht, sagen Arbeitsrechtler. Foto: Paul Hanaoka/Unsplash

Arbeiten in der Pandemie

Wegen steigender Infektionszahlen einfach im Homeoffice arbeiten? Das geht nicht, sagen Arbeitsrechtler. Foto: Paul Hanaoka/Unsplash

Düsseldorf Die Infektionszahlen in Deutschland steigen wieder rasant an: Viele Angestellte überlegen deshalb, wieder vermehrt von zu Hause aus zu arbeiten – schließlich hat Homeoffice im Frühjahr in vielen Unternehmen erstaunlich gut funktioniert.

Doch können Angestellte einfach zu Hause bleiben? Was gilt, wenn man mit einem erkrankten Kollegen zusammengearbeitet hat? Und welche Arbeitszeiten gelten am heimischen Schreibtisch? Das Handelsblatt lichtet das Chaos im Corona-Dschungel – acht Fragen, acht Antworten:

Kann ich wegen der steigenden Infektionszahlen einfach im Homeoffice arbeiten?

Nein. Arbeitnehmer haben kein Recht, präventiv zu Hause zu bleiben, etwa weil sie sich vor einer Ansteckung fürchten, sagen Juristen. Wer sich weigert, dem drohen Abmahnung oder gar Kündigung. Denn hierzulande gibt es noch kein Recht auf Heimarbeit. Das Arbeitsministerium arbeitet gerade erst an einer solchen Regelung.

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Von der Plicht, ins Büro zu kommen, gibt es zwei Ausnahmen. Erstens: Wenn sich Mitarbeiter zu Pandemiebeginn mit ihrem Arbeitgeber etwa auf ein Jahr Heimarbeit geeinigt haben, ist auch der Betrieb daran gebunden. Zweitens: Auch Eltern, die für ihre unter zwölfjährigen Kinder keine Betreuung finden, könnten nicht gezwungen werden, ins Büro zurückzukehren, sagt der Viersener Arbeitsrechtler Sebastian Schröder.

Welche Regelungen gelten für Risikogruppen?

Die gleichen – Unternehmen dürfen durch das Weisungsrecht von ihren Mitarbeitern grundsätzlich verlangen, dass sie ins Büro kommen müssen. Gegenüber Angestellten, die einer Risikogruppe angehören, haben Betriebe allerdings größere Fürsorgepflichten.

Unternehmen müssen Vorkehrungen treffen, um deren Gesundheit zu schützen. Orientierung bieten die vom Arbeitsministerium veröffentlichten Corona-Schutzstandards. Betriebe sind demnach etwa dazu verpflichtet, einen Mindestabstand von 1,50 Meter zwischen den Arbeitsplätzen zu ermöglichen und regelmäßig zu lüften. Sie müssen Desinfektionsspender aufstellen und die Pausenzeiten entzerren. Auch persönliche Meetings sollen auf das Nötigste reduziert werden.

„Wenn der Arbeitgeber dazu nicht gewillt oder in der Lage ist, muss auch niemand ins Büro zurückkommen“, sagt Schröder.

Und was gilt, wenn ich wegen Schulschließungen auf meine Kinder aufpassen muss?

Angesichts des Infektionsgeschehens ist im Herbst und Winter zu befürchten, dass Schulen und Kindergärten zumindest vorübergehend schließen – und berufstätige Eltern wieder auf ihre Kinder aufpassen müssen. Die betroffenen Arbeitnehmer dürfen dann nicht einfach während der Arbeitszeit ihre Schützlinge beaufsichtigen, sondern müssen „alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen“, um die Kinderbetreuung anderweitig sicherzustellen, sagt Arbeitsrechtler Schröder.

Falls Eltern kurzfristig keine Betreuung finden und nicht arbeiten können, haben sie grundsätzlich keinen Anspruch auf ihren Lohn. Die gute Nachricht: Durch eine Gesetzesanpassung bekommen betroffene Arbeitnehmer zumindest bis Jahresende eine Entschädigung für den entstandenen Verdienstausfall – und zwar in Höhe von 67 Prozent, maximal aber 2016 Euro pro Monat.

Ist das Kind erkrankt, sieht die Lage anders aus: Dann dürfen Eltern zu Hause bleiben und sich um ihr Kind kümmern. Das regelt der Paragraf 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). In diesem Jahr haben Eltern Corona-bedingt einen Anspruch auf 15 Kinderkrankentage, bei Alleinerziehenden sind es in diesem Jahr maximal 30 freie Tage pro Kind.

Doch die Kinderkrankentage werden nicht unbedingt bezahlt. Arbeitgeber sind dazu zwar angehalten, eine Pflicht dazu besteht allerdings nicht.

Bekomme ich weiter mein Gehalt, auch wenn die Firma geschlossen wird?

Ja. Wenn Betriebe wegen des Coronavirus aufgrund behördlicher Anordnungen geschlossen werden, muss der Arbeitgeber grundsätzlich weiter den Lohn bezahlen. Die Beschäftigten müssen die ausgefallene Arbeitszeit auch nicht nacharbeiten, denn der Arbeitgeber trägt das Betriebsrisiko. Auch wenn eine Firma vorsorglich den Betrieb einstellt, muss sie die Gehälter weiterzahlen und darf nicht auf Überstundenkonten zugreifen.

Wird der Lohn auch weitergezahlt, wenn ich in Quarantäne muss?

Wer im Homeoffice arbeiten kann, ist durch eine häusliche Quarantäne nicht eingeschränkt – und bekommt sein Gehalt. Diejenigen aber, die auf die Arbeit im Unternehmen angewiesen sind, hätten zwar keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf ihren Lohn, erklärt Björn Otto, Partner bei CMS Hasche Sigle. Allerdings müsse der Arbeitgeber den Betroffenen nach dem Infektionsschutzgesetz sechs Wochen lang eine Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls zahlen. Am Ende also bekommen Mitarbeiter ihr Geld – zwar nicht als Gehalt, aber eben als Entschädigung.

Wenn ein Mitarbeiter allerdings wissentlich in einem Land Urlaub gemacht hat, das als Risikogebiet klassifiziert wird, und sich währenddessen infiziert hat, muss er damit rechnen, für den Zeitraum der Quarantäne keinen Lohn zu bekommen, sofern er nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten kann.

Was passiert, wenn ein Arbeitskollege positiv auf das Coronavirus getestet wurde?

Angestellte, die mit erkrankten Kollegen in Kontakt gekommen sind, sollten sich ärztlich untersuchen lassen. Bis das Ergebnis feststeht, können sich diese Mitarbeiter freistellen lassen – und werden weiter entlohnt.

Kann mir mein Chef die Arbeitszeit auch daheim vorschreiben?

Ja. „Der Arbeitgeber darf auch im Homeoffice bestimmen, ab wann und in welchen Zeiträumen Mitarbeiter erreichbar sein müssen“, sagt Jurist Schröder. Ausnahme: Wer mit seinem Arbeitgeber Vertrauensarbeitszeit vereinbart hat, kann auch zu Hause arbeiten, wann er möchte, sofern er seine wöchentliche Arbeitszeit einhält.

In jedem Fall gilt das Arbeitszeitgesetz: Kein Mitarbeiter darf ohne Pause länger als sechs Stunden am Stück arbeiten. Im Durchschnitt dürfen es pro Tag nicht mehr als acht, in Ausnahmefällen maximal zehn Stunden sein. Und nach Ende der Arbeit muss der Mitarbeiter elf Stunden am Stück ruhen.

Der Arbeitgeber darf auch im Homeoffice bestimmen, ab wann und in welchen Zeiträumen Mitarbeiter erreichbar sein müssen. Sebastian Schröder, Arbeitsrechtler

Was passiert, wenn ich mich im Homeoffice verletze?

Wer zu Hause arbeitet, trägt viele Risiken selbst. „Die gesetzliche Unfallversicherung gilt im Homeoffice nur bei beruflichen Tätigkeiten“, sagt Schröder. So ist auf der Firma der Gang in die Kantine durch die Unfallversicherung abgesichert. Doch beim Weg vom heimischen Schreibtisch in die Küche greift diese nicht.

Auch wer auf dem Weg zur privaten Toilette ausrutscht oder sich beim Ausräumen der Spülmaschine in der Mittagspause verletzt, muss sich an seine Krankenversicherung wenden, denn solche Tätigkeiten im privaten Umfeld werden nicht als Betriebsunfall gewertet.

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