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25.04.2021

13:22

Pilotprojekte

Betriebliche Impfungen: Welche Firmen schon impfen – und wer als Nächstes drankommt

Von: Michael Scheppe, Anja Müller

Bei BASF und VW sind die Kampagnen testweise angelaufen – weitere folgen. Es zeigt sich, dass die Betriebe vielfach nur auf eines warten: Impfstoff.

In Ludwigshafen impft der Chemiekonzern in einem Modellprojekt seit dem 14. April. BASF

BASF-Impfzentrum

In Ludwigshafen impft der Chemiekonzern in einem Modellprojekt seit dem 14. April.

Düsseldorf Zwei Mal wöchentlich holt Katrin Flemming im Zwickauer Impfzentrum medizinische Ampullen ab. Flemming ist leitende Werksärztin bei Volkswagen. Und im werkseigenen Impfmobil immunisiert sie am ostdeutschen Unternehmensstandort VW-Mitarbeiter gegen Covid-19.

Seit Ende März sind der Autobauer und BASF die beiden bundesweiten Pilotprojekte, bei denen sich Beschäftigte direkt in der Firma impfen lassen können. Noch ist der Impfstoff knapp, VW hat gerade einmal 100 Dosen verabreicht. Flemming hofft, dass schon bald jede Woche ein Transporter ans Werkstor rollt.

Mit höheren Impfstofflieferungen wird es in den kommenden Wochen auch mehr solcher Pilotprojekte geben, wie eine Handelsblatt-Befragung bei den jeweils zuständigen Stellen der 16 Bundesländer zeigt. In Baden-Württemberg soll laut Behörden ab Montag der Kühlschrank- und Kranhersteller Liebherr erste Mitarbeiter impfen dürfen; für Mai sind demnach Daimler und der Werkzeugbauer Trumpf im Gespräch.

In Niedersachsen sollen „im Laufe des Mai die ersten betriebsärztlichen Dienste mit dem Impfen beginnen“, heißt es. Nach Handelsblatt-Informationen könnten der Fotodienstleister Cewe in Oldenburg sowie die Drogeriemarktkette Rossmann am Hauptsitz bei Hannover zu Modellbetrieben werden.

Bayern plant noch im April betriebliche Impfungen in zehn Firmen. Die bayerischen Dax-Konzerne geben an, nicht dazuzugehören. Der Fokus liegt auf der Grenzregion zu Tschechien, die besonders von der Pandemie betroffen ist. In Nordrhein-Westfalen, Berlin, Bremen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt oder Thüringen sind wegen knapper Impfstoffe keine Pilotprojekte geplant.

Schon bald könnten die Betriebe eine entscheidende Hebelwirkung bei der Impfkampagne haben. Die 12.000 Betriebsärzte haben einen direkten Zugang zu den 45 Millionen Beschäftigten. Viele müssten so keinen Termin mehr beim Arzt oder im Impfzentrum machen. Zudem haben Firmen Erfahrung, etwa mit Grippeschutzimpfungen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verspricht, dass Betriebsärzte ab Juni impfen dürfen. Flächendeckend dürfte das aber erst etwas später der Fall sein.

Impfstraßen sind bereit, doch Impfstoff fehlt

Impfbereit ist die deutsche Wirtschaft schon jetzt. Eine Handelsblatt-Umfrage unter den 30 Dax-Konzernen und 30 großen Familienunternehmen zeigt: Alle haben ihre Vorbereitung für die bisher größte nationale Impfaktion abgeschlossen: „Sobald wir Impfstoff zugeteilt bekommen, können wir starten“, teilt etwa Continental mit.

Die Otto Group plant mit 21 Impfstraßen, Bertelsmann kann in einer Halle am Sitz in Gütersloh bis zu 350 Menschen pro Tag impfen. Die Allianz und BMW haben an ihren großen Standorten je 30 Impfstraßen aufgebaut, planen mit bis zu 2500 Impfungen pro Tag. Eon verspricht, allein in der Essener Konzernzentrale 5000 Dosen pro Woche zu verabreichen, VW will in Wolfsburg 15.000 schaffen.

Im VW-Werk in Zwickau werden Beschäftigte schon in einem Modellprojekt geimpft. Weitere solcher Projekte werden in den kommenden Wochen folgen. dpa

Impfmobil bei Volkswagen in Zwickau

Im VW-Werk in Zwickau werden Beschäftigte schon in einem Modellprojekt geimpft. Weitere solcher Projekte werden in den kommenden Wochen folgen.

Derzeit sind die Zahlen aber geringer. Bei BASF verimpfen in dem Modellprojekt 30 Werksärzte rund 500 Dosen pro Tag. Im Chemiepark in Ludwigshafen hat der Dax-Konzern eine Multifunktionshalle umgebaut: Kabinen eingerichtet, Laufwege gekennzeichnet, Ruheräume definiert.

Den Zuschlag hat BASF wegen „frühzeitiger Gespräche mit der Landesregierung“ bekommen, heißt es von den Behörden in Rheinland-Pfalz. Auch die Logistik spricht für den Chemiekonzern, nirgends arbeiten im Bundesland mehr Menschen an einem Ort als am Konzernsitz am Rhein.

VW hat sich bereits im Herbst um ein Modellprojekt bemüht. Die Zusage dürfte der Autobauer bekommen haben, weil er dem örtlichen Roten Kreuz (DRK) Unterstützung angeboten hat. „Wir haben dem DRK mit unseren Werksärzten im Impfzentrum geholfen und DRK-Mitarbeiter geschult“, sagt VW-Werksärztin Flemming.

In den meisten Fällen bekommen Firmen für Pilotprojekte jedoch eine Absage. Baden-Württemberg hat 38 Betriebe, darunter den Ventilatorenbauer EBM-Papst, mangels Impfstoff abweisen müssen. Man achte darauf, dass die Projekte „mit der Priorisierung besonders schützenswerter Gruppen zusammenpassen“.

Auch Dax-Konzerne müssen warten: Continental hat sich bislang vergeblich in Niedersachsen und Hessen um Modellprojekte bemüht. Das gilt auch für den Triebwerkshersteller MTU in Bayern. Die Telekom stehe mit den „Ländern im Austausch“.

Keine freie Wahl des Impfstoffs

Die aktuellen Modellfirmen geben Einblicke, wie Impfungen demnächst ablaufen werden – wie in den öffentlichen Zentren: Bei den meisten Konzernen und Familienunternehmen können sich Beschäftigte online oder per Telefon anmelden. Impfwillige müssen eine Stunde für Aufklärung, Impfung und Beobachtung einplanen.

Firmen bekommen ihre Vakzine über Impfzentren oder Großapotheken geliefert, erklärt Anette Wahl-Wachendorf vom Verband der Betriebsärzte. „Unternehmen müssen die Impfstoffe nicht kaufen, sie werden vom Bund gestellt.“ Weil selbst die Vakzine von Biontech/Pfizer fünf Tage vor Verimpfung nur bei geringen Minusgraden gekühlt werden müssen, reichen handelsübliche Kühltruhen zur Lagerung. Firmen müssen die Daten der Geimpften an das lokale Impfzentrum oder das Robert Koch-Institut melden.

Was heute wie im Sommer gelten wird: Firmen und Mitarbeiter können sich den Impfstoffhersteller nicht aussuchen – und müssen sich an die Impfreihenfolge halten. BASF und VW betonen, dass sie das tun. BASF impft derzeit nur Beschäftigte mit Vorerkrankungen. Bei VW sind auch alle Mitarbeiter aus dem nahe gelegenen Vogtlandkreis impfberechtigt; in dem Hotspot dürfen sich alle Erwachsenen impfen lassen.

Grafik

Gesundheitsminister Spahn hat ankündigt, dass die Priorisierung beim Impfen ab Juni aufgehoben werden soll. Verbandsvertreterin Wahl-Wachendorf begrüßt das: „Wenn die über 60-Jährigen geimpft sind, macht es gerade in Betrieben Sinn, die Priorisierung zugunsten der Schnelligkeit hinten anzustellen“, sagt die Medizinerin.

Doch wie gehen Firmen damit um – zuerst der Vorstand und dann die Angestellten? „Mitarbeiter, die in Präsenz ihre Arbeitsleistung erbringen, sind die primäre Zielgruppe“, teilt VW mit. Bertelsmann-Personalvorstand Immanuel Hermreck erklärt, dass Beschäftigte aus den gewerblichen Bereichen zuerst ein Angebot erhalten sollten. Beim Familienkonzern Schaeffler gilt: Produktion vor Homeoffice, ältere Beschäftigte vor jüngeren.

Außenstellen drohen benachteiligt zu werden

Beim innerbetrieblichen Impfen könnte eine Art Zweiklassengesellschaft entstehen: Beschäftigte, die an den großen Standorten arbeiten, profitieren von den Impfstraßen. Doch die können nicht in jeder Zweigstelle installiert werden. Das gilt bei Dax-Firmen wie im Mittelstand.

Abhilfe will der Klimaspezialist Viessmann schaffen, indem er seine Mitarbeiter an den Außenstellen durch mobile Teams immunisieren will. Der Autozulieferer Schaeffler plant, an entlegenen Standorten mit anderen Firmen ein gemeinsames Betriebsarztzentrum zu nutzen.

Das ist auch ein Modell für kleinere Mittelständler, die keine eigene Impfstraße aufbauen können: Man hilft sich gegenseitig, zum Beispiel mit Räumen für die Impfungen, aber auch bei der IT-Anbindung zu den Behörden.

Alle Beschäftigten, die an den Zweigstellen keine betriebliche Impfung erhalten, bekommen zwei Stunden auf ihrem Zeitkonto gutschreiben, damit sie sich beim Hausarzt oder im Impfzentrum immunisieren lassen können. Jungheinrich AG

Jungheinrich

Alle Beschäftigten, die an den Zweigstellen keine betriebliche Impfung erhalten, bekommen zwei Stunden auf ihrem Zeitkonto gutschreiben, damit sie sich beim Hausarzt oder im Impfzentrum immunisieren lassen können.

Und beim Intralogistik-Spezialisten Jungheinrich bekommen alle Beschäftigten, die an den Zweigstellen keine betriebliche Impfung erhalten, zwei Stunden auf ihrem Zeitkonto gutschreiben, damit sie sich beim Hausarzt oder im Impfzentrum immunisieren lassen können.

Das Zweiklassenproblem haben auch Drogerien und Supermärkte: An den Hauptsitzen gibt es Impfstraßen, in den Märkten nicht. Die Impfverordnung entschärft das Problem insofern, dass Personen im Lebensmitteleinzelhandel zur Gruppe mit „erhöhter Priorität“ zählen. In einzelnen Bundesländern werden die bereits geimpft, in anderen sind sie bald an der Reihe.

Die Familienunternehmen Viessmann, Schaeffler, Oetker und Würth planen Impfungen nicht nur für die eigene Belegschaft, sondern auch für deren Familien. Auch die Allianz, BASF, Bayer, SAP und Vonovia wollen ihr Angebot so ausweiten. Und Adidas will Betriebe in der Umgebung unterstützen. Die Pläne sind löblich, doch bis es so weit ist, braucht es vor allem eines: Geduld.

Mitarbeit: Catrin Bialek, Florian Kolf, Katrin Terpitz

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