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10.03.2023

13:19

Teilzeit

Das gilt es zu beachten, bevor Sie die Arbeitszeit reduzieren

Von: Clara Thier

Viele Menschen wollen weniger als 40 Stunden die Woche arbeiten. Wie klappt die Umsetzung? Geht das als Führungskraft? Was ist mit der Rente? Alle Vor- und Nachteile auf einen Blick.

Elternteilzeit Westend61/Getty Images

Wann lohnt sich Teilzeit?

Mehr Zeit mit der Familie ist einer der häufigsten Gründe, warum Arbeitnehmer in Teilzeit gehen.

Düsseldorf Mehr Zeit – außerhalb der Arbeit – wünschen sich viele: 41 Prozent der Frauen und 50 Prozent der Männer in Deutschland wollen gerne weniger arbeiten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Dass Teilzeit attraktiver wird, merken auch immer mehr Unternehmen. Als die Zurich Versicherung etwa ihre Stellen als Teilzeitstellen ausschrieb, verdoppelte sich die Zahl der Bewerber.

Belegt das den Siegeszug der Teilzeit? Nicht ganz. Denn Auslöser für das Experiment der Versicherung war, dass Teilzeitkräfte sich teilweise abgehängt fühlten. Sie sahen für sich weniger Vorbilder und Karrierechancen.

Kann Teilzeit überhaupt ohne Karriereknick gelingen? Wie viel Geld kostet Arbeitnehmer die verringerte Arbeitszeit? Welche Wege gibt es, in Teilzeit zu gehen oder auf andere Weise die Arbeitszeit zu reduzieren? Wir beantwortet Ihnen die wichtigsten Fragen zum Thema Teilzeit und Arbeitszeitreduktion.

Wie verbreitet ist Teilzeitarbeit in Deutschland?

Immer mehr Menschen arbeiten in Teilzeit – in Deutschland insgesamt circa 11,4 Millionen. 2021 arbeitete jede zweite Frau und fast jeder achte Mann in Deutschland in Teilzeit (siehe Grafik). Darunter arbeiteten Frauen im Schnitt Frauen 20,3 und Männer 17 Wochenstunden.

Unter Führungskräften steigt die Teilzeitquote ebenfalls. So arbeiteten 2013 circa fünf Prozent der Führungskräfte mit reduzierter Arbeitszeit, aktuell sind es schon 14 Prozent. Das Gros unter ihnen ist weiblich.

Grafik

Urlaub und Sonderzahlungen: Was gilt in Teilzeit?

In Teilzeit haben Sie anteilsmäßig genauso viel Urlaub wie auch in Vollzeit. Wenn Sie beispielsweise davor bei einer Fünftagewoche 30 Tage Urlaub bekommen haben, behalten Sie diese 30 Tage auch, wenn Sie pro Tag nur noch sechs statt acht Stunden im Büro sind. Arbeiten Sie jedoch in Teilzeit nur drei Tage die Woche, haben Sie nur ein Recht auf 18 Tage Urlaub.

Auch wenn manche Arbeitgeberinnen womöglich Vorbehalte gegenüber Teilzeitarbeit hegen: Gesetzlich darf eine Teilzeitkraft gegenüber Vollzeitangestellten nicht benachteiligt werden. Auch in Teilzeit haben Sie Anrecht auf anteilige Zahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld.

Welche Teilzeit-Varianten gibt es?

Es gibt viele verschiedene Teilzeitmodelle. Als Teilzeitarbeit zählt zunächst einmal jede Beschäftigung mit einer Arbeitszeit unterhalb der Regelarbeitszeit für Vollzeitkräfte.

Wer seine Arbeitszeit nur minimal reduzieren möchte, kann sich in vollzeitnahe Teilzeit begeben. Diese entspricht in der Regel 75 bis 90 Prozent der regulären Zeit und ist bei Teilzeitführungskräften beliebt. Auf Mitarbeiterebene ist es dagegen üblicher, auch auf 50 Prozent oder mehr herunterzugehen. Auch eine geringfügige Beschäftigung, etwa ein Minijob, oder eine Werkstudentenstelle zählen als Teilzeit.

Neben der „regulären“ Teilzeit gibt es verschiedene Formen von Teilzeitarbeit:

Für die Gestaltung der Teilzeit am Arbeitsplatz gibt es ebenfalls verschiedene Modelle:

  • Jobsharing: Zwei Personen teilen sich eine Arbeitsstelle. Dabei können beide auch jeweils über 50 Prozent arbeiten. Wichtig ist, dass sich beide als Team gut verstehen und enge Absprache halten.
  • Jobsplitting: Die Aufgaben einer Stelle werden zwischen zwei Arbeitnehmerinnen aufgeteilt, die unabhängig voneinander arbeiten können. In der Praxis kann es auch Mischformen zwischen Jobsharing und Jobsplitting geben.
  • Vertreter-Modell: Dabei arbeitet eine erfahrene, ältere Person mit einer Nachwuchsführungskraft zusammen. So kann sie ihr Wissen im Unternehmen weitergegeben.

Welche Nachteile hat Teilzeit?

Ein Nachteil von Teilzeit ist das niedrigere Gehalt. Reduzieren Sie von 40 auf 30 Stunden, bekommen Sie 25 Prozent weniger Bruttogehalt. Da Steuern aber progressiv sind, sinkt Ihr Nettogehalt – je nach Gehaltsstufe und Steuerklasse – weniger stark als ihr Bruttogehalt. Der Nettostundenlohn kann also steigen.

Recht auf Teilzeit: Wann kann Teilzeit abgelehnt werden?

Seit 2001 gibt es ein Recht auf Teilzeit für Angestellte. Das ist jedoch an drei Kriterien geknüpft: Sie arbeiten bereits mindestens sechs Monate in Ihrem Job, Ihr Arbeitgeber beschäftigt mindestens 15 Personen, und Sie haben in den letzten zwei Jahren nicht schon mal Ihre Arbeitszeit reduziert oder Ihr Arbeitgeber hat Ihren Antrag auf Reduktion nicht schon einmal berechtigt abgelehnt.

Sind diese Punkte gegeben, können nur noch betriebliche Gründe im Weg stehen. Dabei muss der Arbeitgeber jedoch genau begründen, warum Teilzeit nicht möglich ist.

Wie beantrage ich Teilzeit?

Ein Antrag auf Teilzeit sollte mindestens drei Monate vor dem gewünschten Beginn schriftlich beim Arbeitgeber eingehen. Dabei reicht eine E-Mail. Sie müssen keinen Grund nennen, aber ein paar Sätze zur Erklärung erhöhen meist das Verständnis auf der anderen Seite.

Kann ich von Teilzeit wieder zurück in Vollzeit?

Es gibt kein „Rückkehrrecht“ von der Teilzeit in die Vollzeit. Ihr Arbeitgeber muss sie jedoch bei neu ausgeschriebenen Stellen berücksichtigen. Eine Ausnahme ist die Brückenteilzeit.

Wie gelingt der Umstieg auf Teilzeit ohne Überstunden?

Ein große Herausforderung einer neuen Teilzeitstelle ist laut Anja Karlshaus, dass Arbeitgeber die Aufgabenpakete nicht entsprechend zuschneiden. Die Professorin für Betriebswirtschaft und Personalmanagement an der Cologne Business School betont: Jede Arbeitsstelle sei das Ergebnis von Arbeitsteilung und deswegen auch weiter teilbar. Wer in Teilzeit wechselt, sollte daher in der Anfangsphase klar definieren, welche Aufgaben zu schaffen sind – und welche man abgeben muss.

Außerdem helfe es, im Gespräch mit Kolleginnen deutlich zu machen, wann man nicht arbeitet. Delegieren, offene Kommunikation und ein gutes Selbstmanagement seien entscheidend.

Wer wiederholt Überstunden leistet und in Teilzeit die Belastung einer Vollzeitstelle auf sich nimmt, sollte lernen, sich Grenzen zu setzen, Nein zu sagen und die Situation gegenüber der Vorgesetzen anzusprechen.

Wie wird Teilzeit nicht zum Karriere-Killer?

Immer noch gestaltet es sich für Teilzeitkräfte schwieriger, befördert zu werden oder Karriere zu machen. „Teilzeit geht oft mit Arbeitszeitverdichtung einher und da gibt es zwei große Fallen“, warnt Karlshaus. „Erstens, man spart sich Trainings und Weiterbildungen oder zweitens, man spart sich Gelegenheiten zum Netzwerken und lässt beispielsweise das Mittagessen mit den Kollegen weg.“

In Teilzeit sei man zusätzlich oft weniger sichtbar für Kollegen. So wird oft der eigene Output nicht im Verhältnis zum Input gesehen. Dieses Karrierehemmnis müsste nach Karlshaus’ Forschung nicht zwangsläufig so sein, schließlich führten selbst Bill Gates oder Elon Musk ihre Unternehmen in Teilzeit. Gäbe es mehr Teilzeit-Vorbilder, auch auf höherer Ebene, dann würden Teilzeitkräfte sich auch weniger mit Vollzeitkräften vergleichen – oder verglichen werden.

Für das eigene Team kann eine Führungskraft in Teilzeit sogar Chancen bieten, betont Anja Karlshaus. In Teilzeit sei eine Führungskraft gezwungen, mehr Verantwortung abzugeben und mehr Aufgaben zu delegieren, wodurch der Austausch im Team untereinander zunimmt.

Wieso gehen viele Frauen und wenige Männer in Teilzeit?

Die Gendergap in der Teilzeitarbeit ist groß (siehe Grafik). Frauen übernehmen oft den Großteil der unbezahlten Erziehungs- und Hausarbeit und reduzieren dafür ihre Stunden. Da Frauen im Schnitt weniger Geld verdienen, weil sie zum Beispiel häufiger in Branchen mit geringeren Löhnen arbeiten, ist der finanzielle Anreiz zur Teilzeit für sie sogar stärker. So wächst die Karrierelücke zwischen den Geschlechtern. Auch Steuervorteile wie Ehegattensplitting begünstigen eine ungleiche Verteilung der Erwerbsarbeit bei Ehepaaren.

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„Männer stoßen mit dem Wunsch nach Teilzeit oft auf weniger Akzeptanz als zum Beispiel Frauen, die gerade Mutter geworden sind“, kritisiert Karlshaus. Bei Männern würde der Wunsch nach Teilzeit noch oft als fehlende berufliche Motivation angekreidet werden. „Der hat wahrscheinlich keine Karriereambitionen“, hieße es dann.

Wo gibt es die besten Chancen auf Teilzeit?

„Prinzipiell lässt sich Teilzeit überall umsetzen, aber nicht immer nach dem gleichen Modell“, betont Anja Karlshaus. Besonders viel Teilzeitarbeit findet sich traditionell vor allem auf Mitarbeiterebene in Branchen mit hohem Frauenanteil.

Auch in Bereichen mit jüngeren Belegschaften und flachen Hierachien ist Teilzeitarbeit häufiger die Norm. Vor allem im Dienstleistungssektor und in der öffentlichen Verwaltung sind kürzere Arbeitszeiten schon die Regel.

Wie viel Rente bekomme ich im Alter mit Teilzeitarbeit?

Wer Teilzeit arbeitet, bekommt weniger Gehalt und kann weniger in die Rentenkasse einzahlen. Wird Teilzeit damit zum Risikofaktor für Altersarmut? Ein vereinfachtes Rechenbeispiel: Johannes ist Maschinenbauer aus Karlsruhe und verdient im Durchschnitt 60.000 Euro brutto pro Jahr. Der 45-Jährige hat schon 22 Jahre in Vollzeit gearbeitet, will nun aber mehr Zeit mit seinen Kindern und weniger Zeit im Büro verbringen. Reduziert er seine Arbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche für die restlichen 20 Berufsjahre, so sinkt sein Jahresgehalt auf 45.000 Euro brutto. Seine monatliche Rente vermindert sich später um circa 250 Euro und läge bei 1854 Euro. Bei durchgehender Vollzeit bekäme er stattdessen 2104 Euro.

Ein anderes Beispiel: Die 35-jährige Informatikerin Pia verdient in Dresden durchschnittlich 70.000 Euro brutto und hat schon zwölf Jahre gearbeitet. Sie will nun fünf Jahre lang in Brückenteilzeit gehen und in dieser Zeit 20 Stunden die Woche arbeiten, bevor sie wieder in Vollzeit einsteigt. In Brückenteilzeit sinkt ihr Monatsgehalt auf 35.000 Euro brutto. Dabei verzichtet sie später auf circa 148 Euro monatliche Rente: Statt 2488 Euro bekäme sie nach 42 Arbeitsjahren mit fünf Jahren Brückenteilzeit nur 2340 Euro gesetzliche Rente pro Monat.

Beide Beispiele veranschaulichen die Differenz, nicht die absolute Rentenhöhe und berücksichtigen keine Gehaltserhöhungen.

Arbeitsstunden reduzieren: Was für andere Wege gibt es?

Es gibt neben Teilzeit heutzutage immer mehr „versteckte“ Teilzeitmodelle, mit denen Angestellte ihre Arbeitszeit flexibel einteilen und reduzieren können:

  • Ein Sabbatical oder Sabbatjahr ist eine zeitlich begrenzte Auszeit von der Arbeit, die immer mehr Unternehmen freiwillig anbieten. Diese kann zum Beispiel als unbezahlter Sonderurlaub durch ein Langzeitarbeitskonto (Stichwort: „Teilzeit Invest“) oder durch Lohnverzicht im Teilzeitmodell organisiert sein. Beamte haben ein Recht auf ein Sabbatjahr.
  • Viertagewoche und verringerte Vollzeit: Einige wenige Arbeitgeber haben die regulären Vollzeitstunden bereits reduziert. In der Metall- und Elektroindustrie gibt es zum Beispiel in vielen Betrieben eine 35-Stunden-Woche. In Deutschland haben einige kleine Unternehmen oder Betriebe eine Viertagewoche eingeführt, allerdings ist das eher die Ausnahme.
  • Das „Einkaufen“ von zusätzlichen Urlaubstagen: Für entsprechend weniger Gehalt können Sie sich zusätzliche Urlaubstage erkaufen, wenn Ihr Arbeitgeber dies anbieten, wie etwa die Deutsche Bahn.
Gutes Selbstmanagement ist bei Teilzeitarbeit entscheidend. IMAGO / Michael Gstettenbauer

Überstunden in Teilzeit

Gutes Selbstmanagement ist bei Teilzeitarbeit entscheidend.

In Teilzeit gehen – Was gilt es zu bedenken?

Prinzipiell gibt es viele Wege, kürzer oder länger in Teilzeit zu gehen. Teilzeit wird zunehmend von Unternehmen gefördert und auch bei Führungskräften üblicher. Auch junge Väter gehen häufiger in Teilzeit. Trotzdem sollten Sie sich vorher die Frage stellen, ob bestimmte Karrieresprünge und Beförderungen in Teilzeit für Sie schwieriger werden – und was Sie dagegen tun könnten. Andererseits: Wer in Teilzeit geht, um sich fortzubilden oder selbstständig zu werden, kann langfristig finanziell profitieren.

Einen Einkommens- und Rentenverlust durch Teilzeit sollten Sie ebenfalls mitdenken. Erste Orientierung bietet unter anderem der Teilzeitrechner des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Wer sich grundsätzlich weniger Einkommen erlauben kann, muss sich letzten Endes persönlich fragen, was in der jeweiligen Lebensphase wichtiger ist: Zeit oder Geld.

Erstpublikation: 02.02.2023, 12:56 Uhr.

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