Seed-Investor Frank Thelen
Worauf achtet der Bonner Thelen, der als Investor aus der Höhle der Löwen bekannt ist, wenn er in Start-ups investiert?
Bild: Freigeist
Der Investor aus der „Höhle der Löwen“ spricht im Interview über Gründerinnen-Mangel und warum Frauen mit Start-ups erfolgreicher sein können.
Bonn Der Bonner Frank Thelen ist einer der bekanntesten Investoren Deutschlands. Mit dem Team seiner Investment-Gesellschaft Freigeist Capital fördert und begleitet er Unternehmensgründer. Die Start-up-Show „Die Höhle der Löwen“ (DHDL), in der er seit der ersten Folge Juror ist, ging Anfang September in die fünfte Staffel. Gerade hat Thelen seine Autobiografie „Startup-DNA“ veröffentlicht.
Der Mann hat also gut zu tun. Trotzdem hat er sich die Zeit genommen, über das Thema Gründerinnen-Mangel und Unconscious Bias, also unbewusste Voreingenommenheit, zu sprechen. Denn laut einer Studie erhalten männliche Gründer bei identischen Inhalten und Präsentationen mit einer 40 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit eine Wagnisfinanzierung (VC) als Frauen. Ob das dem Bonner Investor bewusst ist?
Herr Thelen, warum eigentlich Bonn und nicht Berlin?
Ich bin gebürtiger Rheinländer und fühle mich hier einfach wohl. Alle meine Unternehmen habe ich von Bonn aus aufgebaut, und mit dem High-Tech Gründerfonds und Digital Hub wird Bonn immer mehr zum relevanten Gründerstandort. Ich bin zwar regelmäßig in Berlin, würde Bonn aber nie verlassen.
Mit welchen Fragen kommen Gründer auf Sie zu? Geht es immer um Geld?
Oft wollen sie auch einfach meine ehrliche Meinung zu ihrem Business-Model haben, meine goldenen Regeln zum Gründen oder eine Art Erfolgsformel für ihr Start-up. Ersteres kann ich ihnen immer geben!
Wer hat Ihnen eigentlich den Mut gegeben, selbst zu gründen?
Ich glaube, meine Eltern haben mir die Sicherheit gegeben, dass mir nichts passieren kann. Selbst als ich kurz vor der Privatinsolvenz stand, waren sie für mich da. Aus dieser Sicherheit heraus konnte ich den Mut schöpfen, erneut zu gründen.
Glauben Sie, dass es für Männer einfacher ist, die richtigen Kontakte zu knüpfen?
Schwer zu sagen, da ich ein Mann bin und die andere Seite nicht kenne. Aber ich kenne viele starke Frauen, die sehr gut vernetzt sind. Es ist also nicht unmöglich, als Frau die richtigen Kontakte zu knüpfen.
In einer Umfrage heißt es: 53 Prozent der deutschen Führungskräfte wissen nicht, was Unconscious Bias ist. Was verstehen Sie darunter?
Unconscious Bias heißt soviel wie „unbewusst beeinflusst“. Also wenn man sich von einem Vorurteil oder einer persönlichen Einstellung beeinflussen lässt, ohne das selbst zu bemerken.
Laut einer Untersuchung der National Academy of Sciences erhalten männliche Gründer bei identischen Inhalten und Präsentationen mit einer 40 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit eine Wagnisfinanzierung als Frauen. Was stimmt da nicht?
Das frage ich mich auch. Wahrscheinlich liegt das an dem oben beschriebenen Phänomen des Unconscious Bias, was ich wirklich sehr, sehr schade finde. Frauen sollten die gleichen Chancen auf Wagniskapital bekommen wie Männer.
Laut einer Tech-Crunch-Studie werden nur fünf Prozent aller Start-ups weltweit von einer Frau gegründet. Immerhin zwölf Prozent haben eine Mitgründerin. Woran liegt das und was müsste aus Ihrer Sicht passieren, damit mehr Frauen gründen?
Das Verhältnis zwischen Gründern und Gründerinnen ist aktuell noch erschreckend, aber ich glaube, dass der Trend inzwischen in eine andere Richtung geht. Gerade in letzter Zeit lerne ich immer mehr begabte Gründerinnen kennen. Was wir brauchen sind noch mehr Frauen, die mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass es möglich ist, als Frau ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen.
Lassen sich Gründung und Familie vereinbaren?
Gründen ist sehr, sehr zeitintensiv. Wer gründet, der muss bereit sein, jahrelang auf seinen Urlaub zu verzichten und unzählige Überstunden zu machen. Ob sich das mit einer Familie vereinbaren lässt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber man kann ein Unternehmen nicht nebenbei gründen, ebenso wenig wie man nebenbei eine Familie gründen kann.
Wir haben das kürzlich erst bei einem Start-up aus unserem Portfolio gesehen: Die Mitgründerin eines Unternehmens ist vor kurzem Mama geworden und hat sich nun erst mal aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Sie unterstützt weiterhin die Produktentwicklung und bringt ihren Spirit und ihre unbändige Liebe für ihr Produkt ins Unternehmen, aber sie konzentriert sich jetzt erstmal auf ihre Rolle als Mutter und das ist auch gut so.
Start-ups, die von Frauen gegründet oder mitbegründet wurden, erwirtschaften für jeden Dollar der Finanzierung 78 Cent, reine Männer-Teams nur 31 Cent, heißt es in einer Studie der Boston Consulting Group. Müsste man sich da nicht als Investor auf Firmen mit Gründerinnen stürzen?
Es ist kürzlich noch eine Studie rausgekommen, laut der Frauen die besseren Gründer sind. Ich habe da keinen Zweifel, denn sie sind oftmals strukturierter, halten länger durch und haben den höheren IQ. Alles sehr wichtige Eigenschaften, um ein Start-up erfolgreich zu machen.
Thema Funding: 2017 gingen weltweit nur zwei Prozent aller VC-Investitionen an Frauen. Könnte das auch daran liegen, dass die meisten Investoren und Entscheider Männer sind, die bewusst oder unbewusst ihresgleichen bevorzugen?
Es steht mir nicht zu, über andere zu urteilen, aber von Freigeist Capital kann ich ruhigen Gewissens behaupten, dass wir unseresgleichen nicht bevorzugen. Diese Zahl hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass es insgesamt weniger Start-ups gibt, die von Frauen gegründet wurden.
Was uns wieder zurück zur Wagnisfinanzierung und zum Unconscious Bias bringt. Freigeist Capital hat laut Berlinvalley.com 2017/2018 insgesamt neun Mal investiert – sind darunter auch Start-ups von Frauen?
Fünf unserer aktuellen Investments haben eine Co-Founderin im Team: Luicella’s Ice Cream, Ankerkraut, 3 Bears, Neufund und Xentral. Alles sehr starke Gründerinnen, mit denen wir wirklich gerne zusammenarbeiten.
Ein anderes Problem, warum so wenige Frauen gründen, ist vermutlich auch, dass sie kaum mit weiblichen Vorbildern in Kontakt kommen. Welche Gründerinnen kennen Sie, die tolle Rolemodels sind?
Da fallen mir einige ein: Verena Pausder, Lea Lange, Lea-Sophie Cramer und natürlich Zoe Adamovicz von Neufund, um nur einige zu nennen. Wir haben viele starke Gründerinnen in Deutschland.
Was raten Sie Träumern und Träumerinnen, die einfach nur ins TV wollen und bei denen abzusehen ist, dass sie das Ding vor die Wand fahren?
Verschwendet bitte nicht Eure und unsere Zeit. Wer nicht bereit ist, für sein Start-up durch die Hölle zu gehen und mindestens 70 Stunden pro Woche zu arbeiten, der wird es vermutlich nicht schaffen. Wer nur mal ins TV möchte, ist bei einem anderen Format besser aufgehoben. Bei DHDL suche ich Gründer, die ernsthaft Unternehmen aufbauen wollen.
... und Gründerinnen! Herr Thelen, ich danke Ihnen für das Gespräch.
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